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Frauen in der Technik  
  Seit Jahren gibt es Bemühungen, Frauen für technische Berufe zu interessieren. Die Statistik beweist aber, dass die Programme zur Frauenförderung bisher zu kurz greifen. Bei den Studierenden an der TU Wien beträgt der Frauenanteil im Durchschnitt knapp 20 Prozent, in den klassischen Ingenieursfächern sind noch immer kaum Studentinnen zu finden. Dennoch müssten Frauen in diesen Disziplinen keine Exotinnen bleiben, meint die technische Chemikerin Brigitte Ratzer in ihrem Gastbeitrag für science.ORF.at.  
Frauen - m(M)acht - Technik
Von Brigitte Ratzer

Habitus ist jenes Rollenverhalten, das während des ganzen Lebens erlernt wird. Männlichkeit und Weiblichkeit sind kulturelle Muster, die als Habitus beschrieben werden können. Technische Kompetenz macht einen integralen Bestandteil männlicher Geschlechtsidentität aus.

Technikfelder können als Kultur verstanden werden, in der die Beziehungen von Männern untereinander ausgedrückt und verfestigt werden. Warum sollen Frauen technische Kompetenz erstrebenswert finden, solange sie Ausdruck männlicher Geschlechtsidentität ist?
Förderprogramme greifen nicht
Ein Grund, warum liberale feministische Programme zur Förderung von Frauen in der Technik wirkungslos geblieben sind ist, dass sich Frauen aktiv dagegen wehren, in technische Gebiete einzutreten und zwar deshalb, weil dies Implikationen für ihre weibliche Geschlechtsidentität hat.

In der Ablehnung von Naturwissenschaft und Technik erzeugen Frauen ihre Feminität. Der Widerwille hängt mit der Definition von Technik als Männersache zusammen. Frauen, die in diese Welt eintreten, müssen sich in ihrer Weiblichkeit als bedroht ansehen.
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Studentinnen an der TU-Wien
Der Frauenanteil an der TU-Wien beträgt zur Zeit im Durchschnitt 19,9 Prozent. In den klassischen Ingenieursfächern fällt dieser Anteil dramatisch: Elektrotechnik: 5,19 Prozent; Maschinenbau: 7,08 Prozent, Wirtschaftsingenieur Maschinenbau: 6,3 Prozent.
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Exotin - und das den ganzen Tag
Für die wenigen Frauen, die eine technische Ausbildung machen oder einen technischen Beruf ausüben, heißt das in der Praxis: Es fehlt die Selbstverständlichkeit, einfach da zu sein und dieses Fach gewählt zu haben.

In den Männerdomänen haben sich keine Verhaltensroutinen gegenüber kompetenten Fachfrauen entwickelt, auch für Frauen selbst nicht. Die Unsicherheit ist somit auf beiden Seiten.
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Wie eine Reise in ein fremdes Land
Vielleicht hilft ein Vergleich, um zu ermessen, was permanente Aufmerksamkeit bedeutet. Jede/r der/die schon einmal eine Fernreise in ein "exotisches" Land unternommen hat, kennt den Stress, den die permanente Aufmerksamkeit der dortigen Bevölkerung früher oder später erzeugt. Ständig von Kindern, Händlern u.ä. umringt zu sein, nervt ganz einfach. Nun, so können wir uns auch die Situation von Frauen in den klassischen Ingenieursfächern vorstellen. Eine gehörige Portion Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und auch Durchsetzungsvermögen und ein besonders starkes fachliches Interesse können als ungeschriebene Voraussetzungen gelten.
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Warum trotzdem?
Gerade von Frauen ist immer wieder zu hören: Wenn Technik schon ein solches männliches Projekt ist, warum dann die Mühe machen, und mitmischen? Warum nicht lieber draußen bleiben, anstatt sich den drohenden Anfeindungen und Diskriminierungen auszusetzen?

Diese Frage ist - zumindest für mich - leicht und einwandfrei zu beantworten. Es geht nicht bloß um Gerätekram und Prestigeberufe, es geht um mehr. Es geht um Mitbestimmung bei der Gestaltung unserer Umwelt und - nicht gar so offensichtlich - es geht um Macht.
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Frauennetzwerke machen Mut
An dem im Mai 2001 an der TU Wien durchgeführten 27. Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik nahmen 400 Frauen aus ganz Europa teil. Der Kongress findet jährlich statt, das nächste Mal vom 9.-12. Mai 2002 in Kassel.

Daneben existieren Mailinglisten, Zeitungen und Internetplattformen, die den Austausch ermöglichen. So ist in den letzten Jahren ein Netzwerk entstanden, in dem Jobangebote genauso kursieren wie inhaltliche Auseinandersetzungen und gegenseitige Ermutigungen.
->   28. Kongress Frauen in Naturwissenschaft und Technik
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Machen Frauen "bessere" Technik?
In die Konstruktion von Technik fließen die sozialen Vorstellungen von KonstrukteurInnen und AuftraggeberInnen mit ein. Ein schönes Beispiel ist die Konstruktion eines Autos. Eine große Versicherungsfirma hat vor nicht allzu langer Zeit in Wien Plakate mit zwei unterschiedlichen Sujets plakatieren.

Da war einmal ein Mann zu sehen, darunter der Text: "Ein Auto ist für mich ein Stück Freiheit." Das zweite Plakat zeigte eine Frau, der Text lautete: "Ein Auto ist für mich Mittel zum Zweck."

Es ist sicherlich leicht einsehbar, dass ein Stück Freiheit anders aussehen wird als ein Mittel zum Zweck. Es geht hierbei nicht um bessere Technik - wer wollte das beurteilen?, es geht um andere Fragestellungen.
Technik und Macht
Techniken legen Muster für soziale Ordnung fest, die oft Generationen überdauern. Die anstehenden Probleme, die Menschen in der Gesellschaft trennen oder vereinen sind nicht nur in Institutionen oder politischer Praxis festgeschrieben, sondern auch - und weniger offensichtlich - in greifbaren Anordnungen aus Stahl und Beton, Drähten und Transistoren, Schrauben und Muttern.

Ob absichtlich oder nicht, Gesellschaften suchen sich für ihre Technologien Strukturen aus, die Einfluss darauf haben, wie Leute zur Arbeit gehen, kommunizieren, reisen, konsumieren usw.
Viel ist noch zu tun
Während in einigen Bereichen - z.B. Städte- und Raumplanung - heute wenigstens über demokratische Mitgestaltung durch Betroffene diskutiert wird, sind gerade die klassischen Ingenieursbereiche Elektrotechnik und Maschinenbau von solchen Diskussionen weitgehend unberührt geblieben.

Im heiklen Bereich der Medizintechnik etwa hinken ethische aber auch medizinische Diskurse der technischen Entwicklung kräftig hinterher.
Frauen, macht Technik!
Wenn gesellschaftliche Gruppen mit unterschiedlichen Interessen nicht gleichwertigen Zugang zu den Ressourcen haben, werden sich auch weiterhin nur die Interessen bestimmter Lobbys in der Realität spiegeln.

Dies gilt nicht nur in Hinblick auf die Geschlechter, sondern auch auf soziale, ethnische und religiöse "Randgruppen", Jugendliche, ältere Menschen etc.

Die Lebensvorstellungen vieler, eben nicht-mächtiger Menschen, werden dabei immer weiter abgedrängt, sie leben quasi in einer entfremdeten Umgebung, die zunehmend weniger ihren Bedürfnissen und Vorstellungen entspricht. Es ist höchst an der Zeit, sich hier einzumischen.
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"University meets Public"
Dipl. Ingin. Brigitte Ratzer ist Univ. Ass. am Institut für Technik und Gesellschaft der TU-Wien und Mitherausgeberin der Zeitschrift "Koryphäe - Medium für feministische Naturwissenschaft und Technik".

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "University meets Public" hält Brigitte Ratzer mehrere Vorträge zum Thema "Frauen - (M)macht - Technik - Über Zusammenhänge zwischen Frauen, Macht und Technik", die nicht zuletzt zur "Ermutigung" beitragen sollen.

Hier sind die Termine:
Mo, 11.03.2002, 18.00-19.30 Uhr, Volkshochschule Landstraße
Mi, 13.03.2002, 19.00-20.30 Uhr, Volkshochschule Rudolfsheim-Fünfhaus
Mi, 20.03.2002, 18.30-20.00 Uhr, Rosa Mayreder College, 9., Türkenstr. 8/2/13
(Auskünfte und Anmeldung: Volkshochschule Ottakring)
->   Programm von "University meets Public"
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->   Homepage der "Koryphäe - Medium für feministische Naturwissenschaft und Technik"
->   "Der Wiener Kongress": 27. Kongress Frauen in Naturwissenschaft und Technik
->   Informationen zum Thema in frauenweb.at
 
 
 
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01.01.2010