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Mediation: Sprechen statt Schießen  
  Mediation als Weg zur Lösung von Konflikten wird immer bekannter, seien es Konflikte im "kleinen Kreis" wie etwa eine Scheidung oder in der Weltpolitik. Wieder miteinander zu sprechen ist das Ziel, nicht Gewinner und Verlierer zu bestimmen.  
Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Die meisten Kinderspiele funktionieren so, kein Wunder, dass wir in Konfliktsituationen in diesen Kategorien denken.
Es können auch beide gewinnen ...
Es können auch beide gewinnen, sagen allerdings Mediatoren, wenn man verhandelt anstatt zu streiten, wenn man spricht anstatt zu schießen.
Beispiel Peru-Ecuador
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Mediation: Jahrzehnte lang kämpften Peru und Ecuador um ein Grenzgebiet, der norwegische Friedensforscher Johan Galtung wurde als Mediator eingeschaltet.

Er schlug schließlich vor, eine binationale Zone einzurichten. Entgegen allen Unkenrufen, wurde diese innerhalb von drei Jahren eingerichtet und der Streit beigelegt.
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Johan Galtung
Galtung gründete 1959 das Internationale Friedensforschungsinstitut in Oslo. Er ist zudem Begründer von Transcend, einer Organisation, die sich der Konfliktlösung mit friedlichen Methoden verschrieben hat.
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Der Mediator: Unparteiischer Dritter
Ein Mediator hört zunächst alle Seiten, versucht die jeweiligen Interessen nachzuvollziehen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Denn einen Konsens oder wie Galtung es nennt - das Übergreifende - finden die Konfliktparteien nicht, wenn sie streiten.
Wichtigstes Handwerkzeug: Optimismus
Mit Hilfe eines Mediators werden Vereinbarungen erarbeitet, mit denen alle Seiten einverstanden sein können. Er trifft im Regelfall keine Entscheidungen, er vermittelt sein wichtigstes Handwerkszeug: Optimismus.
Der runde Tisch - ein "Diplomatenfehler"?
Der Mediator kennt die Interessen aller Parteien, bringt aber nicht sofort alle zusammen. Nicht zu früh an den runden Tisch laden, sagt Friedensforscher Galtung.
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"Wenn sie miteinander reden, ist es so unehrlich, so verdreht und so propagandistisch. Am schlimmsten, wenn man den üblichen Diplomatenfehler macht: man findet einen Tisch und lädt zu Verhandlungen ein. Dann haben die Parteien ein Auditorium", meint Galtung.
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Der Experte geht deshalb als Vermittler so vor, dass er vorerst mit jeder Partei einzeln spricht.
Gespür für den richtigen Zeitpunkt
Nicht nur im Grenzstreit zwischen Staaten, sondern auch bei zerkrachten Geschäftspartnern muss der Mediator spüren, wann er die Parteien an einen Tisch bringen kann.

Friedrich Glasl ist Dozent für Organisationslehre und Konfliktforschung an der Universität Salzburg sowie Berater für Unternehmensentwicklung. Er hat z.B. im Nord-Irland-Konflikt vermittelt.
"Geschützte Annäherung" ohne direkten Kontakt
Um die Konfliktparteien räumlich zueinander zu bringen, bedarf es Geduld, meint auch er. Glasl spricht von geschützten Annäherungen - zwar im selben Raum, aber ohne direkten Kontakt, damit die Konfliktparteien die Möglichkeit haben, wegzuschauen.
Dialog und Konsens statt Abstimmung und Mehrheit
In einer Demokratie sei Dialog und Konsens wichtiger als Abstimmung und Mehrheit, erklärt der Friedensforscher Galtung.
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"Mediation und Demokratie"
"Mediation und Demokratie" lautete der Titel einer internationalen Tagung, die am Samstag in Wien zuende gegangen ist. Veranstalter war die "ARGE Sozialpädagogik" in Wien.
->   Informationsseite zur Tagung
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Mediation als Vorbild für Demokratie
Ähnlich auch die Mediatorin Benedikta von Deym-Soden: Demokratie, wie sie gelebt wird, könne von Mediation lernen, meint sie.

In einer Demokratie gebe es normalerweise Mehrheitsentscheidungen oder die Verantwortung, Dinge umzusetzen, werde an den Staat abgegeben.
Stärkere Betonung der Eigenverantwortung
Die Mediation sei dagegen dynamischer, sagt von Deym-Soden, es werde die Eigenverantwortung stärker betont.
->   Deym-Soden Consulting
Konflikte: Step by Step bis zum Letzten
Konflikt ist allerdings nicht gleich Konflikt und doch laufen sie meistens nach demselben Muster ab.

Friedrich Glasl etwa teilt die Eskalation in neun Stufen ein - von der verhärteten Stimmung über die Suche nach Verbündeten, Drohgebärden, Verletzungen bis hin zur Selbstvernichtung.
Symbolische Versöhnung ist wichtig
Um die Lage zu entspannen, müssen die Parteien zu symbolischen Versöhnungen bereit sein: das kann ein gemeinsames Essen sein, genauso wie die "Friedenspfeife", so Glasl.
Prinzip Hoffnung gegen alle Hoffnung
Die Hoffnung, dass es zur Versöhnung kommt, haben die Konfliktparteien häufig aufgegeben. Der Schweizer Philosoph Josef Duss von Werdt meint jedoch, Mediatoren hätten Hoffnung gegen alle Hoffnung.

Optimismus scheint tatsächlich das wichtigste Handwerkszeug des Mediators zu sein. Zu Gute kommt ihm die Distanz: er sei vom Pessimismus der Parteien noch nicht angesteckt, meint der Salzburger Friedrich Glasl. So haben alle die Chance, zu gewinnen.


Ein Beitrag von Barbara Daser für die Ö1-Dimensionen
 
 
 
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01.01.2010