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Miniatur-Computerchips sollen Strichcode ersetzen  
  Der gute alte Strichcode soll schon bald von Miniatur-Computerchips abgelöst werden. Am 15. September startet in Chicago eine Konferenz, bei der der neue Standard beschlossen werden soll. Dass sich das System durchsetzt, daran zweifelt niemand: Im so genannten Auto ID Centre, das für die Entwicklung zuständig ist, sitzen neben Universitäten auch die weltweit größten Konzerne.  
Die kleinen Chips sollen vor allem Einsparungen in der Produktion bringen. Ware zerbricht, verdirbt oder wird gestohlen. Die dadurch entstehenden Kosten trägt natürlich der Kunde. Mit dem neuen System sollen Produkte mit einem virtuellen Logbuch überwacht - und so billiger werden.

Der Chip wird dabei jedes mal, wenn er an einer Messstelle vorbeikommt, abgefragt: Identifikationsnummer und zusätzlich abgespeicherte Daten werden dann in eine Datenbank übertragen.
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Auto ID Centre koordiniert die virtuellen Logbücher
Die Chips sollen so das Internet in die reale Welt verlängern. Denn alle gemessenen Dinge erzeugen eine exakte virtuelle Kopie. Diese Daten sind dann auch nicht mehr von mühsamen und fehleranfälligen Eingaben durch Menschenhand abhängig.

Das Auto ID Centre koordiniert die weltweiten Anstrengungen, möglichst rasch die virtuellen Logbücher einzuführen. Federführend ist dabei das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Weiters beteiligt sind die Universitäten in Cambridge, Adelaide, Keio in Japan sowie die europäische Zentrale an der Universität St. Gallen.
->   www.autoidcenter.org
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Tests bei einer großen Supermarktkette
In St. Gallen wird gerade bei einer großen Supermarktkette gestestet. Mit den Chips, die in jedem Lastwagen montiert sind, werden alle Bewegungen im Zentrallager überwacht. Ankommende und abfahrende LKWs müssen an der einzigen Zufahrt an einem Empfänger vorbei.

Hier wird neben der genauen Zeit auch die Temperatur erfasst. So kann überprüft werden, ob die Kühlkette lückenlos eingehalten wird. Zeigt ein Chip zu hohe Temperaturen an, können die entsprechenden Produkte automatisch aussortiert werden.
Bessere Qualität und geringerer Waren-"Schwund"
Bei frischen Produkten erhoffen sich die Entwickler eine Verbesserung der Qualität. Und bei teuren Waren soll mit dem neuen System der "Schwund" am Produktionsweg verringert werden.

Der Großteil der Diebstähle passiert nämlich nicht im Supermarkt, sondern bereits viel früher - wenn manchmal "ganze Laster verschwinden" - wie es einer der St. Galler Forscher ausdrückt.
Überwachung des Kundenverhaltens möglich
Die Forschung geht aber auch in andere Richtungen. Drei Hauptanwendungen sieht Elgar Fleisch, Leiter des Auto ID Centers in der Schweiz: "Ich glaube, dass die Produktionsüberwachung die wichtigste Anwendung ist. Das spart den Firmen schon sehr bald viel Geld, deshalb investieren die Konzerne."

Aber die Möglichkeiten gehen natürlich viel weiter, meint Fleisch. "Wir könne den gesamten 'Life Cycle' - also Lebenszyklus - eines Produktes überwachen. Das heißt: Funktioniert ein Produkt noch, ist ein Medikament abgelaufen, oder ist es sogar vielleicht defekt - wie etwa Autoteile? Die dritte Anwendung ist am kritischsten: Man kann Kundenverhalten überwachen und kontrollieren."
"Ungewöhnliches Kaufverhalten" = potentieller Dieb?
In den USA hat der Rasierklingenhersteller Gilette erst kürzlich einen solchen Test durchgeführt. "Verchipte" Klingen und ein intelligentes Regal überprüften, wie viele Klingen ein Kunde genommen hatte.

Hintergrund: Von den kleinen, aber relativ teuren Rasierklingen werden üblicherweise nur ein oder zwei Packungen gekauft. Nimmt man mehr Packungen zeigt man ein "ungewöhnliches" Kaufverhalten und ist: ein potentieller Dieb.

Bei dem Versuch wurden in so einem Fall - ohne Wissen des Kunden - Packungsanzahl und ein Photo des vermutlichen Diebes an die Kassa geschickt. Hier konnte man dann leicht die Ehrlichkeit des Kunden überprüfen werden.
Heftige Kritik von Datenschützern
Nach heftiger Kritik von Datenschützern und einem Artikel im "Guardian" wurde das Projekt eingestellt.

Elgar Fleisch: "Ich glaube, dass diese Dinge nicht zielführend sind. Man sollte sich bei den Anwendungen auf die Dinge konzentrieren, die machbar und sinnvoll sind. Es werden sich nur die Anwendungen durchsetzen, die der Kunde auch will."
->   "Guardian": Tesco tests spy chip technology
Doch: Weltgrößte Konzerne beteiligt
Sieht man sich die Struktur des Auto ID Centers an erscheint diese Aussage allerdings fraglich. Beteiligt sind hier die größten Konzerne der Welt, wie etwa Coca Cola, Pepsi, Tesco oder Walmart.

Besonders peinlich: Erst vor kurzem sind interne Dokumente ans Licht gekommen, die von "Beruhigung von Konsumenten" und anderen sonderbar formulierten Strategien für die Einführungsphase sprechen.
->   Die Dokumente in quintessenz.org
US-Firmen: Produktionseffizienz statt Datenschutz
Vor allem die amerikanischen Firmen halten Produktionseffizienz wohl höher als Datenschutz. Elgar Fleisch spricht sich deshalb auch für eine starke Stimme der Europäer aus:

"Wir können nicht zuerst den Kopf in den Sand stecken und dann sagen 'So wollen wir es nicht!'. Dass das System kommt ist klar - wie es aussieht, müssen wir jetzt mitbestimmen, sonst bekommen wir es von den Amerikanern vorgesetzt."
Neuer Standard ab 1. Jänner 2004
Bei der EPC-Konferenz in Chicago sollen neben dem relativ einfachen - aber wichtigen - Standard für das Nummernformat auch Regeln für die Übertragungsprotokolle und die Anwendungen beschlossen werden. Gelten soll der Standard für den Nachfolger des "Kommerz-Zebrastreifens" dann ab 1.1. 2004.

Ein Beitrag von Nikolaus Popper für die Sendung "Modern Times", am 5. September 2003 um 22.35 Uhr in ORF2.
->   Modern Times
->   Die Electronic Product Code (EPC) Konferenz
->   Massachusetts Institute of Technology (MIT)
 
 
 
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01.01.2010