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Hochwasserschutz durch Renaturierung  
  Die Flutkatastrophe im August hat einmal mehr die Bedeutung von effektivem Hochwasserschutz vor Augen geführt. In Kärnten wird an der Drau seit zwei Jahren eine ökologische Variante davon im großen Maßstab realisiert: Hochwasserschutz durch Renaturierung.  
Wissenschaftler überprüfen im Rahmen eines EU-Projektes, ob sich die hohen Investitionen - rund 30 Millionen Euro für 60 Flusskilometer - "rechnen" und ob das Beispiel Drau auch bei größeren Flüssen, wie dem Rhein und der zuletzt völlig außer Rand und Band geraten Elbe Schule machen könnte.
Rennstrecke im Betonkorsett
Nach den Hochwasserkatastrophen der Jahre 1965/1966, wurde die obere Drau in ein enges Korsett aus Beton und Stein gelegt. Mit diesen Maßnahmen waren zwar Siedlungen im Drautal fürs erste sicher vor Überflutungen, doch ist der Fluss dabei ökologisch verödet.

Die Auwälder wurden trockengelegt und gerodet, die Überschwemmungsgebiete landwirtschaftlich genutzt. Der Fluss wurde, ganz wie es die Wasserbauer vorgesehen hatten, zur "Rennstrecke". Es ging vor allem darum, das Wasser möglichst rasch aus den gefährdeten Gebieten wegzuschaffen. Durch die harte Uferverbauung und radikale Begradigung des Flusslaufs ist das auch gelungen.
Negative Begleiterscheinungen
Mit den negativen Begleiterscheinungen hatte man allerdings nicht gerechnet: die beschleunigte Flutwelle wird zur schwer kalkulierbaren Gefahr für die flussabwärts gelegenen Städte. Und: Die beschleunigte Drau gräbt sich tiefer und tiefer in Erde, damit sinkt jedoch auch bei Niedrigwasser der Grundwasserspiegel im Tal und die Bauern müssen mit saisonalen Trockenperioden rechnen.
Vielfalt in alten Zeiten
Das Obere Drautal beherbergte einst einzigartige Auwälder, die zu den schönsten und artenreichsten in ganz Österreich zählten. Jährliche Hochwässer beherrschten einst das Tal der Drau. Der Fluss war weit verzweigt und führte gewaltige Geröllmengen mit sich.

Ein lebendes System von Fluss- und Augewässern schaffte die Grundlage für seltene Naturräume wie Grauerlenwälder und ausgedehnte Schotterbänke, die zahlreichen seltenen Pflanzen- und Tierarten als Lebensraum dienten.
Begradigungen seit dem 19. Jahrhundert
Der gesamte Talboden wurde ausschließlich extensiv bewirtschaftet, und alle Siedlungen lagen in den höher gelegenen Talbereichen. Die jährlichen Überflutungen wurden erst ein Problem, als Siedlungen und Landwirtschaft immer näher an den Flusslauf rückten. Bereits im 19. Jahrhundert wurde begradigt und verbaut, von einem natürlichen Flusslauf war schon lange keine Rede.
Auch nach Renaturierung kein "natürlicher Flusslauf"
Einen natürlichen Flusslauf wird es auch nach Abschluss der Renaturierung nicht geben: Dazu müsste man das mittlerweile dicht besiedelte Tal räumen und auf die intensive landwirtschaftliche Nutzung verzichten. Das lässt sich weder finanzieren, noch politisch durchsetzen. Es geht also um eine Kompromisslösung im Spannungsfeld: Naturschutz - Hochwasserschutz.
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Verbauung contra Lebensraum
Der moderne Flussbau stellt sich hier einer neuen Herausforderung: der Revitalisierung unserer Fließgewässer bei gleichzeitigem Schutz hochwassergefährdeter Siedlungsbereiche.
Dazu soll den Flüssen wieder jener Überschwemmungs-Raum zugestanden werden, den sie für den Rückhalt von Hochwässern brauchen. Bauliche Eingriffe in naturnahe Gewässerstrecken sollen minimiert werden.

Bestehende und neu geschaffene Überschwemmungsgebiete sollen in Zukunft von Bebauungen jeglicher Art freigehalten werden. So kann sichergestellt werden, dass sich das Wasser verteilen kann. Im Vergleich zu den herkömmlichen Verbauungsmaßnahmen bieten die Methoden des modernen Schutzwasserbaus auch ökonomische Vorteile: Sie sind weniger kostenintensiv in Durchführung und Erhaltung.
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Erste Erfolge nach zwei Jahren
Obwohl mit konkreten Baumaßnahmen an der oberen Drau erst vor zwei Jahren begonnen wurde, kann schon heute mit deutlichen Erfolgen aufgewartet werden. Bereits durch die Aufweitung des Flusslaufs, der Entfernung der harten Verbauung und der Schaffung neuer Überflutungsflächen hat sich der Fischbestand wieder erholt.

Vom Aussterben bedrohte Fischarten sind wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht, ohne dass nachgeholfen werden musste. Dasselbe gilt für Pflanzen- und Amphibienarten.
Insel als ökologisches Reservat
Diese ersten Erfolge haben die Wasserbauer zu größeren Projekten ermutigt. Im Bereich unterhalb von Spital wurde jetzt der bereits vor 200 Jahren trockengelegte zweite Flussarm an den Strom angebunden. In der Drau ist damit eine erste Insel als ökologisches Reservat entstanden.

Auch hier hat man versucht, die baulichen Maßnahmen auf ein Minimum zu beschränken: der Fluss sucht sich selbst seine neuen Wege.
Wiederentstehen urtümlicher Flusslandschaft
Die zum Schutz von Straße und Eisenbahn notwendigen Dammbauten wurden weit zurückgezogen, die ehemaligen Maisfelder im Uferbereich stillgelegt und seitdem nur mehr als Viehweiden genutzt.

Auf einer Fläche von wenigen Quadratkilometern sollte die Natur im freien Spiel in wenigen Jahren einen urtümliche Flusslandschaft entstehen lassen, wie es sie in Mitteleuropa längst nicht mehr gibt.

Ein Härtetest im Hochwasser ist der rückgebauten Drau allerdings bisher erspart geblieben: im Gegensatz zu früheren Jahren zeigt sich der Fluss heuer von seiner friedlichen Seite.

Gerhard Roth, Modern Times
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Mehr dazu in Modern Times, 20.09.02, 22.35 Uhr ORF 2.
->   Modern Times
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->   LIFE-Projekt "Auenverbund Obere Drau"
->   Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, Boku
->   Mehr zum Thema Hochwasser in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010