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Neandertaler: Keine Vorfahren des Menschen  
  Die virtuelle Rekonstruktion der Schädel von Neandertalern zeigt nun erneut, dass es sich beim Homo neanderthalensis und Homo sapiens nicht um nahe Verwandte handelt. Die auf Knochenfunden basierenden Computermodelle lassen darauf schließen, dass es sich um zwei Arten handelt, die sich getrennt voneinander entwickelt haben.  
Der Neurobiologe Christoph Zollikofer und die Anthropologin und Informatikerin Marcia Ponce de Leon von der Universität Zürich wollten eigentlich die Entwicklung des Neandertalers und des modernen Menschen vergleichen - und die Gemeinsamkeiten der beiden Arten auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen zu dokumentieren.

''Es war eine große Überraschung, als wir feststellten, wie homogen und eigenständig sich die beiden Rassen während ihrer Entwicklung verhalten'', sagt Zollikofer in der neuesten Ausgabe des Fachmagazins "Nature", in dem die Forscher ihre Ergebnisse nun publiziert haben.
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Auch DNA-Analysen belegen keine direkte Verwandtschaft
Auch kürzlich erfolgte DNA-Analysen belegen keine direkte Verwandtschaft zwischen Homo sapiens und Neandertaler, wie Otto Urban in science.orf.at berichtete. Der Homo neanderthalensis war offenbar wie der Homo sapiens eine Art (Spezies) der Gattung Homo, die untereinander scheinbar nicht fortpflanzungsfähig waren.
->   Der Originalartikel von Otto Urban
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Wie die Rekonstruktionen entstanden
Zur Herstellung der virtuellen Konstruktionen benutzten die Wissenschaftler computertomographische Aufnahmen von Knochenfunden.

Mit Hilfe dieser Daten und einem speziellen Computerprogramm gelang es, 16 dreidimensionale virtuelle Schädel zu erschaffen. So entstanden die Schädelnachbildungen von Wesen, die vor 125.000 bis 40.000 Jahren in Europa, Nord-Afrika und Asien lebten.
Unterschiede schon im Kleinkindalter
Der physische Unterschied zwischen den beiden Rassen war schon im Alter von zwei Jahren sichtbar. "Das fliehende Kinn der Neandertaler und ihre niedrige, zurückweichende Stirn, also die typischen Merkmale dieser Rasse waren schon in der Kindheit sehr ausgeprägt", so Zollikofer.

 


Ein Kinderschädel heute (links) im Vergleich zu einem Kopf eines Neandertaler-Kindes (rechts).
Zwei getrennte Spezies
Die Daten lassen eindeutig den Schluss zu, dass es sich um zwei getrennt lebende Populationen handelt. Die Neandertaler dürften sich daher kaum mit dem frühen Menschen gepaart und so wenig bis gar nichts zum menschlichen Genpool beigetragen haben.
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Der Neandertaler
Der Neandertaler zählt zu den Altmenschen und entwickelte sich vor 550.000 bis 620.000 Jahren aus dem Homo Erectus - dem aufrecht gehenden Stammvater der weitverzweigten Menschheitsgeschichte, die ihre Wurzeln in Afrika hat. In Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten lebten Homo Sapiens und Neandertaler jedoch bis zu 50.000 Jahre nebeneinander. Vor etwa 30.000 Jahren starb der robust-muskulöse Altmensch mit der fliehenden Stirn aus - ob durch eine Epidemie oder die Dominanz des fortschrittlicheren Homo Sapiens bleibt unklar. Seinen Namen hat der Neandertaler von dem ersten spektakulären Fund 1856 in einem kleinen Tal in der Nähe von Düsseldorf. Bisher wurden insgesamt etwa 150 mehr oder weniger bruchstückhafte Skelette entdeckt.
->   Der Neanderthaler: Funde und Theorien
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Die morphologischen Unterschiede
 


Auf der linken Seite ist der Schädel eines erwachsenen Neandertalers abgebildet, rechts der eines modernen Menschen.

Die unterschiedliche Größe der schwarzen Punkte stellen Richtung und Ausmaß der Unterschiede dar, und deuten auch auf die Unterschiede in der pränatalen Entwicklung hin. Die Farben Rot und Grün markieren die Formunterschiede im erwachsenen Alter.
Genetische Untersuchungen: Gleiches Ergebnis
Schon frühere genetische Untersuchungen von Fundstücken (siehe oben: "Auch DNA-Analysen belegen keine direkte Verwandtschaft") deuteten darauf hin, dass der Neandertaler sich zu sehr vom Menschen unterscheidet, um etwa dessen Vorfahre sein zu können.

Zusammen mit den genetischen Daten sei es daher berechtigt anzunehmen, dass es sich bei dem Neandertaler und dem Homo sapiens um zwei unterschiedliche Rassen handelt, die sich vor mindestens einer halben Million Jahren getrennt haben, so die Forscher in ihrem Artikel.

(red)
Der Artikel "Neanderthal cranial ontogeny and its implications for late hominid diversity" ist erschienen in "Nature" ( Band 412, Seiten 534 - 538).
->   Der Artikel in "Nature" (kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010