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Visuelle Entscheidungen von den Augen ablesen  
  Wie der Name schon sagt, "kippen" so genannte Kippbilder im Auge des Betrachters, ohne sich selbst zu ändern. Genau deshalb sind sie in den Neurowissenschaften ein beliebtes Mittel zur Untersuchung der visuellen Wahrnehmung. Ein internationales Forscherteam hat nun festgestellt, dass die Pupillenausdehnung ein äußeres Zeichen für die Auflösung zweideutiger Bilder und auch deren Stabilität ist.  
Laut den Wissenschaftlern ist für diese Reaktion derselbe biologische Mechanismus verantwortlich wie jener für Entscheidungsfindung im Allgemeinen. Davon berichten sie in der aktuellen Ausgabe der "PNAS".
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Der Artikel "Pupil dilation reflects perceptual selection and predicts subsequent stability in perceptual rivalry" von W. Einhäuser et al. erscheint zwischen 5. und 8. Februar in den "PNAS" (Bd. 105, 5. Februar 2008, DOI:10.1073/pnas.0707727105).
->   Artikel (sobald online)
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Wie stabile Wahrnehmung entsteht
Bis heute fragen sich Neurowissenschaftler, wie das Gehirn aus dem, was man sieht, interne Repräsentationen macht, denn die Umgebung ändert sich nicht nur permanent, häufig ist man auch mit mehrdeutiger Information konfrontiert. Das heißt, Interpretationen müssen ständig überprüft und Doppelsinnigkeiten aufgelöst werden.

Schon in den letzten Jahren wurde vor allem mithilfe bildgebender Verfahren vermehrt versucht, die verschiedenen Aspekte dieser visuellen Entscheidungsfindung zu untersuchen.
Pupillendurchmesser als Indikator

Welcher Mechanismus das Kippen von zweideutigen Bildern auslöst, war jedoch bisher unklar. Und es gab auch keinerlei körperliche Indikatoren dafür. Für die Studie griff das Team rund um Wolfgang Einhäuser von der ETH Zürich nun auf eine Methode zurück, die in letzter Zeit eher gering geschätzt wurde, nämlich die Messung des Pupillendurchmessers.

Die Versuchspersonen wurden mit vier unterschiedlichen zweideutigen Reizen konfrontiert, darunter etwa der bekannte "Necker-Würfel" (siehe Bild rechts), der entweder nach vorne oder nach hinten gekippt wahrgenommen wird. Die Messungen erfolgten im Dunklen, um eine Beeinflussung der Pupillengröße durch Licht auszuschließen.
Je größer die Pupille, desto stabiler das Bild
Die Probanden wurden gebeten, während des Untersuchungszeitraums jedes Mal einen Schalter zu drücken, sobald das Bild kippte. In allen Versuchsanordnungen zeigte sich, dass der Durchmesser der Pupille kurz vor dem Zeitpunkt des Kippens des Bildes signifikant anstieg und sein Maximum in etwa zum Entscheidungspunkt selbst erreicht.

Darüber hinaus fanden Einhäuser und seine Kollegen heraus, dass das Ausmaß der Ausdehnung ein verlässlicher Parameter zur Vorhersage der Stabilität und der Dauer einer gewählten Wahrnehmung ist. Das heißt, je größer der Durchmesser der Pupillen desto stabiler war das innere Bild.
Wahrnehmung als Entscheidungsfindung
Laut den Wissenschaftlern lassen sich diese Ergebnisse nicht mit Blinzeln oder anderen Effekten von Augenbewegungen erklären. Denn wenn Licht als äußerer Faktor wegfällt, zeigt eine Zunahme der Pupillengröße in erster Linie den Anstieg von Noradrenalin, welches vom Locus caeruleus, einer kleinen Zellgruppe des Mittelhirns, ausgeschüttet wird.

Dieser Wirkmechanismus spielt generell eine wesentliche Rolle in der menschlichen Entscheidungsfindung. Er ist unter anderem dafür verantwortlich, unser Handeln auszubalancieren - und zwar insofern, ob wir an Dingen festhalten sollen oder lieber alternative Wege suchen. Angesichts der Ergebnisse sei es nahe liegend, dass dieser auch die visuelle Wahrnehmung steuert. Welche Abläufe den Anstieg des Hormons hervorrufen, müsse allerdings noch erforscht werden.

[science.ORF.at, 5.1.08]
->   Noradrenalin (Wikipedia)
->   Wolfgang Einhäuser
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Moderner Mensch sieht wie Jäger und Sammler (25.9.07)
->   Aufmerksamkeit schärft die Sinne (14.8.06)
->   Gehirn unterbricht vor Blinzeln visuelle Wahrnehmung (26.7.05)
->   Wie "visuelle Erwartungen" die Wahrnehmung beeinflussen (21.9.04)
 
 
 
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01.01.2010