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Schwierige Diagnose: Chronischer Unterbauchschmerz  
  Etwa 15 Prozent der Frauen zwischen 18 und 35 Jahren leiden unter chronischen Unterbauchschmerzen. Obwohl das so genannte Chronic Pelvic Pain-Syndrom im angloamerikanischen Raum bereits als das häufigste Krankheitsbild bei Frauen gilt, wird eine Diagnose in der Regel erst nach sieben bis zehn Jahren gestellt. Der Ö1-Radiodoktor auf den Spuren eines komplexen Krankheitsbildes.  
60 Prozent der Betroffenen werden von Ärzten nicht ernst genommen, und die Beschwerden werden nicht selten als Zeichen einer "hysterischen" Persönlichkeitsstruktur gedeutet.
Mangel an spezialisierten Zentren
Während es in angloamerikanischen Ländern bereits eigene Spezialkliniken für Betroffene mit chronischen Unterbauchschmerzen gibt, sind hierzulande viele Ärzte unzureichend auf Frauen mit diesem Symptomkomplex vorbereitet.

"50 Prozent der Frauen konsultieren im Durchschnitt fünf Ärzte, bevor sie die richtige Diagnose erhalten", beschreibt Fritz Nagele von der Universitäts-Frauenklinik am AKH Wien die unerfreuliche Situation.
Schwierige Diagnose
"Grundsätzlich sollte bei der Diagnosefindung auch die gesamte Lebenssituation der Betroffenen miteinbezogen und ein möglicher Zusammenhang mit den Beschwerden bedacht werden", erklärt die Gynäkologin Bibiane Kalmar.

Dieses komplexe Beschwerdebild kann nur mit viel Geduld und unter Zusammenarbeit von Spezialisten mehrerer Fachrichtungen gelöst werden.
Ein Leben mit Schmerzen
Von chronischen Schmerzen sprechen Spezialisten dann, wenn diese länger als sechs Monate anhalten und mit psychischen und physischen Veränderungen einhergehen.

Meist kommt es im Laufe der Leidensgeschichte auch zu einer chronischen Medikamenteneinnahme und zu Problemen in Partnerschaft, Sexualität und Beruf.

Diese chronischen Schmerzen müssen nicht einfach nur ertragen werden, sondern haben einen medizinischen Ursprung.
Endometriose, die häufigste Ursache
Die möglichen Ursachen für chronische Unterbauchschmerzen sind vielfältig und reichen von Verwachsungen im Bauchraum über Erkrankungen des Bewegungsapparates, Störungen des Magen-Darm-Traktes bis hin zu psychischen Dauerbelastungen.

Als häufigste Ursache gilt jedoch die Endometriose. Dabei bilden sich Gebärmutterschleimhaut-Inseln außerhalb der Gebärmutter. Diese Versprengungen finden sich vor allem im Bauchfell, im kleinen Becken, an den Eierstöcken oder im Bereich der Gebärmuttermuskulatur. In selteneren Fällen können Endometrioseherde am Mastdarm, der Blase und sogar an der Lunge vorkommen.
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Die Endometriose
Das Endometrium ist jene Schleimhaut, die die Gebärmutterhöhle auskleidet und im Zuge der Regelblutung einmal pro Monat abgestoßen wird. Aus derzeit noch nicht geklärten Ursachen können sich Gebärmutterscheimhaut-Inseln auch außerhalb der Gebärmutter ansiedeln.

Diese Herde können, so wie die normale Gebärmutterschleimhaut, dem Zyklus unterworfen sein. Das bedeutet, dass es monatlich zu Blutungen dieser Endometrioseherde kommt. Je nach Lage dieser Herde kann es zu Schmerzen und Verwachsungen mit unangenehmen Folgen kommen. Die Endometriose tritt während der fruchtbaren Jahre auf und ist bei jeder zweiten bis dritten Frau mit unerfülltem Kinderwunsch der Grund für die Unfruchtbarkeit.
->   Mehr Information über Endometriose (Medizininfo)
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Die Symptome der Endometriose
Charakteristisch sind krampfartige Unterbauchschmerzen unmittelbar vor und während der Regelblutung.

Oft sind die Symptome auch unspezifischer: Regelunabhängige Schmerzen im Unterbauch, Kreuzschmerzen, Blutungsstörungen, Schmierblutungen und Stuhlprobleme wurden beobachtet.
Solche Symptome sollten Anlass zu weiterführenden Untersuchungen sein.
Größe der Herde höchst unterschiedlich
Paradoxerweise gibt es auch Frauen, die ausgedehnte Endometrioseherde aufweisen und keinerlei Beschwerden haben. Auch der umgekehrte Fall ist möglich, nämlich das Auftreten massiver Symptome, obwohl sich bei der Untersuchung nur mikroskopisch kleine Endometrioseherde nachweisen lassen.
Die Therapie der Endometriose
"Endometriose ist eine chronische Erkrankung und kann nicht geheilt, aber gut therapiert werden", erklärt der Fachmann Fritz Nagele. "Grundsätzlich muss sich die Therapie nach den Beschwerden und Bedürfnissen der Frauen orientieren und stützt sich auf drei Säulen: die Operation, Medikamente und die aktive Selbsthilfe."

Im Rahmen des endoskopischen Eingriffs können aber nicht nur Endometrioseherde zerstört werden. "Die Entnahme und Untersuchung von Gewebsproben während der Endoskopie ist auch die einzige Möglichkeit, eine gesicherte Diagnose zu stellen", erläutert Fritz Nagele.

Nicht immer gelingt es, die Herde völlig zu zerstören. In solchen Fällen steht eine ganze Reihe von Medikamenten zur Nach- und Weiterbehandlung zur Verfügung, wie z. B. Hormone, Schmerzmittel und Enzyme.
Die aktive Selbsthilfe
"Jede komplementär-medizinische Maßnahme, die der Frau hilft, ist zulässig und sollte auch in Anspruch genommen werden", appelliert Fritz Nagele. "Allen voran sollte auf die Ernährung geachtet werden. Dies bedeutet u.a. den Verzicht auf Genussmittel wie Alkohol, Nikotin oder Kaffee. Auch Übergewicht spielt eine wesentliche Rolle und sollte daher reduziert werden. Dies ist deshalb so wichtig, da das in den Fettzellen gespeicherte Östradiol, eine Vorstufe des Östrogens, kleinweise abgegeben wird und die Endometrioseherde nährt."

Weiters können Entspannungstechniken, Psychotherapie oder Massagen zum Wohlbefinden beitragen.

Martina Weigl und Christoph Leprich, Ö1 Radiodoktor
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Eine kostenlose Infomappe zur Sendung vom 14.7.2003 kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort: Chronische Unterbauchschmerzen, 1040 Wien oder per E-Mail.
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->   Österreichische Endometriose-Vereinigung
 
 
 
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01.01.2010