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"Geklonte" Quanten erschüttern Quantenkryptografie  
  Englischen Physikern ist es gelungen, Photonen mit einer Genauigkeit nahe dem theoretischen Limit zu kopieren. Damit könnte die so genannte Quantenkryptografie ins Wanken geraten - und all jene enttäuscht werden, die sich von ihr völlig sichere Verschlüsselungsmethoden erhofften.  
Wie ein Forscherteam um die Physikerin Antia Lamas-Linares von der Universität Oxford in einer Online-Publikation des Wissenschaftsmagazins "Science" berichtet, können Photonen zwar nicht perfekt, aber immerhin näherungsweise kopiert werden.

Ob dieses Ergebnisses könnte so mancher Geheimdienst unruhig werden - denn bisherige Verschlüsselungsmethoden basierten auf der Annahme, dass Quantenzustände prinzipiell nicht dupliziert werden können.
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Die Arbeit " Experimental Quantum Cloning of Single Photons" erschien als Online-Publikation der Wissenschafts-Zeitschrift "Science" und wird in einer der zukünftigen Printausgaben des Magazins veröffentlicht.
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Das "No Cloning"-Theorem
"Perfekte Kopien eines unbekannten Quantensystems können nicht hergestellt werden" - das ist die Grundaussage des so genannten "No Cloning"-Theorems der Quantenmechanik. Dieses stellt den wichtigsten Unterschied zwischen dem klassischen Informationsbegriff und jenem von Quantensystemen dar.

Die Unmöglichkeit, Quanteninformation zu kopieren, ist auch das Herzstück der so genannten Quantenkryptografie, einer Verschlüsselungstechnik, die sich die Gesetze des Mikrokosmos zu Nutze macht.
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Quantenkryptografie
Die Quantenkryptografie oder "quantum key distribution" ist ein Verfahren zur Übertragung geheimer Nachrichten, dessen Sicherheit auf den Gesetzen der Quantentheorie basiert.
Um an geheime Informationen, die in Quantenzuständen gespeichert sind, zu gelangen, müsste ein Spion Kopien derselben herstellen. Genau das wird aber durch die Gesetze der Quantenmechanik verhindert. Denn in dem Moment, in dem der Spion versucht, den Quantenzustand eines Photons zu messen, zerstört er ihn gleichzeitig. Damit kann kein Abhörversuch unentdeckt bleiben.
->   Mehr zur Quantenkryptografie
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Wie genau kann kopiert werden?
Ausgehend von der Feststellung, dass perfektes Quanten-Klonen unmöglich sei, liegt es nahe zu fragen, wie weit die Grenze der Kopiergenauigkeit verschoben werden kann. Genau dieser Frage ging das Team um Antia Lamas-Linares nun nach.

Die Oxforder Physiker stellten zunächst ein Paar verschränkter Photonen her, die laut der Quantentheorie in nichtlokaler Weise miteinander verbunden sind. Eines der beiden Photonen schickten die Physiker in einen Kristall, wo es die Abstrahlung eines dritten Photons bewirkte.
Über 80 Prozent
Nun verglichen die Forscher die Zustände des dritten Photons mit dem übriggebliebenen Teilchen des verschränkten Paares.

Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass das neue Photon zu 81 Prozent eine Kopie des vorher eingestrahlten Teilchens ist. Das von der Theorie vorhergesagte theoretische Limit beträgt fünf Sechstel oder 83,3 Prozent.
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Nichtlokalität
Die Nichtlokalität ist eine quantenmechanische Eigenschaft verschränkter Zustände, z.B. eines durch Laserbeschuss auf einen Kristall hergestellten Photonpaares: Beide Teilchen werden durch eine Wellenfunktion beschrieben, die u.a. den Gesamtspin des Systems fest legt. Dadurch sind beide Zustände insofern miteinander gekoppelt, als eine Polarisationsmessung an dem einen Teilchen die Polarisation des anderen unmittelbar festlegt - und zwar unabhängig von der Entfernung zwischen den Teilchen. Albert Einstein nannte diese Abkehr vom klassischen Kausalitätsbegriff eine "spukhafte Fernwirkung".
->   Mehr zur Nichtlokalität
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Konsequenzen für die Kryptografie
Inwieweit diese Resultate die Grundlagen der Quantenkryptografie erschüttern, ist indes noch Gegenstand von Diskussionen unter Fachleuten.

Technische Anwendungen sind zwar noch außer Reichweite. Allerdings meinte Hoi-Kwong Lo, von der auf Quantencomputer und -Kryptografie spezialisierten Firma Magiq Technologies, kürzlich gegenüber der Zeitschrift "New Scientist": "Es ist schwierig, die Grenzen der zukünftigen Technologie abzuschätzen."

"Insofern wäre es", so der Experte weiter, "das Einfachste, davon auszugehen, dass ein Spion alles machen kann, was den Grundprinzipien der Quantenmechanik nicht widerspricht."
->   Centre for Quantum Computation, University of Oxford
->   Mehr zum Thema Quanten-Kryptografie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010