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Restless Legs - Syndrom der "rastlosen" Beine  
  Das "Syndrom der unruhigen Beine" ist eine unterbewertete Volkskrankheit. Acht bis 15 Prozent aller Österreicher - rund 900.000 Menschen - leiden am "Restless Legs Syndrom" (RLS). Schuld daran ist - ähnlich wie bei Morbus Parkinson - eine Störung des Dopaminhaushaltes. Und mit Hilfe von Parkinson-Medikamenten ist den "Zappelbeinen" auch beizukommen  
Ein langer Leidensweg
Obwohl bereits 1685 zum ersten Mal beschrieben, handelt es sich beim RLS um ein nach wie vor weitgehend unbeachtetes Krankheitsbild.

"Die Patienten haben deshalb oft ein langen Leidensweg", so der Wiener Neurologe Dieter Volc, "Täglich und jahre- bis jahrzehntelang leiden sie und finden durchwegs nur wenig Hilfe. Der Rekord liegt - meines Wissens nach - derzeit bei einer 86jährigen Patientin, die seit sechzig Jahren am RLS leidet und der nicht ursächlich geholfen werden konnte."
Fehldiagnose
Die "unbekannte Volkskrankheit" wurde oft schlichtweg falsch diagnostiziert. Massen von Patienten unterzogen sich einer Venenoperation und obwohl keine Besserung eintrat, wurden ihre fortbestehenden Beschwerden nicht weiter abgeklärt. In ihrer Verzweiflung unterziehen sich die Betroffenen den verschiedensten Physiotherapien und orthopädische Behandlungen, sie machen Kuren und lassen aufwendige diagnostische Prozeduren über sich lassen, sie probieren es mit Komplementärmedizin oder geben Unsummen für irgendwelche "Wundermittel" aus.

"Schließlich werden viele Betroffene als neurotisch und lästig dem Psychiater oder Psychotherapeuten zugewiesen. Dabei gibt es heute Hilfe bei diesem quälenden Krankheitsbild," so Volc.
Wie äußert sich das RLS?
-> Das Hauptcharakteristikum ist ein unbändiger Bewegungsdrang, vergesellschaftet mit Gefühlsstörungen (Kribbeln, Jucken, Bremseln) in den betroffenen Extremitäten.
-> Das Fatale ist, dass dieses Phänomen nur während der Ruhephasen auftritt. Also hauptsächlich im Bett am Abend verspüren die Betroffenen den quälenden Drang, die Beine und manchmal auch die Arme, zwanghaft bewegen zu müssen.
-> Durch aktive Bewegung kommt es zu einer Besserung der unangenehmen Empfindungen. Aber der Schlaf wird empfindlich gestört.
Verwandtschaft zu Morbus Parkinson
Die Ursache für das RLS ist eine Störung im Dopamin-System des Rückenmarks.

"Dopamin ist ein Neurotransmitter, ein Nervenbotenstoff, der zur Steuerung der Bewegungskoordination benötigt wird. Es besteht also eine gewisse Verwandtschaft zu Morbus Parkinson, denn auch hier liegt ein Störung im Dopaminhaushalt vor."

Und tatsächlich sind Parkinson-Patienten besonders - nämlich zu 25 Prozent - vom RLS betroffen. "Wer am RLS leidet, muss aber keinesfalls fürchten, ein höheres Risiko zu tragen, einmal an Morbus Parkinson zu erkranken. RLS stellt definitiv keinen Risikofaktor für Parkinson dar," beruhigt Parkinson-Spezialist Volc.
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Wen trifft's?
Von den quälenden Missempfindungen in den Beinen kann prinzipiell jeder betroffen sein. Selbst Kindern können Ruhephasen dadurch vergällt werden. Es dürfte auch eine gewisse familiäre Disposition geben, hat doch ein Viertel der RLS-Patienten mehrere Verwandte, die ebenfalls daran leiden.
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Mögliche Auslöser
In den meisten Fällen liegt das RLS als so genannte idiopathische Form vor. Das heißt, man kennt den Grund für die Störung im Dopaminsystem nicht.

Das RLS kann aber auch durch eine Schwangerschaft oder einen Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ausgelöst werden. In diesem Fall spricht man von einem symptomatischen RSL. Auch Vitamin B-, Folsäure- und Eisenmangel (dies kann vor allem in der Schwangerschaft auftreten) tragen zur Verstärkung der Symptome bei.
Auslöser Konsumgifte
Wer sich nach einem stressigen Tag zur Entspannung eine Zigarette anzündet, z.B. eine Cola Light mit Rum trinkt und vielleicht noch einen Schoko-Riegel isst, und kein RSL bekommt, kann sich glücklich schätzen.

Denn die typischen Auslöser für die "unruhigen Beine" sind: Stress, Nikotin, Alkohol, Kohlensäure, Koffein und bestimmte Zuckerersatzstoffe in Light-Getränken. Aber auch eine kräftige Portion Schweinsbraten am Abend steht als Auslöser für RLS in dringendem Verdacht. Wer hingegen am Abend Fisch isst und dazu gut einen Liter Leitungswasser trinkt, kann die quälenden Symptome reduzieren. Warum das so ist, weiß man noch nicht.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose kann in sehr vielen Fällen durch eine gezielte Anamnese gestellt werden. Das wichtigste "Untersuchungsinstrument" ist daher der RLS-Fragebogen.
->   Selbsttest auf www.restless-legs.at
Dieter Volc: "Durch die richtige Behandlung kann heute Beschwerdefreiheit erzielt werden. Dabei kommen Parkinson-Medikamente zum - äußerst erfolgreichen - Einsatz. An erster Stelle stehen hier die so genannten Dopaminagonisten, wobei schon deutlich niedrigere Dosen als bei der Parkinson-Behandlung ausreichen. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome bereits nach einer Woche. Studien im Schlaflabor zeigten sogar in der ersten Nacht eine Verminderung der nächtlichen Beinbewegungen um 75 Prozent!"
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Message
"Die wichtigste Botschaft ist, dass das RLS heute behandelbar ist," betont Volc, der die Restless Legs Initiative mit größtem Engagement betreut. "Damit Bewegung aus den Beinen und in die Diagnostik und Therapie kommt."
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Keine Angst vor Nebenwirkungen
Die im Beipacktext angeführten Nebenwirkungen brauchen RLS-Betroffene nicht zu verunsichern, sind sie bei ihnen doch deutlich geringer als beschrieben. Allerdings ist eine Dauertherapie notwendig. Beim Absetzen kommt es zum Wiederauftreten der Beschwerden.

"Sollten die Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder eine komplexere Schlafstörung vorliegen, so ist die Überweisung an ein Schlaflabor, das Erfahrung in der Diagnostik neurologisch-psychiatrischer Schlafstörungen hat, dringend anzuraten", betont Dieter Volc.

Ein Beitrag von Barbara Urban für den Ö1-Radiodoktor
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Verhaltenstipps
-> Vorsicht geboten ist bei verschiedenen Medikamenten (Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, Antiemetika mit dopaminantagonistischer Wirkung), denn diese können symptomverstärkend wirken. Auch enthalten manche Medikamente Glutamat, einen Geschmacksverstärker, der aber ebenfalls ein Neurotransmitter ist und als solcher ein Gegenspieler von Dopanmin.
-> Entspannungsmethoden wie autogenes Training sollten für RSL-Patienten Tabu sein, da Ruhe und Entspannung die Beschwerden nur verschärfen.
-> Auch physiotherapeutische Maßnahmen können das Unruhegefühl in den Beinen noch forcieren.
-> Vermeiden Sie Auslöser wie Nikotin, Alkohol, etc. und achten Sie auf eine gute Schlafhygiene.
-> Regelmäßige Schlafenszeit, das stets gleiche Einschlafritual und das Vermeiden von Aufregungen oder Arbeit abends können sehr hilfreich sein.
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->   www.restless-legs.at
->   Dieter Volc
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Mehr zum Thema "Restless Legs Syndrom" und "Morbus Parkinson" können Sie in "Der Radiodoktor" am Montag, 15.7.2002 um 14.05 Uhr auf Ö 1 erfahren.
->   Ö1
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01.01.2010