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Zeugung ohne Sperma: Männer bald unnötig?  
  Ein australisches Forscherteam hat einen Weg gefunden, weibliche Eizellen ohne Sperma zu befruchten. Was bei Ratten funktioniert, könnte das Fortpflanzungsverhalten der Menschen revolutionär verändern.  
Ein Team der Melbourner Monash-Universität gab am Dienstag bekannt, Eizellen von Mäusen künstlich mit Körperzellen befruchtet zu haben.

Die benötigten Zellen könnten jeder Stelle des Körpers entnommen werden, meinte die Fortpflanzungsmedizinerin und Studienleiterin Orly Lacham-Kaplan.
Babys ohne Männer
Falls es gelingen sollte, die Fortpflanzungstechnik auf den Menschen zu übertragen, könnten Babys ganz ohne das Zutun von Männern gezeugt werden.

Theoretisch könnten auch zwei Frauen ohne Hilfe eines Mannes ein gemeinsames Kind bekommen - allerdings ausschließlich Mädchen. Denn Frauen verfügen nicht über die Geninformation für Buben. Das könnte sich als problematisch erweisen, da Teile der Entwicklung von väterlichen Genen kontrolliert werden.
Sind Embryonen überlebensfähig ...
Die Forschergruppe entnahm Mäusen Körperzellen und simulierte mit ihnen erfolgreich die Befruchtung weiblicher Eizellen: In Laborkulturen wuchsen Embryonen heran.

Nach Angaben von Lacham-Kaplan sollen die Embryonen im nun folgenden Forschungsabschnitt weiblichen Mäusen eingepflanzt werden, um herauszufinden, ob sie überlebensfähig sind.
... und danach tauglich zur Fortpflanzung?
Danach werde man überprüfen, ob die Embryonen gesund und fortpflanzungsfähig zur Welt kommen. Auch mögliche Nachkommen werde man genau untersuchen.

"Wenn die künstlich gezeugten Embryonen lebendige, gesunde Nachkommen zur Welt bringen, können wir sagen: Ja, wir haben ein Möglichkeit gefunden, Eizellen mit Körperzellen zu befruchten", sagte Lacham-Kaplan.

Bei ihren Versuchen mit den Laborratten simulierte das Team der australischen Universität einen normalen Befruchtungsvorgang. Dabei werden die zwei Chromosomensätze in der Eizelle halbiert und mit einem Chromosomensatz der Spermazelle kombiniert.
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Befruchtung
Bei der natürlichen Befruchtung vereinigen sich die männliche Samen- und weibliche Eizelle (Gametogonie) und die entsprechenden Zellkerne (Karyogamie). Nach Verschmelzen von Ei- und Samenzellkern (mütterliche und väterliche Anlagen werden vererbt) setzt meist die Furchung des Eies ein, und die Entwicklung des Embryos beginnt.

Durch die Reifeteilung (Meiose) der Geschlechtszellen wird die Zahl der Chromosomen halbiert, was nötig ist, da sonst bei jeder Verschmelzung von Samen und Ei eine Verdoppelung einträte.
->   Mehr über die Meiose
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Chemie beseitigt Chromosomensatz
Befruchtungsversuche mit Körperzellen scheiterten bisher daran, dass sie zwei Chromosomensätze besitzen, während Spermienzellen nur einen einfachen Satz enthalten.

Mit einer chemischen Technik entfernten die Forscher den überschüssigen Satz.
Ein Jahr weiterer Forschung
Die Experimente mit Mäusen werden nach Angaben von Lacham-Kaplan bis zu ein Jahr dauern. Danach könnten theoretisch Untersuchungen am Menschen beginnen. In Australien sind Experimente zur künstlichen Befruchtung mit Körperzellen allerdings verboten.

Ein möglicher Ausweichort wären die USA, sagte die Forscherin. "Im Augenblick glaube ich, dass mehr Probleme als Erfolge vor uns liegen. Aber falls wir Erfolg haben sollten, wäre das ein unglaublicher Durchbruch."
Ethische Bedenken
Bei der neuen Methode bestünden allerdings auch erhebliche ethische Bedenken, meinte Lacham-Kaplan in einem ersten Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Forschung ihres Teams bedeute zwar einen großen Durchbruch für unfruchtbare Männer - "viele dieser Menschen wollen ihre eigenen biologischen Kinder zeugen. Ich glaube aber, wir müssen Grenzen ziehen, wo sie notwendig sind", sagte sie.
Besser als Klonen?
In einem Gespräch mit BBC online hielt der Fruchtbarkeitsexperte Robert Wilson die neue Technik für "revolutionär und ungemein wichtig". Entscheidend sei, dass sie das ethisch höchst umstrittene Klonen von Menschen unnötig machen könnte. "Es wäre moralisch weit vertretbarer, da hier die Chromosomen von zwei Partnern im Spiel sind."

Theoretisch ist auch denkbar, dass sich mit Hilfe der neuen Technik eine Frau selbst reproduziert. Der Gebrauch von Chromosomen desselben Menschen würde das Risiko der Neugeborenen für Gendefekte allerdings dramatisch erhöhen.

(Reuters/red)
->   Monash-Universität, Melbourne
->   Orly Lacham-Kaplan
->   Mehr über künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation)
 
 
 
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01.01.2010