News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 
Das Alphabet des Lebens - ein Computercode?  
  Das Erbgut der Lebewesen besteht aus vier Bausteinen, den so genannten "Nukleotidbasen". Warum gerade diese vier Basen das Alphabet des Lebens bilden, war bis dato unbekannt. Ein amerikanischer Chemiker bietet nun eine Antwort auf diese Frage an: Er meint, dass die DNA eine Art Computercode beinhaltet, der Fehler bei der "Datenübertragung" minimiert.  
Dónall A. Mac Dónaill vom Trinity College in Dublin hat den Versuch unternommen, die DNA mit den Begriffen der Computerwissenschaft zu beschreiben. Das überraschende Ergebnis:

Die Struktur der Erbsubstanz lässt sich in einen Code übersetzen, der in der Informatik schon lange zur Fehlerkorrektur verwendet wird. Dieser Umstand könnte ein Produkt der natürlichen Selektion gewesen sein - und zwar lange bevor es auf dieser Erde mehrzellige Lebewesen gab.
...
"A parity code interpretation of nucleotide alphabet"
Die Publikation "A parity code interpretation of nucleotide alphabet composition" erschien in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Chemical Communications" (Band 18, auf den Seiten 2062 - 2063). Der Artikel ist kostenfrei im Volltext zugänglich.
->   Zum Artikel
...
Chargaffs Regeln
In den 1940er Jahren formulierte der österreichisch-amerikanische Biochemiker Erwin Chargaff die so genannten "Chargaff-Regeln" zur Struktur der DNA. Die vierte und wichtigste dieser Regeln besagt, dass die DNA aus vier Bausteinen, den so genannten "Nukleotidbasen", besteht - und dass jeweils zwei davon immer in dem Zahlenverhältnis 1:1 vorkommen.
Watsons und Cricks Erklärung
Erst im Jahr 1953 fand diese empirische Regel ihre natürliche Erklärung: Das britisch-amerikanische Forscherduo James Watson und Francis Crick konnte zeigen, dass die DNA so ähnlich wie eine Wendeltreppe aufgebaut ist.

Aus der Kenntnis der räumlichen Struktur dieser "Wendeltreppe" ergibt sich automatisch, dass jeweils zwei der vier Basen immer in Paaren auftreten - und daher das Chargaffsche Verhältnis 1:1 bilden.
...
A, G, T und C - die vier Nukleotidbasen
Die vier Bausteine der DNA, Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin (oft als A, T, G und C abgekürzt) bilden Basenpaare aus, die durch so genannte Wasserstoffbrücken stabilisiert werden. Konkret paaren sich immer nur A und T (über zwei Brücken) sowie G und C (über drei Brücken).

Die beiden anderen möglichen Paarungen kommen nur als seltene Fehler vor. Aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften kann man die vier Bausteine auch wie folgt gruppieren: A und G sind sogenannte Purinbasen, G und C sind so genannte Pyrimidinbasen.
...
Warum gerade so?
Prinzipiell gäbe es eine Reihe anderer Basen, die ebenfalls zum Aufbau von DNA-ähnlichen Molekülen imstande wären. Daher stellt sich die Frage: Warum hat die Natur gerade A, T, G und C ausgewählt? Dónall A. Mac Dónaill glaubt den Grund hierfür in der Feinstruktur der DNA zu erkennen.
Computer-Code für die DNA-Struktur
Die Wasserstoffbrücken zwischen den vier Basen sind nämlich nicht symmetrisch gebaut. Vielmehr ist es so, dass sie eine so genannte Donor/Akzeptor-Strukur aufweisen. Abgesehen von weiteren chemischen Details, ist es möglich, Akzeptor-Bereichen den Wert 0 zuzuordnen, den Donor-Bereichen hingegen den Wert 1.

Daraus ergibt sich, dass etwa die Base Cytosin durch den Code 100 dargestellt werden kann (siehe Abbildung). Die Größen 0 und 1 entsprechen, wie leicht zu erkennen ist, dem Binärcode, der in Computern Anwendung findet. Dieser wird in "bit" ausgedrückt (von engl. "binary digit").
Moleküle aus der Sicht der Informatik
 


Der Code inkl. der sog. "Paritätsbits" für Guanin (rechts: 011,0) und Cytosin (links: 100,1).
Sicherheitscode verwirklicht?
Dónall A. Mac Dónaill ging dann einen Schritt weiter: Er ordnete den Basen eine zusätzliche Zahl zu, und zwar Purinbasen den Wert 0, Pyrimidinbasen den Wert 1 (siehe Infobox oben). Damit ergibt sich etwa für Cytosin der vierstellige Code 100,1.

Mac Dónaill macht nun einen überraschende Vorschlag: Die vierte Codezahl könnte als ein so genanntes "Paritätsbit" zu interpretieren sein, das Informatiker zur Sicherung von Datenübertragungen verwenden. Denn auch in der lebenden Zelle wird permanent Information von der DNA abgelesen und übertragen.
...
Paritätsbits
Ein Paritätsbit wird von Informatikern verwendet, um Fehler der Datenübertragung zu erkennen, die durch äußere Einflüsse entstanden sind. Das Paritätsbit wird einem binären Code hinzugefügt und legt z.B. fest, ob die Quersumme der Datenbits gerade oder ungerade ist.

Am Beispiel Cytosin hieße das: Die Quersumme des vierstelligen Codes für Cytosin ist 1+0+0+1, was die gerade Zahl 2 ergibt. Nach Mac Dónaill können nun viele Fehlpaarungen der DNA dadurch besonders einfach erkannt (und eliminiert) werden, da sie eine ungerade Quersumme ergeben. Die Überlegungen von Mac Dónaill bedeuten natürlich nicht, dass in Zellen kleine Rechenautomaten sitzen, die an der DNA numerische Kalkulationen vornehmen.
...
Produkt der natürlichen Selektion
Nach der Argumentation von Mac Dónaill muss ein Molekül mit der Struktur der DNA zwei Dinge "können": Korrekte Basenpaare bilden und unkorrekte Paarungen ausschließen. Für die erste Aufgabe gibt es viele Möglichkeiten, aber für letztere, so Mac Dónaill, nur eine optimale - und die ist in der Struktur der DNA verwirklicht.

Dies ist nach Ansicht des Autors kein Zufall: Denn als das Leben in seinen einfachsten molekularen Vorformen auf die Bühne dieser Welt trat, "könnte die natürliche Selektion Alphabete mit paritätischem Code bevorzugt haben", so der Studienautor.

Robert Czepel, science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010