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Brain-Doping: Kreatin stärkt die Muskeln und den Geist  
  "Wer's nicht im Kopf hat, der hat's zumindest in den Beinen", sagt der Volksmund. Stimmt nicht ganz, meinen australische Wissenschaftler: Ihren Forschungen zufolge sind starke Muskeln und ein wendiger Intellekt kein Gegensatz. Denn die Substanz "Kreatin", bisher vor allem von Sportlern zur Leistungssteigerung eingenommen, hat auch auf das Gehirn ähnlich positive Effekte.  
So stellte das Team um Caroline Rea von der University of Sidney bei Testpersonen nach Kreatinzufuhr erhöhte Intelligenz- und Gedächtnisleistungen fest. Einen - sozialen - Nachteil hat der Turbo für die kleinen grauen Zellen allerdings: Der Stoff dürfte dem Körperduft offensichtlich eine gewöhnungsbedürftige Note verleihen.
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Die Studie "Oral creatine monohydrate supplementation improves brain performance: a double-blind, placebo controlled, cross-over trial" von Caroline Rae, Alison Digney, Sally McEwan und Timothy Bates wurde am 13. August 2003 im Rahmen des Online-Publikationsservices "FirstCite" der Royal Society veröffentlicht. Die Printversion erscheint am 22. Oktober 2003 in den "Proceedings of the Royal Society: Biological Sciences" (Band 270, Nr. 1529).
->   FirstCite
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Muskeln brauchen Energie, ATP liefert sie
Wenn Muskeln bewegt werden sollen, dann benötigt man dafür bekanntermaßen Energie. Diese wird im menschlichen Körper durch eine biochemische Einheitswährung, das "Adenosintriphosphat" (kurz: ATP), bereitgestellt.

Das Besondere an diesem Molekül sind die so genannten Phosphatbindungen, die sich durch ihre besonders hohe Bindungsenergie auszeichnen. Damit lassen sich viele chemische Reaktionen im Körper antreiben, in etwa so, wie ein und der selbe Wechselstrom alle Haushaltsgeräte in der Wohnung versorgt.
->   Mehr zur Energetik der Muskulatur (fachberatung-biologie.de)
Kreatin: Mobile Tankstelle in der Zelle
Natürlich steht ATP im Körper nicht unbegrenzt zur Verfügung. Wird es verbraucht, so verändert es sich zu seinem "kleinen Bruder", dem ADP (kurz für: "Adenosindiphosphat"). Dieses weist - vereinfacht gesprochen - den selben molekularen Bau auf, nur eben mit geringeren Energiereserven.

Für die kurzfristige Energiebereitstellung steht der Körper daher vor dem Problem, wie so schnell als möglich ATP regeneriert werden kann. Und hier tritt das Kreatin auf den Plan:

Kreatin hat ebenfalls die Fähigkeit, eine Phosphatbindung einzugehen und kann - im Bedarfsfall - seine Bindung an das ADP "abtreten": Worauf wieder das heiß begehrte ATP entsteht und neue energiezehrende Reaktionen stattfinden können.
->   Mehr zu Kreatin (gesundheit.de)
Substanz bei Kraftsportlern beliebt
Sportler machen sich diesen Umstand schon seit geraumer Zeit zu Nutze: Verwendet man Kreatin als Nahrungsergänzung, dann lagert sich dieses in der Muskulatur ab. Damit kann bei intensivem Training der Ermüdungszeitpunkt hinausgezögert werden, was natürlich ganz im Sinne von Leistungssportlern ist.

Allerdings nur im Schnellkraftbereich, für Ausdauersportler dürfte eine spezielle Kreatindiät sogar kontraproduktiv sein, da die Muskulatur durch erhöhte Wassereinlagerung schwerer wird.

Ganz unproblematisch ist die Substanz jedoch nicht: Bei längerfristigen und hochdosierten Anwendungen warnen Mediziner etwa vor möglichen Nierenschäden.
->   Risiken und Nebenwirkungen von Kreatin im Sport (gin.uibk.ac.at)
Auch Effekte im Gehirn
Soweit die physischen Wirkungen des Kreatins: Caroline Rae und ihre Kollegen von der Sidney University haben nun Hinweise dafür gefunden, dass das Molekül auch in psychischer Hinsicht Wirkungen entfalten kann.

"Wir wussten, dass das Kreatin eine entscheidende Rolle in der Aufrechterhaltung des Energieniveaus im Gehirn spielt", erklärt Rae: "Insofern war es eine vernünftige Hypothese anzunehmen, dass eine kreatinreiche Diät die Hirnfunktion unterstützen könnte."
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Zwei Arten von Tests durchgeführt
Um ihre Hypothese zu prüfen, führten die australischen Forscher zwei Arten von Tests durch: Zum einen Gedächtnisprüfungen, bei denen die Probanden zufällige Zahlenreihen in umgekehrter Reihenfolge wiederholen mussten. Zum anderen verwendeten sie die "Ravens Advanced Progressive Matrices", einen Mustererkennungstest, der zur IQ-Bestimmung eingesetzt wird.
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Verabreichte Dosis entspricht zwei Kilogramm Fleisch
Die Probanden bekamen je zwei mal sechs Wochen lang eine Tagesdosis von fünf Gramm Kreatin verabreicht, dazwischen lag eine eben so lange Pause. Die Dosis von fünf Gramm entspricht in etwa jener Menge, die in zwei Kilogramm Fleisch enthalten ist.
Signifikante Leistungssteigerung nachgewiesen
Die Ergebnisse der Studie sprechen für sich: Kreatin erhöht die "Brainpower" - zumindest kurzfristig - signifikant. Beispielsweise stieg der Gedächtniswert der Testpersonen infolge der speziellen Ernährung von 7 auf stattliche 8,5 Zahlen.

Das entspricht den Ergebnissen bisheriger Studien, in denen sich der Stoff etwa als nützlich gegen mentale Müdigkeit erwies.
Unerwünschter Nebeneffekt: Körpergeruch
Gegen wiederholten Kreatin-Genuss spricht indes ein Nachteil, der weniger den medizinischen, sondern eher den sozialen Bereich betrifft. "Um ehrlich zu sein, das Schlucken der Nahrungsergänzung kann aus jemandem eine erheblich weniger wohlriechende Person machen", umschreibt Rae das entscheidende Manko in einer Aussendung.

Im Gespräch mit science.ORF.at präzisiert sie: "Kreatin kann manchmal schlechten Atem und Flatulenz auslösen." Damit könnten Kreatin-Konsumenten ihre kurzfristige Intelligenzsteigerung mit vorübergehender Einsamkeit bezahlen müssen.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   University of Sidney
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01.01.2010