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Gen-Mutation macht aus Menschen "Milchtrinker"  
  Wenn Milch oder Milchprodukte zu schweren Verdauungsstörungen führen, so leiden Betroffene vermutlich unter der so genannten Laktose-Intoleranz. Verantwortlich dafür ist das Fehlen einer ganz bestimmten genetischen Information. Ein finnisch-amerikanisches Forscherteam hat nun die Erbgut-Mutation entdeckt, die aus Menschen "Milchtrinker" macht und deren Fehlen bei anderen zu schweren Beschwerden führen kann.  
Die Forscher unter der Leitung von Leena Peltonen von der University of California in Los Angeles (UCLA) berichten in der aktuellen Ausgabe von "Nature Genetics" über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen.
->   Nature Genetics (kostenpflichtig)
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Laktose-Intoleranz
Laktose-Unverträglichkeit ist nicht zu verwechseln mit einer Lebensmittelallergie. Laktose ist die chemische Bezeichnung für Milchzucker. Menschen mit einer Laktose-Intoleranz können diesen Milchzucker, der sich in Milch und milchhaltigen Produkten findet, nicht vollständig verdauen.

Normalerweise wird Laktose im Dünndarm in die Einzelbestandteile Glucose und Galaktose zersetzt. Das für diese Aufspaltung verantwortliche Enzym Laktase ist bei Betroffenen aber entweder gar nicht oder nur mangelhaft vorhanden. Je nachdem erreicht also eine vermehrte Menge an Milchzucker den Dickdarm. Die dort lebenden Bakterien "verdauen" zwar nun den Milchzucker, als Abbauprodukt entstehen allerdings große Mengen an Gasen und organischen Säuren. Für Betroffene heißt das: Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Übelkeit.
->   Mehr Informationen zu Laktose-Intoleranz
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Eine sehr alte Gen-Variante ...
Das Forscherteam hatte die DNA verschiedenster ethnischer Gruppen untersucht: Das Ergebnis: Eine simple genetische Mutation führt dazu, dass der Mensch auch nach der Säuglingsphase noch Milch und Milchprodukte verträgt. Liegt eine andere Variante des Gens vor, so äußert sich das in der Laktose-Intoleranz.

Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die zweite gefundene Gen-Variante bei allen untersuchten Personen mit Milchzucker-Unverträglichkeit dieselbe war. Ein Hinweis darauf, dass diese sehr alt sei, wie Peltonen erklärt.
... als ursprüngliche Form des Gens?
"Wir glauben, dass diese Variante, die wir bei allen Patienten identifizierten, die ursprüngliche Form des Gens darstellt", erklärt die Genetikerin weiter. Diese Form sei dann im Laufe der Evolution - als die frühen Menschen anfingen, Milch und Milchprodukte zu verwenden - mutiert, meint Peltonen.

Laktose-Intoleranz wäre demzufolge also keine Krankheit, sondern würde der ursprünglichen Disposition des Menschen entsprechen. Die Genetikerin glaubt, dass die Mutation, die das Verdauen von Milchzucker ermöglicht, vor rund zehn- bis zwölftausend Jahren entstanden ist und danach weitervererbt wurde.
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Warum Babys Milch vertragen
Laktose ist natürlich auch in der Muttermilch enthalten. Doch Babys werden normalerweise alle mit der Fähigkeit zur Milchzucker-Verdauung geboren. Nach der Entwöhnung geht diese Fähigkeit allerdings verloren, ein Vorgang, der bei allen Säugetieren zu beobachten ist. In der Regel setzt dieser Vorgang beim Menschen ab dem fünften Lebensjahr ein. Laktasemangel kann jedoch auch angeboren sein und führt bei den betroffenen Säuglingen zu Blähungen und Durchfall.
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Verschiedenste ethnische Gruppen untersucht
Das Forscherteam untersuchte zunächst fünf finnische Familien, insgesamt 196 Menschen, die alle unter Laktose-Intoleranz litten. Auf diese Weise gelang es ihnen, diejenige Gen-Variante zu bestimmen, die zur Laktose-Unverträglichkeit führt.

Danach wurden Blutproben von neun Italienern, neun Deutschen und 22 Koreanern untersucht. Bei allen vierzig Personen war eine Milchzucker-Unverträglichkeit diagnostiziert worden, und auch hier fand sich dieselbe Gen-Variante. Schließlich analysierten die Forscher noch das Erbgut von 109 US-Amerikanern und Franzosen mit den Ergebnissen - und wurden wieder fündig.

Der Vergleich mit weiteren Erbgutproben ergab, dass zwei Gen-Varianten existieren: Die mutierte Form sei dafür verantwortlich, dass manche Milchzucker verdauen können. Die Laktose-Intoleranz dagegen sei tatsächlich die alte Form des Gens, so die Genetikerin.
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Lebensmittel, die Laktose enthalten
Laktose kommt neben Milch auch in einer ganzen Reihe weiterer milchhaltiger Produkte vor: Butter, Joghurt, Topfen, Schlagobers und Käse enthalten ebenso Milchzucker wie etwa Schokolade, Eiscreme, Milchpulver, viele Backwaren und auch Medikamente. Erfahrungsgemäß lösen etwa fünf bis zehn Gramm Laktose bei Erwachsenen keine Beschwerden aus. Diese Menge ist in ein bis zwei Dezilitern Milch oder einem Becher Joghurt a 150 bis 250 Gramm enthalten.
->   Der durchschnittliche Laktose-Gehalt ausgewählter Lebensmittel
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Ein häufiges Übel
Tatsächlich weist die Mehrheit aller Menschen in mehr oder minder ausgeprägter Form eine solche Laktose-Unverträglichkeit auf. Allerdings sind davon die Nordeuropäer ausgenommen: In unseren Breiten leiden nur etwa fünf bis zehn Prozent unter einer Milchzucker-Intoleranz.

Anders dagegen der "Rest der Welt": Laut der Studie sind davon geschätzte 50 bis 70 Millionen Nordamerikaner betroffen und fast 100 Prozent aller Menschen im südöstlichen Asien.

Für die USA ergaben die Untersuchungen, dass vor allem Afro-Amerikaner unter Laktose-Unverträglichkeit leiden (79 Prozent), während das bei weißen US-Amerikanern sehr viel seltener zu finden ist (7,8 Prozent).
Schnelle Diagnose möglich
Für Betroffene könnte das vor allem eine Möglichkeit sein, sich schnell Sicherheit über die Ursache ihrer Beschwerden zu verschaffen. Denn wie Genetikerin Peltonen erklärt, befürchten viele zunächst, dass sie unter einer ernsteren Krankheit leiden, wenn sie die Symptome einer Milchzucker-Unverträglichkeit an sich feststellen.

Eine Behandlung ist allerdings im Augenblick noch nicht möglich: Betroffenen bleibt nur, auf Laktose-haltige Milch zu verzichten oder gleich auf Sojaprodukte und Reismilch auszuweichen.
->   UCLA
 
 
 
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01.01.2010