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Konrad Lorenz: "Ein Mitläufer, kein Vordenker"  
  In einer Stellungnahme zu dem heute erschienenen Buch "Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus" wendet sich Kurt Kotrschal, Direktor der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle, gegen eine Gleichsetzung von Lorenz' wissenschaftlichem Werk und seiner "pseudowissenschaftlichen Überzeugung". Lorenz, so Kotrschal, sei ein Mitläufer gewesen, aber kein Vordenker der Nazi-Ideologie.  
Der Nationalsozialist Konrad Lorenz und sein wissenschaftliches Werk
Ein Beitrag von Kurt Kotrschal

Aus der Sicht der modernen Verhaltensbiologie sind die pseudowissenschaftlichen Überzeugungen von Konrad Lorenz von seinem bleibenden wissenschaftlichen Werk zu unterscheiden.

Wir distanzieren uns scharf von den Bemühungen des Begründers der Ethologie, sich dem Nazi-Regime als Ideologe der Euthanasie anzudienern, wehren uns allerdings gegen die absurde Behauptung, die Ethologie hätte damit ihre Wurzeln in der nationalsozialistischen Ideologie.
Wissenschaftliche Verdienste liegen anderswo
Denn die eigentlichen wissenschaftlichen Meriten von Konrad Lorenz liegen anderswo und die meisten Gründerväter der Ethologie wie Karl von Frisch, Niko Tinbergen, etc. waren erklärte Gegner der Nazi-Ideologie.

Das Buch von Benedikt Föger und Klaus Taschwer leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des österreichischen Nationalsozialismus.
(Pseudo)wissensenschaftliche Stütze der Nazi-Ideologie
Konrad Lorenz war zumindest anfangs begeistertes und überzeugtes Mitglied der NSDAP. Dies ist insofern bedeutend, als die Biologie zu den wichtigsten (pseudo)wissenschaftlichen Stützen der Nazi-Ideologie zählte.

Föger und Taschwer zeichnen ein schlüssiges Szenario, wie es dazu kam, dass sich der Humanist und Moralist Lorenz so verirren konnte.
Lorenz: Mitläufer, kein Vordenker
Sein geringer Stellenwert bei den Machthabern und die zeitliche Plazierung seiner Schriften lassen ihn aber dennoch eher als Mitläufer, denn als "Vordenker des NS-Regimes" (O. Lehmann im Universum Magazin vom Okt. 2001) erscheinen.

Der Anschluss brach die geistige Enge des Ständestaates auf und Lorenz fand in den Nazis Gleichgesinnte bezüglich "Erbgesundheit" und "ethisch Minderwertige". Denn er hegte ein lebenslanges Vorurteil, dass der "ethisch-moralische Verfall" der Gesellschaft eine Folge der "Selbstdomestikation" des Zivilisationsmenschen (sowie der "Hybridisierung zwischen den Rassen") sei.

Diese Überzeugung ist auch gegen den Hintergrund der 1930er Jahre eindeutig als unwissenschaftlich zu bewerten.
Schützenhilfe für NS-Ideologie war nie wissenschaftlich
Es ist eine der wenigen Schwächen des Föger/Taschwer-Buches, dies nicht klar herauszustreichen und zu erkennen, dass die Lorenz'sche Schützenhilfe für die NS-Ideologie und die Vernichtung "lebensunwerten Lebens" eben nie wissenschaftlich war.

Hier setzte ein anerkannter Wissenschaftler seine Überzeugungskraft ein, um einen Glaubenssatz zu predigen.

Die wissenschaftlichen Verdienste von Konrad Lorenz lagen (und liegen) allerdings anderswo. Gemeinsam mit Niko Tinbergen formulierte er den Rahmen zur Erforschung des Verhaltens und der Evolution der Tiere einschließlich des Menschen.
Lorenz' Konzepte als Grundlage der Verhaltensbiologie
Seine Konzepte zur stammesgeschichtlichen Entstehung von Körperbau und Verhalten sind geistiges Allgemeingut geworden und bilden letztlich immer noch die Grundlage der Verhaltensbiologie.

Kurt Kotrschal, Assoc.Prof. Univ. Vienna, Direktor der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle
->   Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau
Konrad Lorenz: "Ich war immer Nationalsozialist"
Die beiden österreichische Wissenschaftsjournalisten Benedikt Föger und Klaus Taschwer belegen in ihrem Buch, wie sehr Konrad Lorenz dem Gedankengut des NS-Regime verbunden war. Neue Dokumente zeigen den Nobelpreisträger als willfährigen Wissenschaftler.
->   Mehr dazu in science.orf.at
Mehr zu diesem Thema in science.orf.at:
->   Kurt Kotrschal: Konrad Lorenz - Ein Bild ohne Illusionen
->   Neue Diskussion um Konrad Lorenz
 
 
 
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01.01.2010