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Hausmäuse verraten Wanderung der Wikinger  
  Die Analyse des Erbguts von Mäusen erweist sich immer mehr als taugliches Hilfsmittel für Historiker und Archäologen: Eine aktuelle Studie zeigt, wie norwegische Wikinger vor tausend Jahren zusammen mit der gemeinen Hausmaus den Norden Großbritanniens besiedelt haben.  
Die kleinen Nager sind zwar ein oft unbeliebter Begleiter des Menschen, aber dafür ein guter Gradmesser für historische Wanderbewegungen, berichten Biologen um Jeremy Searle von der britischen Universität York.
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Die Studie "Of mice and (Viking?) men: phylogeography of British and Irish house mice" erscheint online in den "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" (doi: 10.1098.rspb.2008.0985).
->   Abstract der Studie (sobald online)
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Treue Begleiter seit 10.000 Jahren
Von "Mäusen und Menschen" handelt nicht nur der gleichnamige Roman des amerikanischen Autors John Steinbeck, sondern auch die Geschichte der Kultur. Der Mensch und die Hausmaus (mus musculus) haben sich nämlich im Gleichschritt rund um den Erdball ausgebreitet.

Schon in den frühesten menschlichen Siedlungen, vor rund 10.000 Jahren im arabischen Zweistromland, dürften sich die Nager an den Essensresten ihrer menschlichen Gastherren gelabt haben.

Auch bei den vor rund 3.000 Jahren begonnenen Wanderungsbewegungen aus dem Nahen Osten nach Europa waren sie treue Begleiter.
Mitochondriale DNA als Gradmesser
Schon zahlreiche Forschergruppen haben bewiesen, dass Erbgutstudien von Mäusen nicht nur aufschlussreich sein können für die Herkunft der Tiere, sondern auch von Menschengruppen.

So hat die Analyse mitochondrialer Mäuse-DNA gezeigt, dass die erste Besiedlung des Mittelmeerraums durch sehr schnelle Massenmigration entstanden sein muss - was sich auch durch archäologische Funde beweisen lässt.

Eine andere Untersuchung von Mäuseerbgut kam zu dem Schluss, dass dänische Wikinger die Insel Madeira lange vor den Seefahrern Portugals entdeckt haben, zu dem sie bis heute gehört.
Mäuse aus ganz Großbritannien untersucht
Einer anderen Inselgruppe an der Peripherie von Europa haben sich die Forscher um Jeremy Searle nun zugewandt: Großbritannien.

Die ersten gesicherten archäologischen Funde von Mäusen stammen hier aus der Eisenzeit (1.000 v.Chr.) von der Südküste, bei Ausgrabungen aus der Römischen Epoche wurden auch in Zentralengland Funde gemacht.
Zwei Mäuselinien: Eine deutsche, eine um Orkney
Um die Abstammungsverhältnisse der britischen Mäuse genauer zu klären, haben die Forscher nun Genanalysen von 328 Exemplaren vorgenommen, die an 105 Orten Großbritanniens eingesammelt worden waren.

Dabei zeigten sich zwei Hauptlinien der Verwandtschaft: Auf der einen Seite leben im gesamten Bereich des heutigen England, Wales und südlichen Schottland Mäuse, die mit jenen auf dem europäischen Festland verwandt sind - insbesondere mit jenen aus Deutschland, wo sie vermutlich herstammten.

Auf der anderen Seite gibt es die sogenannte "Orkney-Linie": Diese Mäuse herrschen auf der gleichnamigen Insel im Norden Schottlands vor, auf den umgebenden Inseln wie Shetland und der Isle of Man sowie in Irland.
Orkney - eine Hochburg der Wikinger
Und damit liegen die Bezüge zu den norwegischen Wikingern bereits auf der Hand. Orkney war ein Zentrum des Wikingerreichs im elften und zwölften Jahrhundert, die "Orkneyinga saga" etwa erzählt die Geschichte ihrer Besiedlung ab dem neunten Jahrhundert.

Alles spricht laut den Forschern um Jeremy Searle dafür, dass die Mäuse mit den Wikingern in den Norden Großbritanniens gekommen sind: Zum einen entsprechen die Gentypen jenen von Mäusen, die zu Vergleichzwecken in Norwegen analysiert wurden, zum anderen gibt es in der Orkney-Region bisher keine gesicherten archäologischen Mausfunde aus der Vorwikingerzeit.
Weitere Forschungsziele: Grönland und Nordamerika
Mit dem Norden Großbritannien hört der Wissensdurst der Forscher noch nicht auf. In einer zweiten, zeitgleich erschienenen Studie haben sie nachvollzogen, wie sich eine Genvariante von Mäusen durch die Auswanderung von Briten in Neuseeland verbreitet hat.

Und mit der "Orkney-Linie" wollen sie in Zukunft die Wanderbewegung der norwegischen Wikinger genauer datieren: auf den Faröer Inseln, Island, Grönland und Neufundland im heutigen Kanada.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 1.10.08
->   Orkneyinga saga (Wikipedia)
->   Jeremy Searle, Universität York
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Gentests zeigen: Migration verbreitete Landwirtschaft (25.5.05)
->   Bauern des mittleren Ostens "zivilisierten" Europa (6.8.02)
->   Mäuse und Menschen bemerkenswert ähnlich (31.5.02)
 
 
 
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01.01.2010