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Schulanfang - Auslöser von Ängsten und Problemen  
  Der Schulbeginn kann nicht nur für die 93.013 "Taferlklassler" Österreichs erhebliche Umstellungen und Probleme nach sich ziehen. Denn Schätzungen zu Folge leiden pro Schulklasse ein bis zwei Schüler an Schulangst,
-phobie oder anderen Verhaltensauffälligkeiten. Die Folgen zeigen sich nicht nur in mangelnden schulischen Erfolgen, sondern auch in körperlichen Beschwerden wie z. B. Kopf- und Magenschmerzen, Kreislaufproblemen oder Schlafstörungen.
 
"Man muss sehr genau zwischen Schulangst und Schulphobie unterscheiden", meint Michael Millner, Leiter des Institutes für Kinderneuropsychatrie an der Universitätsklinik Graz, "denn die Ursachen sind vollkommen unterschiedlich".

"Kinder, die unter Schulangst leiden, haben reale Ängste. Sie fürchten sich vor Lehrern, Mitschülern, Noten usw., also auf jeden Fall vor etwas Nachvollziehbarem", erklärt Millner im Gespräch mit dem ORF-Radio.
Ursachen einer Schulphobie liegen nicht in der Schule
"Eine Schulphobie ist meistens in der Angst begründet, dass zu Hause etwas Fürchterliches passiert, wenn man weg geht," sagt Millner. Es handelt sich um eine unartikulierbare Angst des Kindes, deren Ursachen nicht in der Schule zu suchen sind.
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Schulangst und Schulphobie
Kinder, die unter Schulangst leiden, fürchten sich vor Demütigungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen. Zu den verständlichen Gründen gehören z.B. Leistungs- und/oder körperliche Defizite und/oder chronische Erkrankungen. Diese Kinder fürchten sich also vor realen Dingen - oft leiden sie zusätzlich unter Schuldgefühlen, da sie möglicherweise den Erwartungen der Eltern nicht entsprechen.

Phobien hingegen sind stärkste Angstzustände vor bestimmten Objekten oder Situationen. Die Schulphobie ist eine Sonderform, bei der die Kinder in panischer Furcht den Schulbesuch vermeiden. Der Grund dafür liegt häufig in Trennungserlebnissen und panische Trennungsangst, die einen Schulbesuch für das Kind oder den Jugendlichen nahezu unmöglich machen. Die Ursachen sind also, im Gegensatz zur Schulangst, im familiären Umfeld zu suchen. Durch Probleme in der Schule wie Versagensängste oder Diskriminierungen durch andere Schüler kann die Situation noch verstärkt werden.
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Prüfungsangst: Wenn das Erlernte plötzlich weg ist
Eine spezielle Variante der Schulangst ist die Prüfungsangst. Sie tritt bei Kindern, die noch nie in der Schule waren, nur dann auf, wenn sie von den Eltern unbewusst geweckt wurde. Denn diese Ängste entstehen oft erst dann, wenn der Schulerfolg mit Annerkennung in der Familie verbunden wird.

"Kinder, die unter Prüfungsangst leiden, versuchen Prüfungssituationen zu vermeiden, oder sie versagen bei der Prüfung, obwohl sie gelernt haben", sagt Mathilde Zeman, Leiterin der Abteilung Schulpsychologie beim Stadtschulrat Wien.
Symptome von Schulängsten und -phobien
Anzeichen von Schulängsten und Schulphobien können sich in Verhaltensänderungen und körperlichen Symptomen äußern. So reicht die Palette der Verhaltensänderungen vom morgendlichem Trödeln, dem Begleitwunsch auf dem Schulweg, über die offensichtliche Weigerung mit Panikreaktionen bis zu Vorwürfen.

Diese richten sich an Eltern ("Du hast mich nicht lieb, wenn du mich weggibst"), an Lehrer ("Der ist so streng, die Aufgaben sind zu schwer") und an Mitschüler ("Die mögen mich nicht").

Körperliche Symptome tauchen in Form von Bauchschmerzen, Schwindel, Kreislauflinstabilität, Durchfall, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Nägelkauen auf.
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Die Behandlungsmöglichkeiten
Wenn körperliche Symptome vorliegen, müssen zuerst organische Ursachen für die Beschwerden vom Arzt ausgeschlossen werden. Ist dies erfolgt, wird der Arzt die Situation mit den Eltern besprechen.

Je nach Bedarf müssen verschiedene Behandlungsmethoden wie z.B. Familientherapie oder Verhaltenstherapie in Erwägung gezogen werden. So muss etwa bei einer Schulphobie mit ausgeprägter Trennungsangst dem Kind verdeutlicht werden, dass eine Trennung einen Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Selbstvertrauen des Einzelnen bedeutet, vor dem man sich nicht fürchten muss.
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Mitarbeit der Eltern unbedingt erforderlich
Die Mitarbeit der Eltern bei der Therapie von Schulängsten,
-phobien und anderen Verhaltensauffälligkeiten ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Denn neben Trennungsängsten kommen z. B. auch chronische Gewalt, Probleme mit den Eltern, in der Familie usw. als Ursachen für diese Probleme in Frage.

Daher muss bei der Suche nach den Ursachen im Gespräche mit Kind und Eltern sehr vorsichtig umgegangen werden. " Wenn die Ursachen der Verhaltensauffälligkeiten wirklich in der familiären Situation, einem Fehlverhalten der Eltern liegen, muss dies sehr vorsichtig thematisiert werden, sonst werden alle Beteiligten verschreckt und die Therapie meist vorzeitig abgebrochen", meint Millner.
Aggressives Verhalten in der Schule
Behutsam wird auch bei der Ursachenforschung bei auffällig aggressivem Verhalten in der Schule vorgegangen. Wenn diese Verhaltensauffälligkeit in den letzten Jahren auch nicht zugenommen hat, so hat sich zumindest ihr Erscheinungsbild stark verändert.

"Die einzelnen aggressive Handlung sind deutlich massiver geworden und gehen oft über eine gewisse Grenze hinaus. Man kann beobachten, dass diese Auseinandersetzungen immer blutiger werden. Dieses übersteigerte, ungehemmte, aggressive Verhalten kann man bei immer Jüngern beobachten", sagt die Schulpsychologien Zeman gegenüber dem ORF-Radio.
Gründe für die gesteigerte Aggression
Die Palette für die Ursachen des aggressiven Verhaltens in der Schule ist weit gefächert. Sie reicht von einer gewissen Orientierungslosigkeit der Jugendlichen über Unter- und Überforderung der Kinder bis zur Vorbildwirkung der Gesellschaft.
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Faktoren der Gewalt
1. Geistige Über- oder Unterforderung des Kindes
2. Temperament
3. Eine Reaktion auf Schläge, Gewalt in der Familie, Erziehung usw.
4. Fernsehen, die Schulung durch das Fernsehen senkt die Hemmschwelle der Aggression bei Kindern.
5. Gesellschaft und ihre Vorbildwirkung ("Durch Gewalt erreicht man sein Ziel am Besten")
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Unbehandelte Verhaltensauffälligkeiten - schwere Folgen
"Eine Therapie kann auch hier nur unter der Beteiligung der Eltern stattfinden", sagt Werner Leixnering, Leiter der Abteilung Jugendpsychiatrie an der Landesnervenklinik Wagner Jauregg in Linz. "Wenn sie aber im Konsens mit den Eltern durchgeführt wird, dann sind ihre Erfolgschancen sehr hoch."

Unbehandelte schulphobische Symptome könnten später schwere Folgen haben - sie gehen etwa in soziophobische Ängste über. Die Jugendlichen haben dann große Ängste, sich in das soziale Leben einzugliedern.
In der Schule wird auch soziales Verhalten unterrichtet
"Die Schule ist nicht nur ein Lernfeld für Bildung, sondern auch für den Umgang und das Verhalten in einer sozialen Gruppe", meint Werner Leixnering.

Wird hier ein aggressives Verhaltensmuster nicht erkannt und der Umgang mit Stimmungsschwankungen und Gefühlen nicht erlernt, dann weiß der Jugendliche und später der Erwachsene auch nicht wie er mit solchen Konfliktsituationen umgehen soll. "Die einzige Reaktion, die er dann kennt, ist die Aggression", so der Experte.

Walter Gerischer-Landrock, Ö1-Der Radiodoktor
Weitere Informationen zu Schulphobie und Schulangst im Internet:
->   Schulphobie und Schulangst
->   Schulangst: Was tun?
 
 
 
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01.01.2010