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Young Science: Warum ist das Ozonloch so, wie es ist?  
  Jeder kennt das Schlagwort "Ozonloch", doch selbst für Wissenschaftler sind viele Fragen zu diesem Phänomen noch offen. Mit Forschungen zum Ozonschwund beschäftigt sich Thomas Loerting, einer der mit einem DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Nachwuchsforscher. In einem Gastbeitrag im Rahmen der Reihe "Young Science" erläutert er einige Problematiken der Ozonforschung: So erfährt man beispielsweise, warum das Ozonloch immer größer wird, obwohl der Gebrauch der es verursachenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe seit 1987 gesetzlich limitiert ist.  
Ozonmesswerte, Ozonschwund, Prognosen für die Zukunft
Von Thomas Loerting

Aufzeichnungen der Höhe der Ozonsäule über unseren Köpfen (angegeben in Dobson Units) existieren seit der Inbetriebnahme der ersten Bodenstation im Jahre 1956 in Halley Bay (Antarktis).
Umfassende Messungen mit erschreckender Analyse

Umfassende Messungen von Ozon wurden ab 1978 vom "total ozone mapping spectrometer" (TOMS) auf dem NASA-Satelliten Nimbus-7 durchgeführt. Die Analyse dieser Daten durch "British Antarctic Survey" im Jahre 1985 war erschreckend:

Über der Antarktis fehlten im Jahresschnitt zehn Prozent an Ozon. Im antarktischen Frühling lag das stratosphärische Ozon gar unter der Nachweisbarkeitsgrenze, d.h. 100 Prozent der Ozonsäule waren verschwunden.
Das "Ozonloch" über Australien
 
Bild: Thomas Loerting

Es wurde erstmalig vom "Ozonloch" gesprochen. Bis ins Jahr 1998 hat sich das Ozonloch bis über weite Teile Australiens und bis zur Südspitze von Südamerika ausgeweitet, wie es in der Abbildung zu erkennen ist.

Mittlerweile sind auch schon kleine Ozonlöcher über dem Nordpol bekannt, während in mittleren Breiten zwar ein leichter Trend von etwa sieben Prozent Ozonabbau pro Jahrzehnt zu verzeichnen ist, aber keineswegs von einem Ozonloch gesprochen werden kann.
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Ozon: Ein Spurengas mit Filterwirkung
Ozon (O3) ist ein Spurengas, das auf der Erde sowohl bodennah als auch in höheren Atmosphärenschichten vorhanden ist, speziell in der unteren Stratosphäre in einer Höhe von zehn bis 20 km. 90 Prozent des gesamten Ozons befinden sich normalerweise in der Stratosphäre. Während das bodennahe Ozon ein Problem für die Atmungsorgane der Säugetiere darstellt, erfüllt das stratosphärische Ozon eine sehr wichtige Filterwirkung für ultraviolettes Sonnenlicht:

97-99 Prozent der Sonnenstrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 150 und 300 nm, also praktisch die gesamte UV-B und UV-C Strahlung, werden durch nur 10-7000 ppbv O3 (10-7.000 Moleküle Ozon pro Milliarde Moleküle) absorbiert. Bei einem Fehlen dieser Schutzschicht in der Stratosphäre nimmt das Risiko an Hautkrebs, genetischen Veränderungen sowie an Augenschädigungen zu. Weiters sinkt durch erhöhte UV-B Strahlung Plankton in tiefere Meeresschichten und kann sich dort nicht mehr so stark vermehren. Dies wiederum könnte Konsequenzen für die Nahrungskette in den Ozeanen haben.
->   Mehr Informationen über die Ozonschicht bei der NASA
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Woher kommt dieser Ozonschwund?
Viele Antworten auf die auftauchenden Fragen nach den Ursachen wurden schon 1974, elf Jahre vor der ersten Meldung des Ozonlochs, von Molina, Crutzen und Rowland gegeben, die im Jahre 1995 gemeinsam den Nobelpreis für Chemie zugesprochen bekamen.
Ursache sind spezielle FCKWs
Ihre Arbeiten belegen, dass speziell FCKWs die Ursache für das Phänomen Ozonloch sind. Die FCKWs sind chemisch derart inert, dass sie nach durchschnittlich 15 Jahren unzerstört und global verteilt in die Stratosphäre gelangen. Erst dort werden diese Moleküle photolytisch gespalten und bilden in der Folge so genannte Reservoire aus, wie etwa Chlorwasserstoff (HCl) oder Chlornitrat (ClONO2).

Diese sind per se ungefährlich für die schützende Ozonschicht. Allerdings können diese Reservoire zur hypochlorigen Säure (HOCl) und zu molekularem Chlor (CI2) reagieren. Und diese beiden werden bei Sonneneinstrahlung sofort zu Chlor-Radikalen gespalten, die ihrerseits das Ozon zerstören.

Ein einzelnes Chlor-Radikal zerstört in etwa 100.000 Ozon-Moleküle, ehe es in tiefere Atmosphärenschichten sinkt und als saurer Niederschlag auf die Erde fällt.
Der bestimmende Schritt
Zusammen mit der Konzentration von Chlor in der Atmosphäre ist der für das Ausmaß des Ozonabbaus entscheidende Schritt in dieser Kette, wie lange die Reservoirspezies in der Atmosphäre stabil sind.
Farbenprächtige Eiswolken
 
Bild: Thomas Loerting

Interessanterweise sind sie gerade dort am instabilsten, wo es am kältesten ist: in der polaren Stratosphäre bei -90 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen bilden sich farbenprächtige Eiswolken, die polaren stratosphärischen Wolken (PSCs), wie sie schon die ersten Antarktis-Pioniere fasziniert haben (siehe Abbildung).

Sichtungen dieser Wolken im Winter können eindeutig mit besonders niedrigen Ozonwerten im nächsten Frühling korreliert werden. Denn nur auf der Eis-Oberfläche dieser Wolken erfolgt die chemische Umwandlung der Reservoire effizient, während die Reservoire in Mittelbreiten stabil sind.

Mehr Infos zu den farbenprächtigen Eiswolken
Stratosphärische Prozesse im Labor
Die heutige Forschung, unter anderem auch meine Arbeiten, zielt darauf ab, diese faszinierende Beschleunigung der stratosphärischen Prozesse im Labor nachzuvollziehen, um physikalisch-chemische Modellvorstellungen zu erarbeiten.

Wie es scheint, spielen die Wasserstoffbrückenbindung im kondensierten Wasser sowie eine dünne flüssigkeitsartige Schicht auf dem Eiskristall die entscheidende Rolle in der Beschleunigung des Zerfalls der Reservoire.
Und was passiert in der Zukunft?
Diese Modellvorstellungen und Daten zur Geschwindigkeit des Abbaus werden von Geologen und Klimatologen in deren Computermodelle eingegeben, um unter anderem die Zukunft der Ozonschicht vorherzusagen.

Diesen Vorhersagen können schließlich Empfehlungen für politische Fragen wie etwa nach dem Ausmaß der benötigten Reduktion an anthropogenen Emissionen entnommen werden.
Prognose: Höhepunkt jetzt, Rückgang bis 2050
Derzeitige Modellberechnungen zeigen, dass dank der Einschränkungen von FCKWs im Montreal-Protokoll von 1987 das Ozonloch im Jahre 2003 seine größte Ausdehnung erreichen wird, sich in weiter Folge schließen wird, sowie die Ozonsäule circa im Jahre 2050 wieder auf das Maß von 1975 zurückkehren wird.

Anders ausgedrückt, erreichen die Chlorkonzentrationen in der Stratosphäre erst heute ihre Peakwerte, und wir beginnen erst von nun an von der Einhaltung der Protokollrichtlinien zu profitieren.
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Informationen zum Autoren Thomas Loerting (28)
Als Dissertant arbeitete Dr. Loerting als DOC-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an der Universität Innsbruck unter der Betreuung von Prof. Liedl an der Computerberechnung der Dynamik atmosphärenchemischer Prozesse. Arbeiten zur Schwefelsäure im Kontext des sauren Regens wurden mit dem Prof. Ernst Brandl Preis "für einen Ansatz die heutigen Umweltprobleme zu lösen" honoriert. Die Doktorarbeit selbst wurde mit dem Preis der Gesellschaft Österreichischer Chemiker (GÖCh), dem Preis der Chemisch Physikalischen Gesellschaft Österreichs (CPG) sowie mit dem Sosnovsky-Preis der Universität Innsbruck prämiert.

Nach einem Jahr experimenteller Arbeit als Post-Doc mit dem Thema "Eisphysik" bei Prof. Hallbrucker und Prof. Mayer in Innsbruck, ermöglicht die Unterstützung des FWF durch ein Erwin-Schrödinger Auslandsstipendium einen Aufenthalt im Labor des Nobelpreisträgers Prof. Molina am MIT, um die Chlor-Eis Wechselwirkung im Laborversuch zu studieren und neue Theorien zur Quantifizierung des Ozonabbaus zu entwickeln.
Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie (Universität Innsbruck)
Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences (Massachusetts Institute of Technology)
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->   Alle Beiträge in der Reihe "Young Science"
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften fördert im Rahmen von DOC [DOKTORANDENPROGRAMM DER ÖSTERREICHISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN] junge österreichische DoktorandInnen für Forschungsvorhaben im In- und Ausland.
->   Informationen zum DOC-Programm bei der ÖAW
 
 
 
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01.01.2010