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Physikalische Konstanten: Doch nicht unveränderlich?  
  Eine grundlegende Annahme der Physik betrachtet physikalische Konstanten, wie etwa die Lichtgeschwindigkeit, als unveränderliche Größen. Experimente im Weltall könnten diese Annahme nun in Frage stellen.  
Wie Steve K. Lamoreaux vom Los Alamos National Laboratory, USA, im Fachmagazin "Nature" berichtet, könnten Experimente mit Atomuhren nahe der Sonnenoberfläche darüber entscheiden, ob die - bislang nur als abstraktes mathematisches Modell vorliegende - Stringtheorie richtig ist.

Im extremen Gravitationsfeld der Sonne könnte sich die so genannte Feinstrukturkonstante als variable Größe erweisen - und damit die Stringtheorie unterstützen.
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"Relativity: Testing times in space"
Die Publikation "Relativity: Testing times in space" von Steve K. Lamoreaux erschien im Wissenschaftsmagazin "Nature" 416, auf den Seiten 803-804 (2002).
->   Zum Originalartikel (kostenpflichtig)
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Annahme: Konstanten sind unveränderlich
Eine der grundlegenden Annahmen der Einsteinschen Relativitätstheorie besagt, dass physikalische Gesetze und Parameter unabhängig von Ort, Orientierung und gleichförmiger Bewegung des Laboratoriums sind, in dem diese Größen gemessen werden.

Diese Annhahme wird auch als Lorentz-Invarianz bezeichnet. Bis dato wurde die Relativitättheorie in unzähligen Experimenten auf der Erde getestet - und noch nie widerlegt.
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Lorentz-Invarianz
Die Lorentz-Invarianz bezeichnet die Eigenschaft bestimmter physikalischer Größen, sich unter Lorentz-Transformationen nicht zu ändern, also invariant zu bleiben. Diese Größen werden Lorentz-Invariante oder Lorentz-Skalare genannt. Lorentz-Invarianz erreicht man, indem man alle physikalischen Gesetze mit Skalaren, Vektoren, Tensoren und Spinoren des so genannten Minkowski-Raumes formuliert.
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Exakte Tests durch Atomuhren
Im Rahmen der genauesten bisher vorgenommenen Tests der Relativitätstheorie wurden Atomuhren verwendet. Diese "ticken", indem Elektronen zwischen verschiedenen Energiezuständen wechseln und dadurch mit einer gegebenen Frequenz Lichtteilchen entsenden.

Da das Ticken einer Atomuhr von physikalischen Konstanten abhängig ist, würde, so die Grundidee von Lamoreaux, eine Variabilität derselben an unterschiedlichen Frequenzen der Uhren abzulesen sein.
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Atomuhren
Atomuhren sind seit 1964 der Standard zur Zeit- und Frequenzmessung. Ihr Takt wird aus einem periodischen Vorgang auf atomarer Ebene abgeleitet. Ein Beispiel dafür ist die Cäsiumuhr, die eine ausgezeichnete Periodenkonstanz aufweist. Diese wird durch den Übergang der zwei Hyperfeinstrukturzustände des Grundzustands von Cs-133 definiert (SI-Sekunde). Die relative Genauigkeit liegt bei 10 hoch -14 pro Tag. Die Caesiumuhr wird als Primärstandard eingesetzt, da die Frequenz, so die bisherige Annahme, keinen Alterungseinflüssen unterliegt.
->   Mehr zu Atomuhren
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Stringtheorie sagt variable "Konstante" voraus
Lamoreaux schlägt nun vor, physikalische Konstanten im Welttraum unter extremen Bedingungen zu messen. Die so genannte Feinstrukturkonstante Alpha, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselbeziehung von Photonen und geladenen Teilchen bemisst, könnte nach den Vorhersagen der Stringtheorie nicht invariant sein.
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Stringtheorie
Nach der String-Theorie sind die Grundbausteine des Universums nicht punktförmige Teilchen, sondern unvorstellbar winzige Saiten (englisch "strings"), deren Schwingungen alle beobachtbaren Teilchen und Kräfte ergeben sollen. Diese - offenen oder zu Schleifen geschlossenen - Strings sind nur etwa 10 hoch -35 Meter lang und können wie eine Violinsaite viele unterschiedliche Eigenschwingungen ausführen. Jeder Schwingungszustand hat eine bestimmte Energie und lässt sich als ein quantenmechanisches Teilchen betrachten.

Die String-Theorie ist deswegen von allgemeinem Interesse, weil sie einen wichtigen Schritt zur so genannten "GUT" ("great unifying theory") bzw. "TOE" ("theory of everything") darstellt. Eine große vereinheitlichende Theorie sollte die einander bislang widersprechenden Prinzipen der Makrophysik (Relativitätstheorie) und Mikrophysik (Quantentheorie) vereinen.
->   Mehr zur Stringtheorie
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Experiment nahe der Sonne
Bereits letztes Jahr hatten die NASA-Wissenschaftler Lute Maleki und John Prestage vorgeschlagen, eine Raumsonde bis auf drei Millionen Kilometer an die Sonne heranzubringen, um solche Tests durchzuführen. Zum Vergleich: Die Erde ist rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt.

Die Masse der Sonne beträgt etwa das 330.000-fache der Erde und würde Atomuhren einem derart extremen Gravitationspotential aussetzen, dass es zu messbaren Abweichungen der Feinstrukturkonstante kommen könnte.

Damit wäre es erstmals möglich, die String-Theorie vom Status eines abstrakten mathematischen Konzepts in den Rang einer empirisch getesteten Theorie zu heben.
->   Los Alamos National Laboratory
->   NASA
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Stringtheorie: Auf der Suche nach der zehnten Dimension
 
 
 
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01.01.2010