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Biochemiker Erwin Chargaff gestorben  
  Der aus Österreich stammende und in den USA lebende Biochemiker und Kulturkritiker Erwin Chargaff ist 96-jährig in New York gestorben. Chargaff entdeckte Ende der vierziger Jahre die so genannte Basenkomplementarität der Erbsubstanz (DNA), wandte sich aber später teilweise gegen seine eigene Zunft und warnte vor der "Unwiderruflichkeit" der Gentechnik. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Chargaff durch seine zivilisationskritischen Essays bekannt.  
Die Arbeiten des Biochemikers zählen zu den Meilensteinen der Aufdeckung des Erbguts. Die so genannten "Chargaff-Regeln" besagen, dass die vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin - Hauptbestandteile der DNA - stets in Paaren auftreten. So lagern sich nur Adenin und Thymin sowie Cytosin und Guanin aneinander.
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Grundstein für Aufklärung der genauen DNA-Struktur
Diese Zusammenhänge sind etwa bei der Vervielfältigung des Erbgutes und somit bei der Zellteilung von entscheidender Bedeutung: Trennt sich der doppelten DNA-Strang auf, lagern sich die passenden Komplementärbasen an, es entsteht ein neuer - komplementärer - Strang. Die Forschungen von Chargaff lieferten auch den Grundstein für die Aufklärung der genauen Struktur der Erbsubstanz, der Doppelhelix, durch James Watson und Francis Crick.
->   Chargaff-Regeln
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1935 Emigration in die USA
Erwin Chargaff wurde am 11. August 1905 in Czernowitz geboren. Er besuchte in Wien das Gymnasium und studierte an der Universität Wien Biochemie, wo er 1928 promovierte.

Es folgten Studien an der Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut, bei Otto Hahn am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin - wo er 1933 habilitierte - und am Institut Pasteur in Paris. 1935 musste der Sohn jüdischer Eltern aus seiner Heimat emigrieren und ging in die USA.
"Wissenschaft als Fluch"
Chargaff begann an der Columbia University zu lehren, wo ihm 1948/49 auch seine bahnbrechenden Arbeiten über die Erbsubstanz gelangen. Dieser Universität blieb Chargaff bis ins hohe Alter treu, als Forscher, Lehrer und als leidenschaftlicher Kritiker des Wissenschaftsbetriebs, zu dem er sich im Laufe der Jahre wandelte.

Wie der Biochemiker später sagte, war das 20. Jahrhundert für ihn "eines der abscheulichsten in der Weltgeschichte, ein Zeitalter, in dem sich die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und die technischen Errungenschaften als Fluch erwiesen haben".
Kritik an "genetischer Bastelsucht"
Seine Kritik richtete sich vor allem gegen die Nuklearforschung und die Gentechnologie - so verglich er das Hantieren am Zellkern mit jenem am Atomkern.

Als Gentechniker begannen, die DNA neu zu rekombinieren, stieg Chargaff aus seinem eigenen Forschungszweig aus, sprach von "Schrecken erregender Unwiderruflichkeit" und warnte vor "genetischer Bastelsucht".
Für eine "Ethik des Verzichts"
Mit seinen zivilisationskritischen Essays wurde Chargaff auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Geprägt waren seine Werke von einer stark von Karl Kraus beeinflussten Leidenschaft für die deutsche Sprache, die für viele Jahrzehnte das einzige Band zu seiner verlorenen Heimat darstellte.

Inhaltlich tritt er darin mit unermüdlichem Nachdruck für die Bewahrung der Schöpfung, der Kultur des alten Europa und für eine Ethik des Verzichts in der naturwissenschaftlichen Forschung ein.
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Essays des Wissenschaftlers bei Klett-Cotta
Anlässlich des 95. Geburtstags Chargaffs brachte Klett-Cotta das Buch "Ernste Fragen" mit 31 Essays des Wissenschaftlers heraus, zuletzt erschien im Frühjahr dieses Jahres im gleichen Verlag das Buch "Brevier der Ahnungen - Auswahl aus dem Werk".
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Die Beschädigung des Menschen
In seiner 1979 erschienenen Autobiografie "Das Feuer des Heraklit" verbinden sich seine universale Gelehrsamkeit und seine an Karl Kraus erinnernde, lustvoll-polemische Diktion zur großen Kritik an der Beschädigung des Menschen in diesem Jahrhundert.
->   Erwin Chargaffs Werke
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Ö1-Dimensionen: In memoriam Erwin Chargaff
Ein Porträt des Biochemikers und Wissenschaftskritikers hören Sie am Freitagabend um 19.05 Uhr in der Sendung "Dimensionen" auf Radio Österreich 1.
->   Österreich 1
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01.01.2010