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Strahlungsresistent: Conan, das Bakterium  
  Die Mikrobe Deinococcus radiodurans gilt als eines der widerstandsfähigsten Lebewesen. Unter anderem überlebt es die 1.500-fache Dosis radioaktiver Strahlung, die andere Organismen vernichten würde - es wird deshalb auch "Conan, das Bakterium" genannt. Chemiker haben nun den Grund für seine Strahlungsresistenz entdeckt.  
Das Erbmaterial des Bakteriums zerbreche bei starker Ionisierungsstrahlung zwar genauso in viele kleine Stücke wie jedes andere Genom. Die Mikrobe habe auch keine unübliche Auswahl an Reparatur-Enzymen.

Nach Angaben der Wissenschaftler um Smadar Levin-Zaidman vom Weizmann-Institut in Rehovot könnte die ringförmige Struktur des Erbmaterials die Bruchstücke aber an ihrem Platz halten, damit sie in der richtigen Reihenfolge repariert werden. Dies berichten sie in der aktuellen Ausgabe von "Science".
->   Weizmann Institute of Science
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Die Studie ist unter dem Titel "Ringlike Structure of the Deinococcus radiodurans Genome: A Key to Radioresistance?" in "Science" (Bd. 299, S. 254) erschienen.
->   Science
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DNA-Fragmente werden nicht fortgeschwemmt
Bild: Weizmann Institute of Science
Kolorierte Aufnahme einer rot-pigmentierten D. radiodurans Zelle, welche die ringförmige Struktur des Genoms zeigt.
Mit Hilfe optischer und Elektronenmikroskopie fanden die Forscher heraus, dass die ringförmig angeordnete DNA der Mikrobe jene Teile des Erbguts, die durch die Bestrahlung herausgebrochen werden, davon abhält, in der Zellflüssigkeit fortgeschwemmt werden.

Im Gegensatz zu anderen Organismen, in denen die DNA-Fragmente durch diesen Prozess verloren gehen, verliert das Bakterium keine genetische Information: Mehrere hundert der beschädigten Bruchstücke können in der einzigartig dichten Ringstruktur eingeschlossen bleiben. Sie werden dann wieder in der richtigen Reihenfolge in die Stränge des Erbguts eingegliedert.
An den Enzymen liegt es nicht ...
Durchschnittlich können strahlengeschädigte (z.B. menschliche) Zellen nur einige wenige dieser Brüche selbst reparieren - D. radiodurans schafft bis zu 200. Deshalb war man ursprünglich davon augegangen, dass die Mikrobe über besonders effektive Reparatur-Enzyme verfügt. Genauere Studien kamen aber zu dem Schluss, dass sich diese nicht wesentlich von Enzymen anderer Bakterien unterscheiden.

Deshalb musste ein anderer Mechanismus für die Widerstandsfähigkeit verantwortlich sein. Neben der Ringstruktur wurde dabei von den Molekularbiologen ein weiterer "Trick" - eine doppelte Reparaturarbeit - entdeckt.
... sondern an "doppelter" Reparaturarbeit
Das Bakterium besteht aus vier Kammern, die jeweils eine Kopie der DNA enthalten. Die Forscher entdeckten zwei winzige Verbindungswege zwischen den Kammern. Nach etwa eineinhalb Stunden Reparaturarbeit innerhalb des dichten Rings faltete sich die DNA auf und wanderte in eine der angrenzenden Kammern - wo sie sich mit dem dort vorhandenen Erbgut zu mischen begann.

Erst danach trat die normale "Reparaturmaschine" der Zellen in Aktion - wie sie sowohl in menschlichen Zellen als auch in Bakterien vorkommt: Reparaturenzyme vergleichen die beiden DNA-Kopien, indem sie die jeweils andere als Vorlage verwenden, und bessern fehlerhafte Stellen aus.
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"Conan, das Bakterium"
Vertreter der Gattung Deinococcus wurden in den 50er Jahren entdeckt hat, da sie trotz Gammabestrahlung von Dosenfleisch überlebten. Die Bakterien sind in vielen höchst unwirtlichen Lebensräumen anzutreffen, darunter in Lama- oder Elefantenkot, auf Fischen und Enten, in radioaktivem Abfall sowie in Tälern der Antarktis. Da Deinococcus radiodurans so beschaffen ist, dass es Säure, extrem kalte und heiße Temperaturen, Vakuum, lange Trockenperioden sowie extrem hohe Strahlungen an Radioaktivität aushalten kann, wird es von manchen Wissenschaftlern auch als "Conan, das Bakterium" bezeichnet.
->   Mehr über Deinococcus radiodurans
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Noch eine Überlebensstrategie
Die beobachteten Prozesse warfen eine neue Frage auf: Wie kann das Bakterium, dessen DNA zu einem dichten Ring geschlungen ist, unter normalen Bedingungen leben und funktionieren, wo sich üblicherweise DNA-Stränge doch aufdrehen und somit beweglich sein müssen, um ihre Aufgabe - die Proteinproduktion - zu erfüllen?

Die Frage führte zur Entdeckung einer weiteren Überlebensstrategie des Mikroorganismus: Von vier Kopien der DNS sind immer zwei oder drei zu einem festen Ring gewunden, während sich die anderen Kopien frei bewegen können. So gibt es jederzeit DNA-Kopien, die Proteine produzieren, und andere, die inaktiv, aber gut geschützt sind.
Erbgut des Menschen grundlegend anders
So spannend die Forscher ihre Ergebnisse auch erachten, so wenig bieten sie Aussicht auf konkrete Anwendungen für den Menschen. Da die DNA des Menschen grundlegend anders strukturiert sei, könnten sich keine Schutzmechanismen für ihn ableiten lassen, so Abraham Minsky vom Weizmann-Institut in einer Aussendung.

Mit einer Ausnahme: Von den männlichen Spermienzellen sei eine ähnliche ringförmige DNA-Struktur bekannt, hier könnte es zu besseren Maßnahmen für Strahlenschutz kommen.
Besonders widerstandsfähig
Deinococcus radiodurans gilt als eines der widerstandsfähigsten Lebewesen überhaupt. Das rote Bakterium verträgt eine Strahlenbelastung von 15.000 Gray - Gray ist die Maßeinheit jener physikalischen Größe, welche die Wirkung von Strahlung auf Materie zum Ausdruck bringt.

Das ist eine 1.500-fach höherer Wert, als bei den meisten anderen Lebewesen. Menschen vertragen nur ein Dreitausendstel der Strahlenmenge.
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Genom bereits 1999 sequenziert
Das Genom des aus mehr als drei Millionen Basenpaaren bestehenden "polyextremophilen" Lebewesen wurde von Wissenschaftlern des Institute for Genomic Research (TIGR) im November 1999 sequenziert. Dabei wurden bereits Komponenten auf den Chromosomen des Bakteriums identifiziert, die zur Fähigkeit beitragen, unter Bedingungen der Nahrungsknappheit und des oxidativen Stresses große Schädigungen der DNA zu überleben.
->   Das Projekt am TIGR
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Lebensfähig auch im Weltall?
Deinococcus radiodurans gilt auch als heißer Kandidat für die Suche nach Leben im Weltall. So stellten russische Forscher im September 2002 ihre These im "New Scientist" vor, derzufolge es sich um vom Mars auf die Erde abgewanderte Mikroben handelt.

Schon zuvor hielten NASA-Wissenschaftler das Bakterium für ein Modell möglichen Lebens auf dem Roten Planeten.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
Mehr dazu:
->   Meet Conan the Bacterium (NASA)
->   Tough Earth bug may be from Mars (New Scientist)
 
 
 
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01.01.2010