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Können Elefanten trotz ihrer Masse richtig "rennen"?  
  Elenfanten sind für ihre Größe und ihre behäbige Gangart bekannt - und dennoch können sich die Dickhäuter erstaunlich schnell bewegen. Laut einer neuen Studie erreichen die Tiere trotz ihrer enormen Masse eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Stundenkilometer - zumindest einige Charakteristika ihrer Fortbewegung entsprechen dabei der wissenschaftlichen Definition des "Rennens", berichten US-Biologen.  
Ein Team um John Hutchinson vom Neuromuscular Biomechanics Lab der Stanford University hat den Laufstil von 42 asiatischen Elefanten mithilfe von Photosensoren und Videoaufzeichnungen einer genauen Analyse unterzogen.

Die Forschungsergebnisse - nachzulesen im aktuellen "Nature" - sollen Einblick in die biomechanischen Tricks geben, die großen, massigen Tieren - wie etwa einst den Dinosauriern - das Laufen ermöglichen.
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"Are fast-moving elephants really running?"
Der Artikel "Are fast-moving elephants really running?" ist erschienen in "Nature", Bd. 422, Seiten 493-494, vom 3. April 2003.
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25 Stundenkilometer bei 2.800 Kilogramm Gewicht
Elefanten bevorzugen im Allgemeinen eine eher gemächliche Gangart, die zwar langsam, dabei aber effizient ist. Wenn es allerdings sein muss, erreichen die Dickhäuter trotz ihres Gewichtes enorme Geschwindigkeiten.

Spitzenreiter der von den US-Forschern untersuchten Tiere war der 17 Jahre alte Elefantenbulle "Big", der bei einem Gewicht von 2.800 Kilogramm bis zu 25 Stundenkilometer schnell lief.
Videoaufnahmen vom "Elefanten-Parcours"
 
Bild:

Ein asiatischer Elefant (Elephas maxiums L.) mit Farbmarkierungen

Um die Bewegung der Elefanten genau untersuchen zu können, wurden zunächst die Gelenke der Tiere mit Farbpunkten markiert, wie die Wissenschaftler in "Nature" berichten. Danach führten ihre Mahouts - indische Elefantenführer - sie entlang einer 30-Meter-Bahn.

Die einzelnen Durchgänge - einige bei möglichst hoher Laufgeschwindigkeit, andere bei gemächlicher Gangart - wurden mit einer Videokamera aufgezeichnet. Insgesamt 188 Einzelversuche führten die Wissenschaftler auf diese Weise durch.

Viele Elefanten erreichten demnach Spitzengeschwindigkeiten von rund 14,5 Kilometern pro Stunde, etwa 20 Tiere schafften immerhin 18 25 km/h und drei erreichten in ihrer schnellsten Gangart eine Geschwindigkeit von mehr als 21,5 Stundenkilometern - Elefantenbulle "Big" lag mit 25 km/h vorne.
->   Video eines gehenden Elefanten (Quicktime)
->   Video eines "rennenden" Elefanten (Quicktime)
Welche Gangart ist es?
Die Frage nach der Definition dieser Gangart war allerdings nach wie vor offen - doch wie die Wissenschaftler in "Nature" schreiben, trennen einige kinematische Faktoren das vierfüßige Gehen vom schnelleren Laufen oder Rennen. Dieser Wechsel erfolgt, da ab einer bestimmten Geschwindigkeit Laufen energetisch effizienter ist als Gehen.

Zum einen unterscheide sich das jeweilige Schrittmuster, als Hauptmerkmal des Laufens gelte zudem eine zeitweilige "Luftphase" (während der kein Fuß den Boden berührt) und schließlich müsse der so genannte "duty factor" (die Zeitspanne, während der ein Fuß innerhalb einer kompletten Schrittsequenz den Boden berührt) geringer als 0,5 sein.
Ein Fuß war immer in Kontakt mit dem Boden
Die Auswertungen der digitalisierten Videoaufzeichnungen zeigten allerdings, dass diese Unterscheidung bei den Elefanten nicht ganz einfach ist:

Denn die Tiere behielten sowohl beim Gehen als auch beim Laufen das gleiche Schrittmuster bei und einer ihrer Füße war immer in Kontakt mit dem Boden. Ihr "duty factor" allerdings lag bei 0,37.
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Die Biomechanik des Tyrannosaurus rex
John Hutchinson hat sich der Biomechanik verschrieben - und auch bereits so unwahrscheinliche Objekte wie den längst ausgestorbenen Tyrannosaurus rex einer Analyse unterzogen. Tatsächlich herrscht unter Wissenschaftlern Uneinigkeit darüber, wie schnell große, zweibeinige, aufrecht gehende Saurier laufen konnten. Zusammen mit einem Kollegen entwickelte der Biologe im vergangenen Jahr ein mathematisches Modell, das anhand zahlreicher Parameter errechnet, wie viel Muskelmasse beispielsweise der Tyrannosaurus zum Laufen benötigt hätte. Die Dinosaurier seien miserable Läufer gewesen, lautete das Ergebnis - und daher vermutlich auch Aasfresser.
->   Mehr dazu: Tyrannosaurus als "lahme Ente" und Aasfresser?
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Hohe Froude-Zahl deutet auf Rennen hin
Also nahmen sich die Biologen die bei beiden Fortbewegungsmethoden involvierten Kräfte vor: Mit Hilfe der so genannten Froude-Zahl bestimmten sie, ab welcher Geschwindigkeit ein Körper theoretisch vom Gehen zum Rennen übergehen muss.

Den Berechnungen zufolge liegt diese Grenze bei einer Froude-Zahl (Fr.) von mehr als 1,0. Sie gibt die Geschwindigkeit eines Körpers relativ zu seiner Hüfthöhe an.

Tatsächlich sei der Wechsel bei den meisten Tieren schon ab etwa Fr. 0,5 zu beobachten, schreiben die Wissenschaftler - vermutlich wegen eines mechanischen Auslösers. Die Elefanten jedenfalls überschritten regelmäßig Fr. 1,0 und erreichten Werte von bis zu Fr. 3,4.
Biomechanische Analyse zeigt "Groucho-Rennen"
Zudem ergab auch die biomechanische Analyse der farbig markierten Gelenke, dass die Bewegungsabläufe der Elefanten sich bei hohen Geschwindigkeiten auf für das Laufen charakteristische Art und Weise verschoben hatten.

Das Massezentrum der Tier scheine dabei zu "hüpfen" und erfülle damit die biomechanische Definition des Rennens, heißt es in einer Aussendung der Stanford University zu der "Nature"-Publikation.

Demnach hat dieser Laufstil in der Biomechanik den Titel "Groucho-Lauf" erhalten - nach dem geduckten Gang des berühmten Groucho Marx von den Marx Brothers.
Weiter Untersuchungen sollen folgen
Normalerweise seien die verschiedenen Kriterien für das Gehen und Rennen konsistent - und würden somit die Unterscheidung relativ einfach machen, so die Biologen abschließend in "Nature".

Im Fall der Elefanten sei dies allerdings nicht der Fall. Um diese Frage endgültig zu klären, seien weiter Untersuchungen notwendig. Nach Angaben der Universität arbeitet man bereits an einer speziellen Plattform, die die auf den Boden ausgeübte Kraft der Tiere messen soll - bereits existierende Geräte sind schlicht zu fragil, um das Gewicht der Elefanten auszuhalten.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Stanford University Neuromuscular Biomechanics Lab
->   Thai Elephant Conservation Center
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01.01.2010