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Spurensuche nach slawischen Wurzeln  
  Was haben die Namen Feistritz, Palt, Sierning, Währing und Zwettl gemeinsam? Sie alle gehen auf slawische Wörter zurück und wurden dann in die deutsche Sprache übernommen. Die Spurensuche nach diesen slawischen Wurzeln beschreibt Angela Bergermayer von der Balkan-Kommission der ÖAW in der Reihe "Young Science".  
Slawische Wurzeln geographischer Namen in Österreich
Von Angela Bergermayer, ÖAW

Die slawische Besiedlung in einem Teil des heutigen Österreichs im Mittelalter hat nicht nur archäologische, sondern auch sprachliche Spuren hinterlassen.

Das Slawische, das im Osten Österreichs ungefähr bis zur Linie Linz - Lienz als Westgrenze gesprochen wurde, starb bis auf einen letzten Rest im Süden Kärntens noch im Mittelalter aus (die burgenländischen Kroaten sind erst später aus Kroatien eingewandert).

Indirekt und mehr oder weniger versteckt ist uns diese Sprache aber trotzdem noch zugänglich, und zwar vor allem durch urkundlich belegte sowie heute noch gebrauchte eingedeutschte Orts-, Gewässer-, Berg- und Personennamen.

Daher gilt es in erster Linie, den sprachlichen Ursprung und die Entwicklung unserer geographischen Namen "aufzudecken" und daraus Schlüsse über das mittelalterliche Slawische zu ziehen.
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"Young Science"
Young Science ist eine Aktion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit "science.ORF.at": Junge österreichische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellen Ihre Forschungen in Originalbeiträgen vor.
->   "Young Science" auf der Homepage der ÖAW
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Welches "Slawisch" wurde damals in Österreich gesprochen?
Das älteste Slawisch, das um 600 n. Chr. nach der großen Expansion des Slawentums gesprochen wurde, war das Urslawische, und dieses Urslawisch ist anders als herkömmlich zu rekonstruieren (siehe HOLZER, 1995 unter den Literaturhinweisen); es war also bei allen Slawen - in Österreich und außerhalb Österreichs - dieselbe slawische Sprache, aus der sich später die einzelnen slawischen Sprachen entwickelten.

Die daraus hervorgegangenen mittelalterlichen slawischen Dialekte in Österreich stellten Übergangsdialekte zwischen ihren jeweiligen slawischen Nachbardialekten dar, es lässt sich keine scharfe Grenze zwischen Südslawisch (Slowenisch) und Nordslawisch (Tschechisch) ziehen (siehe HOLZER 1996).
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Forschungsprojekt
Mit diesem untergegangenen Slawisch beschäftigt sich ein seit 1. Jänner 2001 im Rahmen der Balkan-Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführtes Forschungsprojekt, das unter der Leitung von Georg Holzer (Institut für Slawistik der Universität Wien; wissenschaftliche Mitarbeiterin: Angela Bergermayer) steht.

Der Titel dieses vom FWF finanzierten Projekts lautet: "Die Sprache des mittelalterlichen Slawentums in Österreich". Dabei wird ein Glossar der mittelalterlichen slawischen Wörter erstellt, die sich im namenkundlichen Material Österreichs belegen lassen; im Anschluss an jeden Eintrag werden auch die urkundlichen Nennungen des eingedeutschten slawischen Wortes sowie der heutige Name der betreffenden Örtlichkeit und deren Lokalisierung angeführt.
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Erforschung und Bearbeitung
Auf dieser Grundlage wird dann das damalige Slawische hinsichtlich seiner Lautung, Wortbildung und Namenbildung erforscht und im Sinne der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft, der Etymologie und der Namenkunde bearbeitet. Endergebnis des Projekts soll ein vom Projektleiter zu verfassendes Handbuch sein.
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Themen des geplanten Handbuches
- Slawische Besiedlung und Anwesenheit in Österreich sowie slawisch-deutscher Sprachkontakt;
- Verhältnis der Slawen zu den Avaren, Germanisierung, Slawenmission;
- zeitlich geordnete Zusammenstellung von Aussagen über Slawen in Österreich in Chroniken, Annalen und Urkunden;
- Geographie und Geschichte des österreichischen Slawischen im Rahmen der historisch-vergleichenden slawischen Sprachwissenschaft und der gemeinslawischen historischen Dialektologie;
- Regeln der Entlehnung slawischen Namengutes in Österreich mit lautgeschichtlichen Anhaltspunkten zur Chronologie dieser Entlehnungen und umfangreichem namenkundlichen Beispielmaterial;
- Frage der dialektologischen Einordnung der "Freisinger Denkmäler" und der "Kiever Blätter" und ihrer Beziehung zum Slawischen Österreichs.
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Ertrag auch für andere Forschungen
Damit soll dieses Buch die erste einheitliche und umfassende Darstellung des mittelalterlichen Slawischen in Österreich und seiner Geschichte sein, wovon auch die Forschungen auf den Gebieten der allgemeinen Geschichte, der Siedlungs- und Sozialgeschichte Österreichs, der Namenforschung und der historisch-vergleichenden slawischen Sprachwissenschaft profitieren können.
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"Young Science"
Angela Bergermayer, die Autorin dieses Gastbeitrages ist in der Balkan-Kommission der ÖAW tätig.
E-Mail: Angela.Bergermayer@oeaw.ac.at
->   ÖAW
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Einige Literaturhinweise
ALTDEUTSCHES NAMENBUCH. Die Überlieferung der Ortsnamen in Österreich und Südtirol von den Anfängen bis 1200. Herausgegeben von der Kommission für Mundartkunde und Namenforschung. Bearbeitet von Isolde Hausner und Elisabeth Schuster, Wien 1989﷓

HOLZER, Georg: Die Einheitlichkeit des Slavischen um 600 n. Chr. und ihr Zerfall, Wiener Slavistisches Jahrbuch 41 (1995), 55-89

HOLZER, Georg: Zu Lautgeschichte und Dialekten des mittelalterlichen Slavischen in Österreich, Wiener Slavistisches Jahrbuch 42 (1996), 81-110

HOLZER, Georg: Die Slaven im Erlaftal. Eine Namenlandschaft in Niederösterreich, in: Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde, hrsg. von A. Eggendorfer und W. Rosner, St. Pölten 2001 (im Druck) [im Zusammenhang mit dem Projekt entstanden]

KRANZMAYER, Eberhard: Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes, Wien 1956
->   "Young Science" - Rainer Kurmayer: Blaualgen und Wasserqualität
->   science.ORF.at präsentiert "Young Science"
 
 
 
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01.01.2010