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Studie: Die meisten Menschen lügen beim Smalltalk  
  Wohl niemand kann von sich behaupten, noch nie gelogen zu haben. Doch das Ausmaß der von den meisten Menschen tagtäglich erzählten Lügen ist viel größer, als man glaubt. Laut einer Studie gibt der Durchschnittsmensch zwei bis drei mal während einer alltäglichen zehnminütigen Unterhaltung Unwahrheiten von sich - dabei zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern.  
Der Psychologe Robert S. Feldman von der University of Massachusetts in Amherst hat untersucht, wie viele Lügen durchschnittlich während einer alltäglichen Unterhaltung ausgesprochen werden.
Im Durchschnitt zwei bis drei Lügen
Wie er in einem in der Juni-Ausgabe des "Journal of Basic and Applied Social Psychology" erschienenen Artikel schreibt, erzählten rund 60 Prozent der Versuchspersonen mindestens eine Lüge - im Durchschnitt waren es gar zwei bis drei - während einer lediglich zehnminütigen Unterhaltung.
->   "Journal of Basic and Applied Social Psychology"
Unerwartetes Ausmaß
"Die Menschen erzählen eine beträchtliche Anzahl von Lügen in alltäglichen Unterhaltungen", erklärt Feldman zu seiner Studie und zeigt sich überrascht: "Wir haben nicht erwartet, dass Lügen ein solch gebräuchlicher Teil des täglichen Lebens ist."
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Wie das Gehirn lügt und Wahrheit spricht
Gängigen Lügendetektoren, so genannte Polygrafen, zeichnen gleichzeitig Herzschlag, Blutdruck, Atmung, Schweißabsonderung usw. auf, um damit Erregungszustände festzustellen und etwaige Falschaussagen zu entlarven. Doch auch im Gehirn eines Menschen werden beim Verkünden von Lüge und Wahrheit gänzlich unterschiedliche Aktivitäten in Gang gesetzt, wie Wissenschaftler mithilfe von bildgebenden Verfahren nachweisen konnten.

Demnach waren bestimmte Gehirnregionen, die eine signifikante Rolle bei der Aufmerksamkeit sowie der Fehlerkontrolle spielen, während des Erzählens einer Lüge bei den Versuchspersonen wesentlich aktiver im Vergleich zu der beobachteten Aktivität während einer wahrheitsgemäßen Aussage. Laut den Forschern könnte somit das wahrheitsgemäße Sprechen eine Art "Standartvoreinstellung" des Gehirns sein.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Der "kleine Unterschied" beim Lügen
Bei Männern und Frauen zeigen sich im Übrigen deutliche Unterschiede - allerdings nicht in der Anzahl der erzählten Unwahrheiten. Weder Männer noch Frauen lügen deutlich mehr als das jeweils andere Geschlecht.

Allerdings unterscheiden sich die von den beiden Geschlechtern erzählten Lügen inhaltlich: Während Frauen eher lügen, um das Wohlbefinden ihrer Gesprächspartner zu heben, wenden Männer diese Methode an, um sich selbst im besseren Licht erscheinen zu lassen.
Sympathisch und kompetent
Für die Studie wurden insgesamt 242 Studenten der University of Massachusetts ausgewählt, die jeweils ein Paar bilden mussten. Den Teilnehmern wurde erklärt, die Studie wolle untersuchen, wie sich Personen bei einem Treffen mit einem Unbekannten verhalten bzw. interagieren.

Während einer zehnminütigen Unterhaltung sollte ein Teil der Studenten versuchen, sich selbst sympathisch erscheinen zu lassen. Eine weitere Gruppe hatte den Auftrag, kompetent zu wirken, während eine dritte Gruppe keinerlei Anweisungen dieser Art erhielt.
Die Videos zeigen die Lügen
Ohne dass die Probanden davon wussten, wurden alle Unterhaltungen durch eine verborgende Kamera aufgezeichnet. Erst im Anschluss wurde dieses "Geheimnis" gelüftet: Alle Studenten sahen sich die Aufzeichnungen ihrer eigenen Sessions an - und sollten jede Ungenauigkeit bzw. Umwahrheit identifizieren, die sie während des zehnminütigen Gesprächs von sich gegeben hatten.

Wie Feldman erläutert, wurden die Probanden ermuntert, jede dieser Lügen zu bestimmen - gleichgültig, wie "groß" oder "klein" diese war. Das Ergebnis sei selbst für die Versuchsteilnehmer überraschend gewesen. "Als sich die Studenten selbst auf dem Video beobachteten, hörten sie sich sehr viel mehr lügen, als sie gedacht hatten", so Feldman.
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Die "kleinen" und "großen" Lügen
Die von den Studenten erzählten Lügen unterschieden sich tatsächlich beträchtlich, was das Ausmaß der Unwahrheiten anging. Darunter fanden sich relativ harmlose falsche Aussagen: So stimmten manche Probanden den Aussagen ihres Gegenübers zu, ohne dessen Ansichten tatsächlich zu teilen - beispielsweise in Bezug darauf, ob sie eine bestimmte Person mochten oder nicht. Manche Studenten griffen auch zu extremeren Lügen, wie etwa zur Behauptung, man sei der Star einer Rockband.
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Höflichkeit kontra "Ehrlich währt am längsten"
"Es ist so einfach zu lügen", kommentiert Feldman seine Ergebnisse. "Wir bringen unseren Kindern bei, das Ehrlichkeit am längsten währt. Aber wir sagen ihnen auch, dass es höflich ist vorzugeben, man möge ein Geburtstagsgeschenk, das man erhalten hat".

Wie der Psychologe weiter ausführt, erhalten Kinder durch dieses Verhalten eine sehr gemischte Botschaft bezüglich der "praktischen Aspekte des Lügens", wie Feldman es nennnt. Dies habe Einfluss darauf, wie sie sich als Erwachsene benehmen.
Nächstes "Opfer": Jobsucher
Feldman konnte in früheren Studien bereits nachweisen, dass die beliebtesten Schüler häufig zu den besten Lügnern zählen. Im Augenblick untersucht der Psychologe im Übrigen, wie oft Personen während eines Bewerbungsgespräches zur Lüge greifen - auf diese Ergebnisse darf man gespannt sein.
->   University of Massachusetts Department of Psychology
->   University of Massachusetts Homepage Robert S. Feldman
 
 
 
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01.01.2010