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Werner Heisenberg zum hundertsten Geburtstag  
  Er gilt als Pionier der modernen Physik, forschte und diskutierte mit den Größten seiner Zeit: Einstein, Pauli, Schrödinger und Planck. Für seine grundlegenden Arbeiten zur Quantenmechanik erhielt Werner Heisenberg 1933 den Nobelpreis für Physik. Doch auch seine Rolle als Wissenschaftler im nationalsozialistischen Deutschland sowie sein Anteil an der Entwicklung der Atombombe sind nicht ganz unumstritten. Am 5. Dezember wäre der in Würzburg geborene Wissenschaftler 100 Jahre alt geworden.  
Heisenberg gehörte zu den Pionieren der Quantenphysik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Max Plancks Idee kleinster, unteilbarer Energiepakete, der Quanten, geboren wurde.

Er konnte mit seiner so genannten Matrizenmechanik scheinbar unauflösliche Widersprüche der noch jungen Theorie beseitigen und trug auch wesentlich zur philosophischen Interpretation des neuen physikalischen Weltbildes bei.

Seine Forschungen schafften theoretische Grundlagen für Computerchips, Transistoren, Laser und die moderne Telekommunikation.
Die Unschärferelation
Mit der nach ihm benannten Unbestimmheits- oder Unschärferelation führte Heisenberg etwas für viele Fachkollegen Ungewohntes in die Physik ein: das nicht Vorhersagbare. Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass sich bestimmte Eigenschaften eines Teilchens - wie etwa Ort und Geschwindigkeit - grundsätzlich nicht gleichzeitig exakt bestimmen lassen.

Der Grund hierfür, und auch dieser Ansatz war völlig neu, liegt nach Heisenberg auch daran, dass schon der Experimentator selbst die winzigen Elementarteilchen, die er untersucht, mit seiner eigenen Messung mitbeeinflusst.

Diese Unbestimmtheit ist zwar nur klein, die Idee der
vollkommenen Berechenbarkeit aller Einzelheiten der Natur war damit aber vom Tisch. Diese Vorstellung widerstrebte anfangs vielen Physikern. Albert Einstein beispielsweise akzeptierte die prinzipielle Unberechenbarkeit jener Phänomene erst spät.
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Die Unschärferelation
Eine von Heisenberg aus der Quantentheorie abgeleitete Beziehung, die zwischen der Unschärfe einer Orts- und einer Impulsmessung für ein Teilchen (z. B. Elektron) besteht: Ist der Ort eines Teilchens bis auf die Größe Dx genau gemessen und gleichzeitig sein Impuls bis auf Dp genau, dann ist das Produkt dieser beiden Größen größer oder gleich dem Planck'schen Wirkungsquantum h, d. h. Dx f Dp w h. Die Unschärferelation besagt, dass Ort und Impuls eines Teilchens niemals gleichzeitig beliebig genau gemessen werden können; es gilt vielmehr: Je genauer der Ort festgelegt ist, um so ungenauer wird der Impuls bestimmt und umgekehrt.
->   Mehr zu Heisenbergs Unschärferelation
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Verlorene Kausalität
Mithilfe dieser Vorstellungen war es möglich, alle beobachteten Gesetzmäßigkeiten im mikroskopischen Bereich zu erklären und auch den Ausgang von geplanten Experimenten vorauszusagen. Ein für die Wissenschaft wichtiges Prinzip ging aber verloren: die Kausalität: Sie besagt, dass eine Ursache immer eine ganz bestimmte Wirkung hat.

Durch Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation wurde das Wissen von Ort und Impuls eines Teilchens beschränkt und damit auch die Voraussage der Wirkung im mikroskopischen Bereich beeinträchtigt.

Wendete man die neuen Gesetze aber auf große Stoffmengen an, wie sie in der makroskopischen Physik üblich waren, zeigte es sich, dass die entsprechende Unschärfe so klein wurde, dass sie praktisch vernachlässigt werden konnte.
Ehrgeizige Jugendprojekte
Bild: AIP Niels Bohr Library
Werner Heisenberg
Werner Heisenberg, Sohn eines Würzburger Universitätsprofessors für Mittel- und Neugriechische Philologie und einer Rektorentochter, war schon als Schuljunge ehrgeizig. So stand in seinem Zeugnis der Klasse 1a des Münchner Maximilian-Gymnasiums: "Der Schüler ist auch ordentlich selbstbewusst und möchte immer glänzen."

Dazu hatte Heisenberg in seinem weiteren Leben mehrfach Gelegenheit. Nachdem er sein Abitur mit Auszeichnung bestanden hatte, machte er sich als Student der theoretischen Physik schon im 5. Semester in der Fachwelt einen Namen.

Heisenberg habilitierte an der Uni in Göttingen, wurde Stipendiat am Institut für theoretische Physik bei Niels Bohr in Kopenhagen und später Ordinarius für theoretische Physik an der Universität Leipzig. Für sein neues theoretisches Gerüst der Quantenmechanik erhielt der erst 32-Jährige 1933 - rückwirkend für 1932 - den Nobelpreis.
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Fundamentale Aufsätze
Das Atommodell von Bohr und Sommerfeld hatte sich Anfang der Zwanziger Jahre als unzureichend erwiesen, komplexere Vorgänge der Teilchenphysik zu erklären. Heisenbergs Denken kreiste um den "Übergang von der nur symbolisch brauchbaren und daher nur qualitativ richtigen Modellmechanik zur wirklichen Quantenmechanik". Aus einem Urlaub heimgekehrt, verfasste er die Arbeit "Über quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen". Ein zentraler Gedanke dieses Aufsatzes ist Heisenbergs Prinzip, nach dem die Beschreibung physikalischer Phänomene nur durch "prinzipiell beobachtbare" Größen geschehen dürfe.

Der nächste Meilenstein in der Teilchenphysik war sein Aufsatz "Multiplikationsregeln für quadratische Schemata". Für Physiker in aller Welt bedeuteten die Heisenbergschen Erkenntnisse die Chance, die noch stark der klassischen Physik verhafteten Regeln Plancks, Bohrs und Sommerfelds über Bord zu werfen.

Eine dritte Arbeit Heisenbergs, die Unschärferelation (siehe oben) revolutionierte schließlich die frühen Vorstellungen der Quantenmechanik vollständig und machte den Weg für völlig neue Denkweisen nicht nur in der Physik frei.
->   Mehr zur Quantentheorie
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Der lehrende Werner Heisenberg
"Ein weißer Jude"
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 wurde der inzwischen verheiratete Familienvater zum Heereswaffenamt nach Berlin einberufen und arbeitete an führender wissenschaftlicher Stelle im so genannten "Uranverein", dem Atomprojekt des Dritten Reichs.

Heisenbergs zentrale Rolle in diesem Projekt wird bis heute diskutiert, obwohl er nie mit dem Nazi-Regime sympathisierte und sich zeitweilig sogar Anfeindungen als "weißer Jude in der Wissenschaft" ausgesetzt sah, denn er hatte es "gewagt" die Theorien des Juden Einstein als "interessant" zu bewerten.
Bewusstsein über Einsatzpotenzial der Kernspaltung
Werner Heisenberg war sich wie alle anderen Kollegen im Klaren darüber, dass die 1938 erstmals gelungene Kernspaltung das Potenzial zu einer furchtbaren Waffe bereitgestellt hatte.

Jedoch war das deutsche Militär mit konventioneller Bewaffnung zunächst so erfolgreich, dass das Bedürfnis nach einer neuartigen Waffe gering blieb.

Als sich das Kriegsglück wendete, war das im Mehrfrontenkrieg aufgeriebene deutsche Militär nicht mehr in der Lage, die gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen, die der Bau von Nuklearwaffen erforderte, aufzubringen.
Arbeit unter Bomben
Zwar war es gelungen, einen provisorischen Reaktor zu bauen, dieser fiel jedoch einem Bombenangriff im Jahr 1943 auf das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut zum Opfer. Das Institut wurde daraufhin ins württembergische Hechingen ausgelagert.

Durch die dortigen stark improvisierten Bedingungen und die ständigen Schwierigkeiten mit dem Materialnachschub konnte keine ausreichende Kettenreaktion ausgelöst werden. Erst nach dem Krieg erfuhren die deutschen Physiker, dass bereits 1942 dem aus Italien emigrierten Enrico Fermi in Chicago die erste kontrollierte Kettenreaktion im experimentellen Maßstab gelungen war.

Heisenberg nutzte daher die Arbeit im Uranverein auch, um die Grundlagenforschung voran zu treiben. Später
gehörte er zu den 18 deutschen Physikern, die 1957 das Göttinger Manifest gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr unterzeichneten.
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Atombomben-Einsatz: Heisenberg zur Schuldfrage im O-Ton
Werner Heisenberg zur Schuldfrage nach dem Abwurf der Atombomben in Japan: "Ich glaube nicht, dass es Sinn hat, hier das Wort Schuld zu verwenden, selbst wenn wir in irgendeiner Weise in diesen ganzen Kausalzusammenhang verwoben sind. Wir alle haben an der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft teilgenommen. Diese Entwicklung ist ein Lebensprozess, zu dem sich die Menschheit, oder wenigstens die europäische Menschheit, schon vor Jahrhunderten entschlossen hat [...]. Wir wissen aus Erfahrung, dass dieser Prozess zum Guten und zum Schlechten führen kann. Aber wir waren überzeugt [...], dass mit wachsender Kenntnis das Gute überwiegen werde und dass man die möglichen schlechten Folgen in der Gewalt behalten könne. An die Möglichkeit von Atombomben hat vor der Hahnschen Entdeckung weder Hahn noch irgendein anderer von uns ernstlich denken können, da die damalige Physik keinen Weg dahin sichtbar machte. An diesem Lebensprozess der Entwicklung der Wissenschaft teilzunehmen, kann nicht als Schuld angesehen werden."
->   Werner Heisenberg - Leben und Werk
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Mitbegründer von CERN
Nach Kriegsende wurde Heisenberg zusammen mit neun anderen Atomforschern - unter anderem mit Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsäcker - in England interniert.

Nach seiner Freilassung 1946 wurde er Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen und 1952 Mitbegründer des europäischen Zentrums für die Elementarteilchenforschung (CERN) in Genf.

Von 1958 bis 1970 war Heisenberg Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik in München. Er starb am 1. Februar 1976 in seinem Haus in München.
Eine Weltformel?
Heisenberg beschäftigte sich in seinen beiden letzten Lebensjahrzehnten mit der zentralen Frage, die viele Physiker noch heute beschäftigt: eine einheitliche, alle materiellen Phänomene von den Quanten und Elementarteilchen bis zur Supernova von Sternen, erklärende Theorie, die so genannte "Einheitliche Feldtheorie".

Bereits Einstein unternahm den Versuch, aus seiner allgemeinen Relativitätstheorie, die zunächst nur eine Feldtheorie des Gravitationsfeldes liefert, auch eine elektromagnetische Feldtheorie zu entwickeln.

Diese Bemühungen um eine "Weltformel" führten trotz Weiterentwicklung durch Heisenberg zu keinem endgültigen Ergebnis - bis heute nicht.
->   Informationen des Münchner Max-Planck-Instituts für Physik zum Heisenberg-Jubiläum
->   Eine Bibliographie von Heisenbergs Werk, von den 1920ern bis heute
->   Wolfgang Paulis Reaktion auf die Präsentation von Heisenbergs Einheitlicher Feldtheorie
->   Aus der Geschichte eines der ältesten physikalischen Institute Deutschlands
->   Die Neue Zürcher Zeitung über Heisenbergs Geburtstag
 
 
 
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01.01.2010