News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Chemotherapie: Hungern schützt den Körper  
  Kurzfristiges Fasten könnte die gesunden Zellen von Krebspatienten stärken und vor der oft hochgiftigen Behandlung schützen, während die Krebszellen angreifbar bleiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die das gezielte Aushungern einzelner Zellen bei krebskranken Mäusen untersucht hat.  
Dies könnte laut den US-amerikanischen und italienischen Forschern zu völlig neuen therapeutischen Strategien führen, denn häufig schädigt die Chemotherapie den gesamten Körper und bedroht so auch deren Wirksamkeit.
...
Die Studie "Starvation-dependent differential stress resistance protects normal but not cancer cells against high-dose chemotherapy" ist am 31. März 2008 online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI:10.1073/pnas.0708100105) erschienen.
->   Studie
...
Suche nach selektiven Behandlungsmethoden
Die Krebsforschung versucht schon seit Jahren, selektivere Behandlungsmethoden zu finden. Das heißt, die Medikamente sollen gezielt den Tumor angreifen und nicht gleichzeitig den gesunden Körper zerstören. Krebs ließe sich weit effizienter bekämpfen, wenn die Chemotherapie nicht generell so giftig wäre.

Bis jetzt stand dabei meist die Suche nach einem zielgerichteten Wirkmechanismus im Mittelpunkt. Studienleiter Valter D. Longo von der University of Southern California und sein Team verfolgen einen gänzlich anderen Ansatz.

Die Idee dahinter: Wenn die gesunden Zellen besser geschützt wären, könnten höhere und damit wirksamere Dosen eingesetzt werden.
Hungern wirkt lebensverlängernd
Longo kommt aus der Anti-Aging-Forschung, in deren Rahmen er sich schon seit einiger Zeit mit reduzierter Nahrungsaufnahme beschäftigt. Demnach verlängert eine verminderte Kalorienzufuhr bei einigen Organismen, wie etwa Backhefe oder Mäusen, die Lebenszeit. Der Grund dafür: Das Hungern schützt die einzelnen Zellen vor schädlichem oxidativem Stress.

Offenbar versetzt das Fasten die Zellen in eine Art Winterschlaf, in dem sie das Ende der Hungerperiode abwarten. Laut Longo funktioniert der dafür verantwortliche genetische Signalweg bei Tumoren anders, er lasse sich quasi nicht ausschalten und das Wachstum nicht einfach stoppen.

Das brachte den Forscher auf die Idee, dass gezieltes Aushungern ausschließlich die gesunden Zellen schützen könnte, während die anderen unverändert und damit angreifbar blieben.
Mäuse ertragen nach dem Hungern höhere Dosis
Um das nachzuweisen, wählten die Wissenschaftler unterschiedliche Methoden. Zuerst untersuchte das Team die Reaktion von gesunden Zellen und Krebszellen auf Chemotherapeutika im Reagenzglas, nachdem sie ausgehungert wurden. Dabei starben deutlich mehr kranke Zellen. Die gesunden Zellen schnitten sogar um das Zwei- bis Fünffache besser ab.

Auch in einem darauffolgenden Versuch mit Mäusen ließ sich die Wirksamkeit nachweisen. Eine zweitägige Fastenkur schützte den gesunden Körper der Tiere vor einem hoch dosierten Krebsmittel, nicht aber die Tumorzellen.

Sie hatten keine der bei dieser Dosis üblichen Vergiftungserscheinungen, und schon nach wenigen Tagen hatten sie das verlorene Gewicht wieder zugenommen. Bei den normal gefütterten Mäusen hingegen verstarb die Hälfte bei derselben Dosis. Die Überlebenden blieben untergewichtig und schwach.
Breite Einsatzmöglichkeiten
Wenn sich die Toxizität von Chemotherapie durch gezieltes Fasten tatsächlich reduzieren lässt, ergibt sich laut den Wissenschaftlern rund um Longo daraus ein völlig neuer konzeptueller Ansatz in der Krebsforschung, nicht zuletzt weil es - zumindest in der Theorie - eine für alle Erkrankten einsetzbare Behandlungsmethode darstellt.

Bis zur Anwendung im klinischen Alltag ist es allerdings noch ein weiter Weg. Vorerst müssten geeignete Studien an Menschen konzipiert und durchgeführt werden.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 1.4.08
->   Valter D. Longo
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Warum Fasten das Leben verlängert (3.5.07)
->   Aktivierte Immunzellen zerstören Krebs (3.4.07)
->   Neues Molekül für die Krebstherapie entdeckt (5.4.06)
->   Fasten wirkt auch im Alter lebensverlängernd (23.3.04)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010