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Zum 100. Geburtstag von Karl Popper  
  Der Philosop Karl Popper wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden. Sein zentraler Gedanke betraf die "Falsifizierbarkeit von Theorien": Jede Hypothese, so Popper, müsse widerlegbar sein, wenn sie Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben will.  
Gegen "ewige Wahrheiten"
Die Grundansicht Sir Karl Poppers, der in seiner Wahlheimat England für sein Lebenswerk geadelt wurde, ist, dass jede menschliche Erkenntnis stets nur vorläufigen Charakter hat und niemals endgültig sein kann.

Das gilt sowohl für politische Systeme als auch für die Wissenschaft. Auf Grund dieses Fallibilismus, der Erkenntnis der Fehlbarkeit des Menschen, wendet sich Popper auch gegen all jene, die uns "ewige Wahrheiten" verkaufen wollen.
Anknüpfen an voraristotelisches Denken
Schon als 16-Jähriger begann sich Popper mit den Grundfragen der Wissenschaft auseinander zu setzen. An der Wiener Universität studierte er neben Philosophie auch Physik und Psychologie, erlernte das Tischlerhandwerk und promovierte 1928 zum Doktor der Philosophie. Bereits 1934 erschien sein Hauptwerk "Die Logik der Forschung".

Aus Poppers Grundeinsicht, dass jede Erkenntnis grundsätzlich fehlerhaft sei, folgt für ihre Anwendung in der Wissenschaft, dass jede Hypothese und Theorie widerlegbar ist und durch eine bessere ersetzt werden kann. Diese Haltung geht auf voraristotelisches Denken zurück.

Die Ansicht von Aristoteles, der fest daran glaubte, dass sicheres Wissen möglich sei und dessen Glauben später eine vielfache Renaissance erlebte, bekämpfte Popper sein Leben lang.
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Kongress zum Geburtstag
Anlässlich des 100. Geburtstags von Popper fand im Juli der "Karl Popper 2002 Centenary Congress" in Wien statt. Er stand einerseits im Spannungsfeld zwischen Philosophie und Naturwissenschaft und anderseits im Zeichen der Diskussion um die Grundlagen der Geistes- und Sozialwissenschaften. Zu den prominentesten Teilnehmern der Tagung zählten der Heidelberger Sozialphilosoph Hans Albert und der aus Wien stammende Physiker Sir Hermann Bondi.
->   Karl Popper 2002 Centenary Congress
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Jede Hypothese muss widerlegbar sein
Das Prinzip der Fehlbarkeit des Wissens steht auch in einem anderen Zusammenhang im Zentrum von Poppers Denken: Er argumentiert, dass jede Hypothese und Theorie nicht nur widerlegt werden kann, sondern im Prinzip sogar widerlegbar sein muss, sofern sie Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben will.

Das heißt: Eine Aussage, oder ein Aussagensystem, das nicht am Prüfstein des Experiments getestet werden kann, ist nicht wissenschaftlich im engeren Sinn. Genauer eigentlich: im naturwissenschaftlichen Sinn. In seiner "Logik der Forschung" legte Popper die Grenze zwischen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Aussagen fest.
Wissenschaft = Naturwissenschaft
Seine nach wie vor heiß diskutierte Methodenlehre war in kritischer Auseinandersetzung mit dem Wiener Kreis des logischen Positivismus ("Neo-Positivismus") um Moritz Schlick entstanden, wie der Wiener Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser erklärte.

Oeser: "Die Grundidee war: Alle Sätze, die nicht verifizierbar sind, also nicht durch Experiment und Beobachtung überprüfbar, sind eigentlich nicht wissenschaftlich. Das war die enge Auffassung des Wiener Kreises, die den Begriff der "Wissenschaft" mit dem der "Naturwissenschaft" gleichsetzte."
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Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag Karl Poppers ist bis Ende August in der Universitätsbibliothek der Universität Wien zu sehen.
->   Ausstellungen zum 100. Geburtstag von Karl Popper
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Prinzip der Falsifikation
Dem Begriff der Verifizierbarkeit stellte Popper in seiner "Logik der Forschung" das Prinzip der Falsifikation sozusagen diametral entgegen.

Popper umschrieb dies folgendermaßen: "Ich habe behauptet: Jede wissenschaftliche Theorie muss im Prinzip widerlegbar sein. Das heißt, es muss möglich sein, sich praktische, konkrete Situationen oder Experimente vorzustellen, die, wenn sie existieren würden, diese Theorie widerlegen könnten. Wenn eine Theorie nicht in diesem Sinne widerlegbar ist, dann ist sie auch nicht wissenschaftlich und sagt nichts über die Wirklichkeit aus. Nicht naturwissenschaftlich wenigstens."

Als "Lieblingssbeispiele" unwissenschaftlicher Theorien galten Popper die Psychoanalyse und der Marxismus.
Andere Stellung zu Metaphysik als Wiener Kreis
Mit seinem (eigentlich nur auf die Grenzen der Naturwissenschaften bezogenen) "Abgrenzungskriterium" nahm Popper auch eine gänzlich andere Stellung gegenüber der traditionellen Metaphysik ein, als dies im Wiener Kreis erfolgt war. Keinesfalls negierte er die Metaphysik.

Oeser: "Popper wurde, weil er anstelle der Verifikation die Falsifikation gesetzt hat, auch als eine bloße Abwandlung der Idee des Wiener Kreises angesehen, also sozusagen als Abtrünniger, der eben die Sache umgekehrt hat; statt Verifikation Falsifikation. Aber Poppers 'Logik der Forschung' ist keine Absage an die traditionellen Metaphysik. Da steht er in einem völligen Gegensatz zum Programm des Wiener Kreises, das ja die Kritik der Metaphysik zum Inhalt hatte."
Zwei Voraussetzungen
Poppers Prinzip der Falsifikation geht von der Tatsache aus, dass es erstens unmöglich ist, allgemeine Sätze - wie die Gesetze der Naturwissenschaften - logisch zu beweisen. Und zweitens lassen sie sich auch nicht vollständig verifizieren, weil sie eben ALLGemeine Gesetze sind.

Anderseits genügen bereits einige wenige Gegenbeispiele (experimentelle Falsifikationen), um eine allgemeine Aussage zu widerlegen. Das ist jene Logik der Forschung, wie sie seit langem in der Naturwissenschaft praktiziert wird.
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Kein naiver Falsifikationalismus
Wegen eines einzigen Widerspruchs zwischen Theorie und Experiment ist für Popper die Theorie jedoch noch keineswegs widerlegt. Was den Stellenwert seiner Falsifikationstheorie betrifft, so gibt es, wie Erhard Oeser erklärte, immer noch grobe Missverständnisse bezüglich der Asymmetrie von Verifikation und Falsifikation:

Oeser: "Das ist auch so ein Mythos, den man gern Popper unterschiebt. Er meinte nicht, dass dann diese Falsifizierung endgültig ist, sondern auch eine Falsifikation kann wieder aufgehoben werden. Es ist nicht so, dass eine Theorie einem festen Datensatz gegenüber steht, sondern die Daten selbst, die empirischen Beobachtungen selbst, sind theoriebeladen. Daraus wird völlig klar, dass auch von absoluter Falsifikation oder von einem naiven Falsifikationalismus bei Popper nicht die Rede sein kann. Ob er das nun ausdrücklich gesagt hat oder nicht. Es ist ein Mythos."
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Erfolgreiches Modell - außer bei Philosophen
Poppers erkenntnistheoretische Überlegungen haben bisher vor allem bei Naturwissenschaftern Anklang gefunden. Wohl deshalb, weil Popper einer jener Philosophen war, denen es gelungen war, den Erkenntnisprozess und die Methode der Naturwissenschaften klar zu beschreiben.

Karl Popper in einem Radio-Interview: "Bei den Philosophen hat sich nichts durchgesetzt. Bei den Wissenschaftlern und jenen Menschen, die sich für Wissenschaft interessieren, hat sich sehr viel durchgesetzt. Es hat sich die Einstellung zur Wissenschaft verändert. Der 'Fallibilismus', bzw. die Auffassung, dass die Wissenschaft als menschliches Produkt fehlbar ist, hat sich mit der Zeit bei vielen Leuten durchgesetzt. Mit Ausnahme, würde ich sagen, der meisten Philosophen."

Ein Beitrag von Reinhard Schlögl für die Ö1-Dimensionen
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->   Radio Österreich 1
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->   Karl Popper und die 'Offene Gesellschaft' (science.ORF.at)
->   Popper: Der Freund der offenen Gesellschaft (kultur.ORF.at)
->   Karl Popper Institut
 
 
 
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01.01.2010