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Das "Rodinia-Puzzle": Geheimnisvoller Superkontinent  
  Die Landmassen der Erde bildeten immer wieder einzelne Superkontinente - über den ältesten, genannt Rodinia, gibt es bis heute wenige gesicherte Daten. Doch schon im Präkambrium - lange bevor die Landmassen der Erde von Pflanzen und Tieren bevölkert wurden - bewegten sich die Erdmassen sehr viel aktiver, als man bislang angenommen hat: Neue Ergebnisse lassen nun auch Rodinia in neuem Licht erscheinen.  
In einem Überblicksartikel im US-Fachmagazin "Science" verweist Trond H. Torsvik vom Geological Survey of Norway in Trondheim auf neue paläomagnetische Daten, die auf ein deutlich früheres Auseinanderbrechen des "in geheimnisvolles Dunkel gehüllten Superkontinentes Rodinia" deuten, als man bislang angenommen habe.
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"The Rodinia Jigsaw Puzzle"
Der Artikel "The Rodinia Jigsaw Puzzle" ist erschienen in "Science", Bd. 300, Seiten 1379-1381, vom 30. Mai 2003.
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Immer wieder entstanden Superkontinente
Die heutige Lage der einzelnen Kontinente ist das Ergebnis von in erdgeschichtlicher Hinsicht jungen geologischen Veränderungen. Denn die Oberfläche der Erde ist in tektonische Platten aufgeteilt, die sich entweder auseinander bewegen und dabei neue ozeanische Krusten schaffen, oder kollidieren - wobei große Bergketten wie etwa das Himalaya-Gebirge entstehen.

Unser Planet hat allerdings längst nicht immer so ausgesehen, wie er sich heute zeigt: In den Jahrmillionen der Erdgeschichte haben sich die verschiedenen Kontinente laut Theorie in Abständen zu einzelnen Superkontinenten zusammengeschlossen - mit dramatischen Effekten auf Prozesse an der Oberfläche ebenso wie im Erdinneren.

Die Verteilung von Land- und Seemasse änderte sich, klimatische und biologische Bedingungen entstanden in Folge: Das gesamte Bild der Erde, wie wir sie heute kennen, war immer wieder extremsten Veränderungen unterworfen, deren Verständnis und Rekonstruktion in vielen Bereichen eine Rolle spielt.
Rodinia: "In geheimnisvolles Dunkel gehüllt"
Bild: Science/ Torsvik
Zu sehen ist hier nicht Rodinia, sondern Pangäa im späten Perm
"Während vieles über Pangäa, den jüngsten Superkontinent auf der Erde, bekannt ist, bleibt der frühere Superkontinent Rodinia in geheimnisvolles Dunkel gehüllt", schreibt nun der Geologe Trond H. Torsvik in "Science".

Es gebe einige Hinweise darauf, dass Superkontinente sich periodisch im Laufe der Erdgeschichte entwickelt hätten, so Torsvik. Und tatsächlich wurde die Existenz eines solchen riesigen Erdteils im Präkambrium (die Zeit von der Entstehung der Erde vor rund 4,6 Milliarden Jahren bis zum Beginn des Kambriums vor 545 Mio. Jahren) schon in den 1970er Jahren vermutet.

Viele Geologen bemerkten damals eine große Anzahl von Gebirgsketten gleichen Alters (1.300 bis 1.000 Millionen Jahre alt) - die sich alle auf verschiedenen Kontinenten befinden. In den frühen 1990er Jahren wurde der Name Rodinia für den daraus abgeleiteten Superkontinent übernommen.
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Pangäa und Co: Geschichte der Plattentektonik
Es ist keine hundert Jahre her, dass ein deutscher Meteorologe gehörigen Aufruhr in der Welt der Geologie verursachte: Alfred Wegener veröffentlichte 1915 seine Theorie über die "Kontinentalverschiebung". Er hatte bemerkt, dass etwa Brasilien sehr gut in die Einbuchtung Südwestafrikas passte - und argumentierte daher, die Erdteile seien einst ein einziger riesiger Kontinent gewesen: ein Superkontinent, den Wegener Pangäa nannte, umschlossen von einem Urozean namens Panthalassa.

Der Wissenschaftler erklärte das Phänomen zunächst mit Faktoren wie der Erdrotation oder der Anziehungskraft von Sonne und Mond. Wegeners Theorie wurde allerdings - ob der fehlenden Möglichkeiten, Kontinentalverschiebungen nachzuweisen - lange Zeit von der Mehrheit der Wissenschaftler abgelehnt. Erst nach der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ging seine Theorie in die Grundlagen der Plattentektonik ein.
->   Mehr Informationen in www.nationalacademies.org
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Alte Modelle: Statisch bis vor 700 Millionen Jahren
Die meisten Modelle der geheimnisvollen riesigen Landmasse versuchten, die erwähnten Bergketten einander anzupassen (siehe die Abbildung weiter unten im Text, linke Seite).

Angenommen wurde, dass die Geometrie von Rodinia nach seiner Formation statisch geblieben sei - bis zu seinem Auseinanderbrechen vor etwa 700 Millionen Jahren.
Neue paläomagnetische Daten zeigen anderes Bild
Die Grundlage für solche Modelle bildeten so genannte paläomagnetische Daten - die Untersuchung von Gesteinsmagnetismus. Diese älteren Daten werden allerdings durch neue paläomagnetische Informationen aus Australien in Frage gestellt, wie Torsvik schreibt.

Das Bild, das sich somit für Rodinia für die Zeit von vor 750 Millionen Jahren ergibt, sieht damit allerdings völlig anders aus (seihe Abbildung unten, rechte Seite). Der Planet sei weitaus dynamischer gewesen, als bislang angenommen, so Torsvik in "Science".
Rodinia vor 750 Millionen Jahren - "alt" und "neu"
 
Bild: Science/Torsvik

Links ein klassisches Modell des Superkontinentes vor rund 750 Millionen Jahren, rechts zu sehen das völlig andere Modell, das sich aus den neuesten Daten ergibt.

"Wenn Rodinia sich vor 1.100 bis 1.000 Millionen Jahren formierte, dann ereignete sich der Zerfall des Superkontinentes wahrscheinlich früher als vor 750 Millionen Jahren." Nach Torsviks Darstellung fand die Auflösung vielmehr schon vor 850 bis 800 Millionen Jahren statt.
Nach wie vor unpräzise Informationen
Doch noch immer sind die Informationen zu unpräzise, meint der Wissenschaftler. Neue paläomagnetische Studien seien dringend notwendig, um Licht auf die Evolution des Superkontinentes zu werfen.

"Solange gleichen unsere Anstrengungen einem Puzzlespiel, bei dem wir mit fehlenden und fehlerhaften Teilen kämpfen müssen und das Bild auf der Verpackung falsch dargestellt haben."

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Geological Survey of Norway
 
 
 
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01.01.2010