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Relativitätstheorie: Experiment bestätigt Einstein  
  Streng nach Einstein ist die Lichtgeschwindigkeit eine unveränderliche Konstante - und zwar völlig unabhängig vom Bezugssystem. Doch moderne Ansätze wie die "Stringtheorie" deuten auf gewisse Abweichungen hin. Der experimentelle Beweis allerdings steht noch aus - und wurde gerade eben erneut "verfehlt": Deutsche Physiker haben die Lichtgeschwindigkeit unter die Lupe genommen und mit bisher unerreichter Genauigkeit festgestellt: Einstein hatte Recht.  
Die Wissenschaftler um Achim Peters von der Arbeitsgruppe Optische Metrologie am Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin haben sich ganz spezieller Gerätschaft bedient, um mit höchster Präzision die Lichtgeschwindigkeit zu untersuchen.
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Der Artikel "Modern Michelson-Morley Experiment using Cryogenic Optical Resonators" von Achim Peters, Holger Müller, Sven Herrmann, Claus Braxmaier und Stephan Schiller ist erschienen in den "Physical Review Letters", Bd. 91 (doi:10.1103/PhysRevLett.91.020401, 11.7.03).
->   Abstract des Originalartikels in den PRL
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Das Problem mit der Geschwindigkeit
Nach der "klassischen Physik" gilt: Bewegt sich beispielsweise eine Kugel in einem zur gleichen Zeit auf Schienen rollenden Zug, so ist ihre Geschwindigkeit relativ zu den Schienen größer, als ihr Tempo relativ zum Zug.

Dies sollte für alle physikalischen Prozesse gelten, mithin also auch für das Licht bzw. für dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit.
"Äthertheorie": Unterschiedliche Lichtgeschwindigkeit
Ende des 19. Jahrhunderts war nun die so genannte "Äthertheorie" aktuell, wie der Physiker Achim Peters gegenüber science.ORF.at erläutert: Man wusste damals zwar noch nicht genau, wie sich das Licht ausbreitet, nahm aber bereits an, dass es sich um eine Welle handelte.

Alle anderen bekannten Wellen breiteten sich in einem Medium aus - beispielsweise Wasser. Daher lag es nahe, auch für das Licht ein solches ein Medium anzunehmen - der "Äther" wurde postuliert.

Die Erde aber dreht sich bekanntermaßen - im "Äther", wie man annahm. Demnach müssten Messungen der Lichtgeschwindigkeit unterschiedliche Werte ergeben, so die Theorie. "Je nachdem, ob das Licht sich etwa in Richtung der Erddrehung oder entgegen ihrer Rotation ausbreitet", so Peters Erklärung.
1881: Experimenteller Nachweis scheitert
An einen experimentellen Nachweis versuchte sich im Jahr 1881 Albert Michelson am Astro-physikalischen Institut in Potsdam - und musste zu seinem eigenen Erstaunen feststellen, dass der von ihm gemessene Wert der Lichtgeschwindigkeit völlig unabhängig von der Richtung gleich blieb.

"Nach dem verblüffenden Resultat seines ersten wiederholte Michelson es gemeinsam mit Edward Morley in Cleveand (Ohio) - mit dem dort bestätigten Nullresultat befand man die Äthertheorie für widerlegt", so Peters.

Die Pioniertat war namensgebend - so genannte Michelson-Morley-Experimente umfassen heute als Sammelbegriff alle Versuche, die die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht in verschiedene Richtungen betreffen, wie der Physiker weiter berichtet.
->   Mehr zum Michelson-Morley-Experiment (Uni Oldenburg)
Relativitätstheorie bricht mit klassischer Physik
1905 schließlich veröffentlichte Albert Einstein seine berühmte Spezielle Relativitätstheorie - und brach darin mit den Prinzipien der klassischen Physik: Demnach ist die Lichtgeschwindigkeit für alle Richtungen stets die gleiche - unabhängig von einer Bewegung der Strahlungsquelle oder des Beobachters.
->   Mehr zur Speziellen Relativitätstheorie (Universität Wien)
"Stringtheorie" geht von Verletzungen aus
Bis heute konnte Einstein nicht widerlegt werden - aber moderne physikalische Ansätze wie etwa die Quantentheorie der Gravitation, besser bekannt unter dem Begriff "Stringtheorie" - deuten zumindest theoretisch auf gewisse Abweichungen hin. Betroffen ist dabei auch die Lichtgeschwindigkeit.
Modernes Michelson-Morley-Experiment
Bild: Achim Peters
Herzstück des neuen Michelson-Morley Experiments: Vergoldete Halterung mit zwei optischen Resonatoren aus Saphir
Das Forscherteam um Achim Peters hat sich nun ganz spezieller Gerätschaft bedient, um das Problem experimentell zu untersuchen: Mit so genannten "Superspiegeln" - Zylindern aus einem einzelnen polierten Saphirkristall, wie der Physiker berichtet.

Diese optischen Resonatoren wurden auf frostige minus 269 Grad Celsius abgekühlt, um störende Materialänderungen zu vermeiden.

Die Physiker maßen nun in ihrem Experiment die Laufzeit eines Lichtstrahls, der etwa 100.000 Mal zwischen den zwei Spiegeln eines Resonators hin- und herreflektiert wurde. Dabei wurde laut Peters die Frequenz des Lasers exakt so eingerichtet, dass zwischen die jeweils zwei Spiegel eine ganze Zahl von Wellenlängen passte.
Vergleich zweier Resonatoren: Keine Schwankungen
Bild: Achim Peters
Verglichen wurden nun die Daten zweier senkrecht zueinander angeordneter Resonatoren, gemessen über eine Periode von knapp zwölf Stunden.

Der Ansatz der Wissenschaftler: Eine Verletzung der Relativitätstheorie müsste sich durch kleine Schwankungen der Messwerte bemerkbar machen - denn das gesamte Messsystem unterlag natürlich der Erdrotation.

Doch wie die Wissenschaftler in den "Physical Review Letters" berichten, konnte eine solche Schwankung nicht nachgewiesen werden. Mit anderen Worten: Einsteins Spezielle Relativitätstheorie wurde erneut bestätigt.
So präzise wie nie zuvor
Nach Angaben von Achim Peters ist das moderne Michelson-Morley-Experiment seiner Forschergruppe zudem das bislang präziseste überhaupt. Zuletzt sei 1979 ein solcher Versuch unternommen worden. Mit speziellen Materialen zwar, aber dennoch bei Raumtemperatur.
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Drehbewegungen stören die Messungen
Diese Materialien sind demnach zeitlich nur sehr begrenzt gegenüber dem alterungsbedingten Schrumpfen der Resonatoren geschützt - ein Versuch könne daher nicht über eine so lange Periode wie 12 Stunden laufen, erläutert Peters die Problematik. Den Physikern blieb demnach nichts anderes übrig, als ihre Versuchsanordnung einer schnellen Drehbewegung zu unterwerfen - dabei kommt es allerdings zwangsläufig zu Vibrationen und Schwankungen, was wiederum die Messung störe, so Peters.
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Einsteins Theorie hält stand - bis jetzt
Die Relativitätstheorie jedenfalls hält den Hochpräzisions-Messungen stand - bis auf weiteres zumindest. Denn immer neue Experimente werden sie auch in Zukunft auf die Probe stellen. In jedem Fall aber habe Einsteins Theorie ihren bisher härtesten Test unbeschadet bestanden, lautet das Fazit der Berliner Forschungsgruppe.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin
->   "Physical Review Letters"
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Verjüngungskur der Speziellen Relativitätstheorie (7.2.03)
->   Hatte Einstein unrecht? (31.5.02)
 
 
 
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01.01.2010