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Rätselraten um die Insel der Seligen - Atlantologie  
  Ob das sagenumwobene Atlantis jemals existierte, interessiert Atlantologen naturgemäß nicht mehr. Was sie beschäftigt, ist vielmehr die Frage, wo Atlantis gewesen sein könnte - im Mittelmeer, im Atlantik, in Südamerika oder doch in Ostfriesland?  
Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, wie oder warum Atlantis unterging: Durch eine Sintflut, ein Erdbeben oder beides? War es menschliche Hybris, wie Platon behauptete, oder eine indische Atombombe?

Die Probleme sind vielfältig, die Fragen schwer und der Hauptzeuge, eben Platon, bereits seit langem tot: Damit die Atlantologie als (Para-)Wissenschaft nicht auch noch ins Wasser fällt, ist sie auf Erkenntnisse aus Geologie, Archäologie, Ägyptologie, Geschichte und Mythenforschung angewiesen, die sie für ihre Zwecke re-interpretiert.
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Platon - ein unverbesserlicher Realist
Für Atlantologen beginnt die Interpretationsarbeit bei den Timaios und Kritias-Dialogen Platons (428-348). Das Thema der in diesen Dialogen erwähnten Atlantiserzählung ist aus der Sicht von Atlantologen keine Staatstheorie, sondern der älteste bekannte Hinweis auf die Existenz des untergegangenen Kontinents Atlantis -also ein realistischer, wörtlich zu nehmender Bericht.
->   Platon, Skulptur von Silanion um 370 v.Chr.
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Platon lässt in diesen Dialogen zunächst Sokrates (im Timaios) und später Kritias (im Kritias) von einer Insel "größer als Lybien (Afrika) und Asien zusammengenommen" berichten.

Atlantis sei Poseidon geschenkt worden und habe seinen mit einer sterblichen Frau gezeugten Nachkommen (unter ihnen auch Atlas, nach dem das Meer und die Insel benannt wurden) eine paradiesische Wohnstätte geboten: eine warme und eine kalte Quelle; fruchtbarer Boden, der zwei Ernten im Jahr ermöglichte; Gold - und Kupferminen, die den Reichtum der Atlanter begründeten.

Doch dann habe sich dieses Volk von den Göttern losgesagt, sich mit dem Sterblichen vermischt, sei in kriegerische Auseinandersetzungen mit den Athenern geraten, um schließlich (vor etwa 10.000 Jahren) durch ein Erdbeben und eine gewaltige Flutwelle ¿in einem Tag und in einer Nacht¿ vernichtet zu werden.
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Alles dahin?
"Nicht vollständig", behauptete 1882 Ignatius Loyola Donnelly (1831-1901), amerikanischer Bodenspekulant und Kongressabgeordneter, in seinem Buch "Atlantis, The Antediluvian World". Vielmehr hätten sich die Überlebenden in Ägypten angesiedelt und seien damit der Ursprung der menschlichen Kultur und Zivilisation. Donnellys Buch wurde ein Bestseller, zumal Heinrich Schliemann (1822-1890), der "Entdecker Trojas" die Öffentlichkeit seit 1870 mit sensationellen Ausgrabungsergebnissen aus Troja, Mykene, Ithaka, Orchomenos und Tiryns in Atem hielt.
->   Heinrich Schliemann
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Vier verschiedene Theorien
Folgt man Ulrich Magis, so existieren inzwischen etwa 20.000 Monographien zu Atlantis, und es lassen sich vier unterschiedliche aber gleichermaßen populäre Theorieströmungen innerhalb der Atlantologie ausmachen.

Die orthodoxe Variante vermutet Atlantis, wo es dem Namen nach auch hingehört, nämlich im atlantischen Ozean. Hinweise für die Richtigkeit dieser These liefert die Eiszeit, die vor etwa 22.000 Jahren begann.

Dem Golfstrom, der heute für ein mildes Klima in Westeuropa sorgt, habe sich damals ein mächtiges Hindernis in den Weg gestellt: Atlantis. Mit dem Untergang der riesigen Insel vor 12.000 Jahren sei auch die Eiszeit zu Ende gegangen und in der Formation, die wir als Azoren kennen, seien die kläglichen Überreste des Königreiches zu sehen.
Atlantis liegt im Mittelmeer
Eine andere Theorie wird von dem griechischen Geophysiker Angelos Galanopoulos vertreten: Er vermutet, dass die im Mittelmeer gelegene Insel Santorin (Thera) mit der versunkenen Atlantis identisch ist und korrigiert die philologische Platonforschung hinsichtlich der im Timaios überlieferten Zeitangabe des Untergangs: Platon habe nicht 9.000 Jahre vor seiner Zeit gemeint, sondern lediglich 900 Jahre.

Für die Zeit um 1.500 vor Christus ist nämlich ein Vulkanausbruch belegt, der die halbe Insel Thera zerstörte und zu einer Flutwelle führte, welche die Insel zu einem Teil im Meer versinken ließ.
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Südamerika?
Vertreter der ¿Südamerika-Hypothese¿, wie Jim Allan gehen demgegenüber davon aus, dass Platon sehr wohl zwischen Mittelmeer und Atlantik zu unterscheiden wusste. Er hat sich, dieser Hypothese entsprechend, lediglich in einem (unwichtigen) Detail geirrt: Atlantis ist nicht untergegangen, Atlantis ist Südamerika. Ausgrabungen von urzeitlichen Kanälen, die Existenz von Gold- und Kupferminen sowie das Klima in den bolivianischen Anden liefern für Jim Allan hinreichende Evidenz für diese These.
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Immer diese Nazi-Suppe
Weniger harmlos als diese Vermutungen ist sich dagegen das Interesse der Nationalsozialisten am Atlantis-Mythos: Die 1909 von Gustaf Kossina gegründete ¿Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte¿ bemühte die Atlantis-Saga für den Nachweis der Überlegenheit einer nordischen Kultur.

Die Germanen seien nicht im mindesten Barbaren gewesen, sondern vielmehr Nachfahren der atlantinischen Hochkultur. Die Gesellschaft berief sich dabei unter anderem auf den Begründer der Atlantologie Donnelly, der den Untergang von Atlantis bereits auf eine Art Kulturkampf zurückgeführt hatte.

Diese Tradition wurde nach dem zweiten Weltkrieg von dem schleswig-holsteinischen Pastor Jürgen Spanuth fortgesetzt, der Atlantis schließlich in der Nordsee ortete: Helgoland.
->   Atlantis?
->   Der Timaios-Dialog Platons:
->   Der Kritias-Dialog Platons:
->   Heinrich Schliemann-Museum in Ankershagen (Mecklenburg-Vorpommern)
->   Ignatius Loyola Donnelly ¿ Begründer der Atlantologie
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 Atlantis liegt im Atlantik

 Atlantis ist Thera

 Atlantis ist Südamerika

 Atlantis gibt es nicht

 Platon gibt es nicht

 Germanen können mit Messer und Gabel essen

 
Literatur
Literatur: Edgar Pierre Jacobs, Die Abenteuer von Blake und Mortimer, Band 7, Das Geheimnis von Atlantis, Hamburg (Carlsen).
 
 
 
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01.01.2010