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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Geothermische Energie aus 5.000 Metern Tiefe  
  Böswillige könnten die Erde als Energieverschwender bezeichnen - denn der Planet lässt täglich ein Vielfaches des menschlichen Energiebedarfes in Form von Wärme in den Weltraum verpuffen. Eine Methode, diese Wärme nicht ungenutzt zu lassen, ist die Gewinnung so genannter geothermischer Energie - das allerdings ist in Gegenden ohne heiße Quellen in Oberflächennähe relativ schwierig. Ein deutsch-französisches Pilotprojekt versucht es dennoch - mit Bohrungen in 5.000 Meter Tiefe.  
In Island etwa herrschen ideale Bedingungen: Die Insel im Nordatlantik hat geothermische - also aus der Erdwärme kommende - Energie im Überfluss und erzeugt heute bereits Strom und Wärme für alle Haushalte aus heißen Quellen - wobei nur etwa zehn Prozent des Energiepotenzials genutzt werden.
Mitteleuropa - geothermisch weniger aktiv
Bild: Modern Times
Das Isländische Thermalkraftwerk Svartsengi, das 50.000 Haushalte mit Strom und Heizwärme aus geothermischen Quellen versorgt.
In Mitteleuropa dagegen sind die geologischen Bedingungen weniger ideal - man muss schon tief bohren, um in Temperaturbereiche zu gelangen, mit denen effiziente Kraftwerke betrieben werden könnten.

Seit Ende der 80er Jahre arbeitet ein internationales Forschungsteam im elsässischen Soultz-sous-Forets auf der französischen Seite des Oberrheingrabens an einem solchen Pilotprojekt. Gerade wurde eine weitere Bohrung abgeschlossen: Ein 5.000 Meter tief reichendes Loch - in die Zukunft der Energieversorgung.
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Geothermie: Die Nutzung der Erdwärme
Geothermie - die Nutzung der Erdwärme - spielt eine zunehmende Rolle für die "saubere" Energiegewinnung: Mit der entsprechenden Technologie könnte diese praktisch an jedem Ort der Welt als Wärmelieferant genutzt werden, meinen Fachleute. Die Grundlagen: Im Inneren der Erde herrschen Schätzungen zufolge Temperaturen von 5.000 bis 6.000 Grad Celsius, in der Erdkruste immerhin noch bis zu 1.000 Grad. Je nach den geologischen Bedingungen muss man mehr oder weniger weit in die Tiefe gehen, um diese Temperaturen für die Energiegewinnung anzuzapfen.
->   Ausführliche Informationen zu Geothermie
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Hot-Dry-Rock: Klimaschonend und umweltfreundlich
Für die Energiegewinnung auf Basis der Tiefengeothermie - ab etwa 400 Meter bis zu Gesteinsschichten in mehreren tausend Metern Tiefe - gibt es unterschiedliche Techniken: Im Elsass wenden die Wissenschaftler das so genannte HDR-Verfahren an - kurz für "Hot-Dry-Rock".

Dabei werden die tieferliegenden Gesteinsschichten durch mindestens zwei Bohrungen in einem bestimmten, genau berechneten Abstand erschlossen - zwischen den einzelnen Löchern liegende natürliche Risse und Spalten werden danach kontrolliert zu einem System von Fließwegen aufgeweitet.

Durch diese Fließwege leiten die Forscher anschließend Wasser, das sich im bis zu 200 Grad Celsius heißen Gestein erhitzt und als Heißwasser bzw. Dampf eine Turbine an der Oberfläche zur Stromerzeugung antreibt.
->   Weitere Informationen zum HDR-Verfahren
Erste Bohrungen in den 90er Jahren
Mitte der 90er Jahre hatten die Wissenschaftler in Soultz-sous-Forets in rund 3.500 Meter Tiefe ein erstes großes Riss- und Kluftsystem erzeugt - in einer Testphase wurde dort bereits erstmals in Europa geothermischer Dampf produziert.

In den letzten beiden Jahren stand ein anderes Ziel im Vordergrund: Das Vordringen in noch größere Tiefen, die sich für einen besonders wirtschaftlichen und effizienten Kraftwerksbetrieb eignen sollten.
Das HDR-Pilotkraftwerk in Soultz-sous-Forets
 
Bild: Tom Hettkamp

So soll das HDR-Pilotkraftwerk in Soultz-sous-Forets nach seiner Fertigstellung aussehen.

Mittlerweile wurden zwei Bohrlöcher, die bis in 5.000 Meter Tiefe reichen, fertiggestellt - im kommenden Jahr soll das System durch ein drittes Loch vervollständigt werden.

Bis 2005 will man schließlich mit der kompletten HDR-Pilotanlagen ans Netz gehen, wie Jörg Baumgärtner - Projektverantwortlicher in Soultz-sous-Forets - gegenüber science.ORF.at erläutert. Den Berechnungen zufolge werde sie dann etwa 5.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen können.

Die Anlage soll ein HDR-Pilotkraftwerk werden - sie werde nach ihrer Fertigstellung das weltweit tiefste Zirkulationssystem sein, so Baumgärtner. Das Projekt ist von der EU mitfinanziert - ist die Anlage erfolgreich, so könnten in Europa weitere Kraftwerke nach ihrem Muster entstehen.
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Abkühlung als natürliche Begrenzung des Kraftwerkes
Ideal wäre es, könnte man solche Kraftwerke über einen beliebig langen Zeitraum hinweg betreiben. Tatsächlich aber sind der geothermischen Energiegewinnung hier natürliche Grenzen gesetzt - denn durch das Zirkulationssystem wird dem Gestein schneller Wärme entzogen, als aus dem Erdinneren nachkommen kann. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler für Soultz-sous-Forets soll das Pilotkraftwerk etwa 20 Jahre lang effizient Energie liefern - danach müsse man mit rund 50 bis 100 Jahren Erholungsphase rechnen, so Experte Baumgärtner.
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Geothermie als Ausweg aus der Klima-Krise?
Bild: Tom Hettkamp
Gelbe Töne: zwischen 60 und 120 Grad Celsius; Orange bis Hellrot: 120 bis 180 Grad; die dunklen Rottöne bis über 240 Grad
Die Energiegewinnung durch Nutzung der Erdwärme hat einen entscheidenden Vorteil: Sie kommt ohne die Verbrennung fossiler Stoffe aus - das heißt ohne eine Belastung der Umwelt durch die Erzeugung von klimaschädigenden Treibhausgasen.

Die verschiedenen Methoden der Geothermie könnten also - ähnlich wie die Nutzung von Sonnen- oder Windenergie - dazu beitragen, die Reduktionen von Treibhausgas-Emissionen im Rahmen des Kyoto-Protokolls einzuhalten.

Es gebe jedenfalls riesige Vorkommen von Gesteinswärme in Mitteleuropa, meint Experte Baumgärtner. Die rechts stehende Karte zeigt die Temperaturverteilung in Europa - in einer Tiefe von etwa 5.000 Metern - je dunkler der Rotton, desto höher die dort herrschenden Temperaturen.
Geothermie in Österreich: Beispiel Altheim
Auch in Österreich gibt es bereits erfolgreiche Pilotprojekte zur Nutzung geothermischer Energie: In der Innviertler Gemeinde Altheim beispielsweise liefert seit 1990 eine Anlage Heizungswärme und Warmwasser an die rund 5.000 Einwohner. Seit Jänner 2001 erzeugt zusätzlich eine Turbine "Ökostrom", der rund 1.000 Haushalte versorgt.
->   Projekt-Homepage Soultz-sous-Forets
->   www.geothermie.de
->   Joanneum Research Insitut für Hydrogeologie und Geothermie
Mehr zu neuen Formen der Energiegewinnung in science.ORF.at:
->   Wasserstoff - Das Erdöl der Zukunft?
->   Windenergie: Tauernwind als Forschungsprojekt
->   Photovoltaik: Jährlich rund 30 Prozent mehr Solarzellen
 
 
 
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01.01.2010