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Eheringe: Jährlich werden 16,5 Kilo Gold abgenutzt  
  Dass sich Goldringe abnutzen und mitunter zu schwarzen Fingern führen, ist den meisten Verheirateten bekannt. Das Phänomen erstmals quantifiziert hat nun ein Wiener Chemiker. Im Laufe eines Jahres verlor sein Ehering über sechs Milligramm.  
Hochgerechnet auf die Eheringträger in ganz Österreich lässt das auf einen Verlust von rund 16,5 Kilogramm Gold pro Jahr schließen - was einem Wert von mehr als 250.000 Euro entspricht.

Während diese Zahl eine reine Hochrechnung ist, ist das Problem für den Alltag im Labor alles andere als trivial: Bei der chemischen Analyse von Spurenelementen können schon kleinste Verunreinigungen die Resultate verfälschen.

Georg Steinhauser vom Atominstitut der Österreichischen Universitäten in Wien rät seinen Kollegen deshalb in Zukunft, die Eheringe im Labor lieber abzunehmen.
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Die entsprechende Studie "Quantification of the Abrasive Wear of a Gold Wedding Ring" ist vor kurzem in dem Fachjournal "Gold Bulletin" (Bd. 41., S. 51) erschienen.
->   Die Studie (pdf-Datei)
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Ermittlung der ursprünglichen Zusammensetzung
Gewidmet hat Steinhauser die im wichtigsten Journal der Gold-Community erschienene Studie seiner Frau Veronika - anlässlich des ersten Hochzeitstages.

Genau ein Jahr war auch der Zeitraum, in dem der Chemiker den Zustand seines Eheringes untersucht hat. Zu Beginn stellte er dessen genaue chemische Zusammensetzung fest.

Die Neutronenaktivierungsanalyse einer identischen Kopie des Ringes ergab einen Anteil von 75 Prozent Gold, 15 Prozent Silber und zehn Prozent Kupfer - was auch den 18 Karat entspricht, die ihm sein Juwelier versprochen hatte. Zusätzlich fand Steinhauser Spuren von Iridium.

Das Anfangsgewicht des Ringes lag im Juli 2006 bei 5,584 Gramm, er war maximal 1,77 Millimeter dick.
Jede Woche Ring vermessen, ein Jahr lang
Einmal pro Woche maß der Chemiker sodann mit einer ganz normalen Standardwaage das Gewicht seines Ringes.

"Ich dachte am Anfang, dass sich mit ihr gar keine Unterschiede werden feststellen lassen. Dann aber zeigte sich ein klarer Trend", sagte Steinhauser gegenüber science.ORF.at. Der Ring verlor kontinuierlich an Gewicht.
Besonders "gefährlich": Strandurlaub und Gartenarbeit
 
Bild: Georg Steinhauser

Das Corpus Delicti: der Hochzeitsring von Georg Steinhauser

Während die Außentemperatur oder die Entwicklung von Schweiß wenig Einfluss hatten, waren die Gewichtsverluste bei bestimmten Tätigkeiten besonders stark. Und diese hat Steinhauser in seiner Studie akribisch aufgelistet: Während eines Urlaubs auf sandigen Stränden und bei intensiver Gartenarbeit sorgten Sand bzw. Erde für besonders starke Abnutzung.

Aber auch Skifahren und ein Rockkonzert ("Applaus") führten zu einer deutlich messbaren Gewichtsabnahme des Ringes.

Die Schlussüberprüfung im Juli 2007 zeigte das gesamte Ausmaß: Um 0,39 Kubikmillimeter - in etwa das Volumen eines Stecknadelkopfes - bzw. 6,15 Milligramm ist der Ehering in einem Jahr geschrumpft. Steinhauser hat ausgerechnet: In rund 907 Jahren würde sich der Ring komplett aufgelöst haben.
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268.000 Euro zerrinnen zwischen den Fingern
1,7 Millionen Ehen gab es laut Statistik Austria 2007 in Österreich, somit potenziell 3,4 Millionen Ringträger. Wenn man davon ausgeht, dass nur 80 Prozent von ihnen einen Goldring besitzen bzw. diesen auch tragen, lässt sich analog den Studienresultaten schließen: Pro Jahr zerrinnen zwischen österreichischen Fingern 16,7 Kilogramm Gold - und das entspricht beim aktuellen Goldpreis einem Wert von 268.000 Euro.
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Gold vor allem im Abwasser
"Jetzt bin ich selbst ja eher ein Schreibtischhengst. Bei allen, die viel mehr mit der Hand arbeiten, ist der Effekt sicher noch viel größer", folgert Steinhauser. Er selbst habe Bekannte aus der Landwirtschaft, die Zeit ihres Ehelebens gleich drei Goldringe "verbraucht" haben.

Fragt sich nur, wohin das Gold verschwindet. In erster Linie, so Steinhauser, auf die Finger und von dort - entsprechendes hygienisches Verhalten vorausgesetzt - in das Abwasser.

"Goldspuren können wirklich überall nachgewiesen werden: auf Türschnallen, Geländern, Lenkrädern, auch auf Münzen, die eigentlich keinen Gold beinhalten", erklärt der Chemiker.
Ring runter im Labor und beim Händewaschen
Weil das so ist, rät er chemischen Analytikern, ihre Ringe im Labor abzunehmen und sich vor der Arbeit die Hände zu waschen. "Das wäre ein wichtiger Bestandteil zur Qualitätssicherung bei chemischen Analysen."

Er selbst untersucht zurzeit die Zusammensetzung verschiedener vulkanischer Gesteine. Dabei spielt Iridium eine wichtige Rolle: Es zählt zu den seltensten Elementen überhaupt, die geringen, aber messbaren Mengen, die aus Goldringen stammen, könnten die Untersuchungsergebnisse verfälschen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 16.4.08
->   Strahlenphysikalische Analytik & Radiochemie, Atominstitut
->   Neutronenaktivierungsanalyse (Wikipedia)
Aktuelles zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Forscher auf der Suche nach Gold (2.4.08)
->   Ältestes Goldschmuckstück Amerikas (1.4.08)
 
 
 
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01.01.2010