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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Selbstorganisation: Wunderbare Muster - einfach erklärt  
  Kreise, Linien, Labyrinthe und Polygone - der Erdboden in Teilen Norwegens oder Alaskas weist sonderbare Muster auf. Wie diese Anordnung von Steinen und Erdreich entstanden ist, kann nun erstmals durch ein einheitliches Modell erklärt werden: Kalifornische Geowissenschaftler haben herausgefunden, dass die Natur dabei auf ein kreatives Prinzip zurückgreift, nämlich ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation.  
Geometrische Bodenmuster in menschenleeren Gebieten: Was läge näher, als dafür Menschenhand oder gar außerirdische Intelligenzen verantwortlich zu machen? Wie Mark. A. Kessler und Brad T. Werner von der University of California in San Diego nun gezeigt haben, muss man zur Erklärung dessen keineswegs die gesammelten Werke Erich von Dänikens konsultieren.

Die Musterbildung ergibt sich aus bemerkenswert einfachen Ingredenzien: Zyklische Frier- und Schmelzvorgänge bewirken zwei Sortierungseffekte, die langfristig zum Aufbau solch geometrischer Formen führen.
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"Self-Organization of Sorted Patterned Ground"
Die Arbeit "Self-Organization of Sorted Patterned Ground" von M.A.Kessler and B.T.Werner erschien in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Science" (Band 299, auf den Seiten 380-383).
->   "Science"
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Musterbildung in der Natur
Bild: Science/M. A. Kessler
Kreisförmig geordnete Steine und Erden aus Kvadehuksletta, Spitzbergen.
In Polargebieten und im hochalpinen Bereich sind am Erdboden oft eigenartige, geordnete Steinmuster anzutreffen. Für Geologen ist das nichts Unbekanntes - und auch ihre Kollegen aus anderen Wissenschaftsbereichen, etwa den Naturwissenschaften oder der Psychologie, kennen ähnliche Phänomene der Ordnungsbildung.

Daher spricht man der Natur eine gewisse Kreativität zu, die oft durch den Begriff "Selbstorganisation" verdeutlicht werden soll.
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Selbstorganisation: Die spontane Entstehung von Ordnung
Ausgehend von der Theorie der Wärmelehre könnte man davon ausgehen, dass die Entstehung von Ordnung nicht mit natürlichen Ursachen erklärbar ist. Insbesondere der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt voraus, dass die Entropie (ein Maß für "Unordnung") in geschlossenen Systemen zunehmen müsse und dass das Universum langfristig den so genannten Wärmetod erleide.

Die so genannte Nichtgleichgewichts-Thermodynamik beschäftigt sich mit offenen, d.h. von Energie oder Matierie durchflossenen Systemen. Gemäß dieser Theorie ist es sehr wohl möglich, dass Ordnung in belebten und unbelebten Systemen spontanauftritt, ohne dass von außen eingegriffen oder der zweite Hauptsatz der Wärmelehre verletzt wird. Bekannte Beispiele hierfür sind die Musterbildung in erwärmten Flüssigkeiten (Benard-Konvektion) oder zyklische Vorgänge in so genannten chemischen Uhren (Belousov-Zhabotinsky-Reaktion).
->   Mehr zur Thermodynamik in science.ORF.at
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Bislang nur unzureichende Modelle
Bild: Science
Allerdings ist mit der Diagnose von Selbstorganisation noch nicht Detail erklärt, welche Mechanismen die Polygone und Labyrinthe in Alaska oder Norwegen entstehen lassen. Bisher gab es zwar einige Modelle, die einzelne Mustertypen erklären konnten, jedoch war es bislang unmöglich, alle Mustertypen aus einem Modell abzuleiten.

Im Bild rechts zu sehen: Netzwerke von Steinen mit polygonartigem Aufbau aus der Region der "Tangle Lakes" in Alaska. Die Polygione sind etwa einen Meter lang..
Zyklisches Frieren führt zu Mustern
Bild: Science/M. A. Kessler
Spontan geordnete Steine am Rande eiens Teiches in Alaska.
Genau diese Leistung wurde nun von Mark. A. Kessler und Brad T. Werner vollbracht. Sie entwickelten ein numerisches Modell, das mit bemerkenswert wenigen Zutaten auskommt.

Der grundlegende ordnungsbildende Prozess ist das zyklische Frieren und Auftauen der Bodendecke. Dadurch hebt sich an manchen Stellen der Boden, man spricht hierbei vom so genannten Frosthub.
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Frosthub
Als Frosthub bezeichnet man die beulenartige Anhebung des frierenden Bodens infolge der Bildung von Eislinsen knapp unter der Bodenoberfläche. Die Eislinsenbildung bewirkt deswegen eine Bodenhebung, weil sich erstens Wasser beim Frieren ausdehnt und zweitens ein vertikaler Wasserstrom in Gang gesetzt wird.
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Das Modell: Nur einfache Zutaten nötig
Das abwechselnde Frieren und Schmelzen bewirkt gemäß dem Modell von Kessler und Werner zwei einfache Sortierungsprozesse, durch die Steine von den feinen Bodenbestandteilen getrennt werden.

Bemerkenswerterweise genügen diese Ingredienzen, um im Computermodell sämtliche bekannten geologischen Formen entstehen zu lassen.
Simulation der Natur
 
Bild: Science/Kessler & Werner

Die einzeln Mustertypen entstehen spontan, indem man im Coputermodell gewisse Eingangsgrößen - etwa die Steinkonzentration (A) oder die Bodenneigung (B) - verändert.
Mysterien erklärt
"Eines der echten Mysterien war für mich die Frage, wie in einem Bereich Labyrinthe oder Steininseln entstehen können, während in einem anderen Gebiet Polygone auftreten. Und das, obwohl das Verhältnis zwischen Steinen und Erde in beiden Gebieten gleich ist", kommentiert Kessler seine Veröffentlichung.

Nach seinem Modell genügt lediglich eine feine Abänderung der Eingangsparameter, um beide Mustertypen entstehen zu lassen.
->   University of California in San Diego
Mehr zur Suche nach Mustern in der Natur in science.ORF.at:
->   Mathematische Muster formen Ameisen-Friedhöfe
->   Steinzeitliche Mustersuche im modernen Gehirn
->   Symmetrien: Ordnungsmuster in der Natur
 
 
 
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01.01.2010