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Österreich goes Hollywood  
  Eine Wiener Kulturhistorikerin analysierte - gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) - ein wichtiges, teilweise unerforschtes Kapitel der mitteleuropäischen Film- und Kulturgeschichte: Die Arbeit und den Einfluss Europas in Hollywood während der 30er und 40er Jahre. Die Ergebnisse der aufwendigen Recherche sollen 2003 in Buchform erscheinen.  
Österreichische Karrieren in Amerika
Hollywood - die amerikanische Filmmetropole und jener Ort, wo die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen erfunden, geschürt und bedient werden, ist für viele europäische Schauspieler und Filmschaffende der angestrebte Höhepunkt ihrer Laufbahn.

Europa in Hollywood besteht allerdings nicht erst seit Arnold Schwarzeneggers legendären Kampfszenen in "Conan - der Barbar" und seit dem Kinokassenschlagers "In the line of fire" von Wolfgang Peterson.

Bereits in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts konnten zahlreiche Europäer - darunter viele Österreicher - in der amerikanischen Filmmetropole Fuß fassen und eine beachtliche Karriere machen.
Künstler-Netz der 30er Jahre
Die Wiener Filmhistorikerin Gertraud Steiner Daviau hat sich dem unerforschten Kapitel österreichischer beziehungsweise europäischer Filmgeschichte in Hollywood angenommen und sich vor allem mit wenig bekannten Wegbereitern auseinandergesetzt.

"Mich haben vor allem jene Fadenzieher hinter den Kulissen Hollywoods interessiert, die durchwegs Mitteleuropäer waren", beschreibt die Wissenschaftlerin das vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderte Forschungsprojekt.

"Während meiner Recherchen hat sich zudem gezeigt, dass die europäische Filmszene im Hollywood der 30er und 40er Jahre aus einem dichten Netz an namhaften Künstlern bestand, die alle irgendwie miteinander zu tun hatten", so Steiner Daviau.
Gewinner und Verlierer
Ebenso beschäftigte Steiner Daviau die Frage nach den Gewinnern und den Verlierern unter den heimischen Filmschaffenden. Umrahmt wird die Arbeit durch spannende, teils unbekannte Einblicke in den Verlauf von Film- und Drehbuchprojekten und in die Arbeitweise der damaligen Filmindustrie.
Flucht und Karrierestreben
Bei ihren umfangreichen Recherchen - unter anderem in der "Feuchtwanger Memorial Library" und im Filmarchiv der University of Los Angeles in Kalifornien - interessierte sich die Kulturhistorikerin weniger für bereits weltbekannte, gut biografierte Künstler wie Erich Stroheim, Billy Wilder oder Fritz Lang.

Sie konzentrierte sich vielmehr auf bedeutende, aber bislang wenig rezitierte Filmschaffende, wie die beiden Agenten Paul Kohner und George Marton oder die drei einzigen namhaften österreichischen Schriftstellerinnen in Hollywood - Vicki Baum, Salka Viertel und Gina Kaus.

Alle emigrierten im Laufe der 30er Jahre nach Amerika - Vicki Baum und Salka Viertel aus Karrieregründen, Gina Kaus auf der Flucht vor den Nationalsozialisten.
"Neu-Weimar" am Pazifik
"Eine der interessantesten Erkenntnisse aus meiner Forschungsarbeit war die Tatsache, dass die Blütezeit Hollywoods in den 30er und 40er Jahren mit dem Höhepunkt der Emigration europäischer Filmschaffender zusammen gefallen war, die in der Filmmetropole eine Art 'Neu-Weimar' am Pazifik entstehen ließ", so die Kulturhistorikerin.

"Ein Grund für die hohe Zahl an Emigranten in Hollywood war aber nicht nur die Suche nach neuen Möglichkeiten, sondern vor allem die Tatsache, dass ein Großteil der Künstler jüdischer Abstammung war und entweder knapp vor der Annektierung, oder im Jahr 1938 flüchten musste."
Agenten aus Ungarn und Tschechien
Der gebürtige Tscheche Paul Kohner - er stammte aus Teplitz-Schönau - und der Ungar George Marton erkannten recht früh die Chancen, die sich einem in Amerika boten. "Die Inhalte von europäischen Theaterstücken, Romanen und Operetten fanden in Hollywood immensen Anklang - und die beiden Agenten wussten dies zu nutzen", so Steiner Daviau.

"Paul Kohner beispielsweise holte österreichische Schauspieler und Schriftsteller nach Amerika. Er führte bereits seit 1938 eine große Agentur am Sunset Boulevard, in der Größen wie Luis Trenker, Erich von Stroheim, Max Ophüls oder Rita Hayworth unter Vertrag waren. Überdies gründete Kohner gemeinsam mit Ernst Lubitsch auch den Welt bekannten 'European Film Funds', um Emigranten in Amerika das Leben zu sichern."
Österreichische Schriftstellerinnen

Ebenfalls unter den Fittichen des Wiener Agenten befanden sich die beiden bekannten österreichischen Schriftstellerinnen Vicki Baum und Salka Viertel - Ehefrau von Berthold Viertel. Die beiden Künstlerinnen arbeiteten - ebenso wie die dritte im Bunde, Gina Kaus, vorwiegend als erfolgreiche Drehbuchautorinnen.

Vicki Baum erlangte mit ihrem Filmklassiker "Grand Hotel" - deutscher Originaltitel ihrer Romanvorlage "Menschen im Hotel" (mit Greta Garbo, Joan Crawford und Wallace Berry in den Hauptrollen) Ruhm; Salka Viertel machte sich als Drehbuchautorin und Freundin von Greta Garbo einen großen Namen.
Verlierer Max Reinhardt
Gertraud Steiner Daviau schließt ihre Forschungsarbeit mit einem spannenden Kapitel über den österreichischen Theaterregisseur Max Reinhardt: "Er gehört eindeutig zu den großen Verlierern in Hollywood, obwohl ihm die amerikanische Filmfirma Warner Brothers sprichwörtlich einen roten Teppich ausbreiteten", resümiert die Wissenschaftlerin.

Zu diesem Kapitel über Max Reinhardt wird die Kulturhistorikerin im Sommer 2002 noch intensive Recherchen im Warner Bros.-Archiv der University of Southern California durchführen. Im Jahr 2003 soll die Zusammenfassung ihrer Forschungsarbeit unter dem Titel "Mitteleuropa in Hollywood. Das geheime Netzwerk" in Buchform erscheinen.
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Feuchtwanger Memorial Library
->   The USC Warner Bros. Archives
 
 
 
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01.01.2010