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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Energiequellen im Vergleich: Platz eins für Windräder  
  Angenommen, man würde auf Benzin und Diesel verzichten und sämtliche Autos mit einer alternativen Energiequelle betreiben - welche Auswirkungen hätte das auf die Umwelt? Ein Forscher hat das Szenario nun für die USA durchgespielt und kommt zu dem Ergebnis: Windräder wären die wohl umweltverträglichste Variante, der flächendeckende Gebrauch von Biokraftstoffen hingegen eine ökologische Katastrophe.  
Alternativen mit Haken
Der Klimawandel, endliche Ölvorräte und leere Gaspipelines lassen Länder nach alternativen Energiequellen suchen. Manchmal werden dabei auch alte Bekannte wie die Kernkraft wieder ausgegraben.

Jede Alternative hat aber ihren Haken: Für Palmöl stirbt der Regenwald, Mais in Mexiko wird teurer, weil die USA aus dem Getreide Ethanol für Autos herstellen, Wasserkraftwerke versenken Auwälder und Kulturstätten und Atomkraftwerke kränkeln an Störfällen und der Endlagerung.
Top: Wind, Sonne, Erdwärme
 
Bild: dpa/dpa-Zentralbild/Z1022 Patrick Pleul

Um angesichts solch unterschiedlicher Folgewirkungen die ökologische Gesamtbilanz nicht aus dem Auge zu verlieren, hat der Umweltwissenschaftler Mark Z. Jacobson von der Universität Stanford elf Methoden der Energieerzeugung verglichen und ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit bewertet (siehe Infobox).

Am besten Schnitt dabei Windkraft ab, gefolgt von Sonnenenergie, Erdwärme, Gezeiten- und Wellenkraftwerken. Das schlechteste Zeugnis erhielten Biokraftstoffe aus Ethanol, wie Jacobson im Fachblatt "Energy and Environmental Science" (online) berichtet.
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Was und wie wurde verglichen?
Energietechniken: Photovoltaik, Solarwärmekraftwerke, Windenergie, Erdwärme, Wasser-, Wellen- und Gezeitenkraftwerke, Atomenergie, Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung sowie Ethanol aus Getreide und Zellulose.
Auswirkungen: Verfügbarkeit der Energiequelle, CO2-Emissionen, Todesfälle durch Luftverschmutzung, Flächenverbrauch, Wasserverbrauch, Auswirkungen auf die Natur, chemische und radioaktive Umweltverschmutzung, thermische Umweltverschmutzung (Abwärme von Kraftwerken kann Algenblüten auslösen und Fischen schaden), Ausfallssicherheit und Beständigkeit der Versorgung.

Um zu einer Gesamtbewertung jeder Energiequelle für diese unterschiedlichen Auswirkungen zu kommen, wurden die Techniken für jede Auswirkung gereiht, die einzelnen Ränge addiert sowie die Auswirkungen gewichtet: CO2-Emissionen, Todesfälle und Flächenverbrauch wirkten sich stärker auf die Gesamtnote aus.
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Vom Bau bis zur Entsorgung
Jacobson berechnete die Umweltfolgen der Energietechniken nicht selbst. Er nutze bestehende Studien und erstellte so für jede Umweltfolge zu jeder Technik eine Bandbreite der Auswirkungen. Grundlage dafür waren so genannte Lebenszyklusanalysen. Diese beurteilen die Folgen einer Technik vom Bau des Kraftwerks über den Abbau und Transport der Rohstoffe bis zu den entstehenden Emissionen und Abfällen.

Zwei Beispiele: Für Kernkraftwerke werden im Rahmen so einer Analyse nicht nur die (durchaus geringen) Kohlendioxidemissionen (CO2) im Betrieb berücksichtigt, sondern auch jene Mengen des Klimagases, die beim Bau des Kraftwerks, beim Abbau von Uran, bei der Lagerung der Abfälle und beim Abriss des Kraftwerks entstehen.

Ähnlich umfassend sieht die CO2-Bilanz der Kohlekraftwerke aus: Würde man deren CO2 unter die Erde pumpen, was vielerorts diskutiert wird, muss man auch jenes CO2 zur Gesamtbilanz hinzurechnen, das beim Abbau und Transport der Kohle entsteht und das aus den CO2-Lagern zu einem gewissen Grad wieder entweicht.
Aufwendige Technik ist schlecht fürs Klima
Auch der Faktor Zeit spielt keine geringe Rolle. Je länger es nämlich dauert, bis die untersuchten Energiequellen auf breiter Basis eingesetzt werden, umso schlechter ist das für die CO2-Bilanz. Der einfache Grund: In der Zwischenzeit werden weiterhin fossile Energieträger verbrannt.

Besonders schlecht schnitten in dieser Hinsicht Kernkraftwerke mit ihrer Planungsdauer von zehn bis 19 Jahren ab. Kohlekraftwerke und Staudämme wurden ebenfalls sehr schlecht beurteilt. Große Windfarmen und Solarkraftwerke lassen sich laut den von Jacobson zitierten Studien hingegen bedeutend schneller errichten.
Biokraftstoffe: Gesundheitsschädlich, flächenintensiv
Dass die Noten für Biokraftstoffe besonders schlecht ausfielen, hat im Wesentlichen zwei Gründe. Sie führen der Studie zufolge zu den meisten Todesfällen durch Luftverschmutzung, da auch beim Betreiben von Fahrzeugen mit Biokraftstoffen Abgase und Ruß entstehen. Und sie verbrauchen laut Analyse auch mehr Fläche und Wasser als die anderen Techniken.
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Schwerpunkt Energiegesellschaft
Die Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und dem Umweltbundesamt widmet sich derzeit dem Thema Ressourcen. Bis März 2009 gibt es dazu den Dialogschwerpunkt Energiegesellschaft. Im Frühjahr 2009 wird dazu eine BürgerInnenkonferenz stattfinden. Im Zuge des Schwerpunkts werden auf science.ORF.at etwa alle zwei Wochen Beiträge zum Thema Energie erscheinen.
->   Risiko:dialog
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Frischer Wind für die US-Fahrzeugflotte
Jacobson berechnete auch, wie viele Windräder es bräuchte, um sämtliche Autos und Trucks in den USA mit Strom zu betrieben. 70.000 bis 140.000 Windräder mit einer Leistung von je fünf Megawatt würden reichen. Das seien weniger als die 300.000 Flugzeuge, die die USA in der Zeit des Zweiten Weltkriegs produziert haben, schreibt er. Die USA könnten mit dieser Maßnahme über 30 Prozent ihrer CO2-Emissionen einsparen.

Laut der Zeitschrift "New Scientist" hat Jacobson seine Idee im Herbst 2008 auch schon dem Vorsitzenden des Energieausschusses des US-Senats vorgestellt. In seiner Veröffentlichung fordert Jacobson, dass die Politik die Wahl der Energieträger nicht anhand von Kosten entscheiden dürfe.

Er bezieht sich dabei auf den "Clean Air Act" von 1970, der Kosten als Beurteilungskriterium für Maßnahmen zur Luftreinhaltung sogar verbiete. Zudem seien die zukünftigen Kosten schwer abschätzbar: Öl kann knapp und teurer werden, Alternativenergien könnten nach einer breiten Markteinführung billiger werden.
Ungenutzte Potenziale
In der Studie wurde auch verglichen, wie viel Energie derzeit mit den untersuchten Techniken gewonnen wird und wie viel in Zukunft erzeugt werden könnte. Bei allen Energieformen gibt es demnach noch große ungenutzte Potenziale.

Jacobsons Resümee: Es brauche technologische Schwerpunktsetzungen, ein bisschen von jeder Technik einzusetzen, sei kein jedenfalls zielführender Ansatz. Und die besten Energietechniken seien nicht jene, über die derzeit auch am meisten geredet wird.

Mark Hammer, science.ORF.at, 23.1.09
->   Mark Z. Jacobson
->   New Scientist
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01.01.2010