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Aus dem Mittelalter in die Zukunft: Klostermedizin  
  Es ist mehr als eine Modeerscheinung: In den letzten Jahren bekommen Heilmittel aus der Klostermedizin auch von der modernen Medizin wissenschaftliche Anerkennung. Neueste Analyseverfahren machen es möglich, alte Rezepturen nach aktuellen Standards zu überprüfen und in den Handel zu bringen.  
Altes Wissen neu belegt
Die Rezepte aus dem Kräutergarten haben eine lange Tradition. Oft sind sie schon seit Tausenden von Jahren bekannt und wurden erst von den Mönchen im Mittel systematisch gesammelt und schriftlich festgehalten.

In der Volksmedizin wurden viele dieser Mittel nie vergessen. Doch wissenschaftlich anerkannt waren die wenigsten. Jetzt gibt es späte Rehabilitation durch die Pharmakologie, denn die Analyseverfahren von Mehrstoffgemischen sind ausgereift und erlauben eine genaue Unterscheidung, was unbedenklich ist und was nicht.
Heilen und gleichzeitig wohlfühlen
Die Hintergründe für die Renaissance der mittelalterlichen Heilkunde: Gerade für die immer häufiger diagnostizierten Befindlichkeitsstörungen und kleinen "Wehwehchen" sind schwach wirksame Mittel gefragt.

Die Klostermedizin hält viele solche bereit, noch dazu wirken die meisten pflanzlichen Mittel zugleich auch kreislaufunterstützend und belebend. Das entspricht durchaus dem neuesten Therapieziel der Medizin: heilen und gleichzeitig wohlfühlen.
Medikamente, die nachwachsen
Ein zweiter, ökonomischer, Aspekt: Heilkräuter sind Medikament, die nachwachsen. Man muss sie nicht durch komplizierte Verfahren im Labor synthetisch herstellen.

Allerdings ist auch der Standard bei Phythopharmaka mittlerweile sehr hoch: Da genügt nicht das "Kräutl" vom Wegesrand, es werden speziell auf die Wirkstoffkomponenten gezüchtete Hochleistungskräuter verwendet.
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Buchtipps
Johannes Mayer et al. Handbuch der Klosterheilkunde, Verlag: Zabert Sandmann
Josef Hasitschka, Admonter Herbarium, Verlag: Schnell Steiner
Andrea Überall, Die Spiritualität des Heilens Verlag: Ibera
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Überprüfung durch moderne Pharmakologie nötig
Seit 20 Jahren arbeitet der Wissenschaftler Johannes Mayer an der Erforschung der alten Tradition. Zusammen mit Ärzten, Medizinhistorikern und Archivaren durchforstete er die Stiftsbibliotheken nach den Überlieferungen der Mönche.

Das Resultat der Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg: Einige der in alten Schriften beschriebenen Heilpflanzen sind bereits als Medikamente in den Apotheken erhältlich.

Die Prüfung durch die moderne Pharmakologie ist durchaus angebracht: die mittelalterlichen Heiler verwendeten auch viele Pflanzen, die heute als schwer giftig erkannt sind. Die Wirkung von Kräutern wurde generell nur durch Versuch und (oft tödlichem) Irrtum herausgefunden.
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Beispiel: Johanniskraut gegen Depressionen
Eine der wichtigsten Wiederentdeckungen von Mayer und seinen Mitarbeitern: das Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) als Mittel gegen Depressionen und Schlafstörungen. Ein Mittel, das gerade von der Arbeitsgruppe Klostermedizin als Medikament wiederentdeckt wird, beruht auf dem Keuschlamm oder Mönchspfeffer (Vitex Agnus-Castus L.).
->   Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg
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Das Admonter Archiv - eine Schatzkammer
Bild: ORF
Bibliothek im Stift Admont
Eine der wichtigsten Quellen der Forscher ist das Benediktinerstift Admont im steirischen Gesäuse. Über 200.000 Bücher, vieles davon alte Handschriften sind archiviert - hier ist auch die größte Sammlung mittelalterlicher medizinischer Bücher.

Den Mönchen lag die Medizin am Herzen. Bereits Ordensgründer Benedikt von Nursia hatte eine ganzheitliche Vorstellung von der Heilkunst: Körper und Geist seien als Einheit zu sehen - eine nun wieder moderne Ansicht, die sich viele Patienten von ihren Ärzten wünschen.
->   Stift Admont
Ganzjährig geöffnete Apotheke
Bild: ORF
Stift Admont
In Admont wird die Tradition aus dem Mittelalter heute noch hochgehalten - auch im Kräutergarten. Über 700 Heil- und Gewürzkräuter werden über das ganze Jahr hinweg gehegt und gepflegt.

Erstaunlich: Viele der Pflanzenarten überdauern problemlos den Winter, der inmitten der obersteirischen Berge besonders hart sein kann - für die einschlägig beschäftigten Mönche eine ganzjährig geöffnete Apotheke.
Kräuter gegen Kater und Katarrh ...
Hier finden sich altbekannte Heilkräuter wie die Zwiebel oder die Ringelblume Calendula ebenso wie die neuentdeckten Phytopharmaka aus anderen Kulturkreisen, etwa der rote Sonnenhut Echinacea.

Besonders nach den Weihnachtsfeiertagen werden einige der Kräuter häufiger gepflückt. Zum einen jene Gewürze, mit denen der legendäre Amonter Kräuterlikör angesetzt wird, einem von der Bevölkerung bestätigten Mittel gegen die Übelkeit, dessen Rezeptur aber ein Geheimnis der Mönche ist.
Salbei gegen Verdauungsstörungen
Zum anderen aber vor allem der Salbei (Salvia officinalis L.), der seit Jahrhunderten verwendet wird. Wie der steirische Historiker Josef Hasitschka herausfand, wurde der Salbei im Mittelalter Alkohol, Honig oder Essig beigemengt.

Das findet sich unter anderem in der Schrift des Bartholomäus, der den Stand der Heilkunst anno 1200 zusammenfasst: "Wem die Huesten weh tut oder auch die Seite: man soll Salbeisaft mit Wein warm trinken."

Heute wird der Salbei einfach mit kochendem Wasser übergossen - und ist nach wie vor ein wirksames Mittel gegen Halsbeschwerden und Verdauungsstörungen - darin sind sich Mönche und Wissenschafter einig.

Tom Matzek/Modern Times Gesundheit
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Mehr dazu in Modern Times Gesundheit, 10. 01. 2003, 22.35 Uhr, ORF 2
->   Modern Times Gesundheit
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01.01.2010