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Wiener Physiker weisen Wellencharakter von Biomolekülen nach  
  Winzige Lichtteilchen, so genannte Photonen, sind das Lehrbuchbeispiel schlechthin: An ihnen lässt sich die so genannte Teilchen-Welle-Dualität zeigen. Im Prinzip können jedoch alle Teilchenarten so eine Vereinigung von Teilchen- und Welleneigenschaften aufweisen. "In der freien Wildbahn" verschwinden diese Welleneigenschaften aber mit zunehmender Größe des Objekts. Physikern der Universität Wien ist es nun im Laborversuch erstmals gelungen, auch für ein - im Vergleich zu den Photonen - großes Biomolekül den Wellencharakter nachzuweisen.  
Das betreffende Molekül "Tetraphenylporphyrin" kommt als Farbstoffträger etwa in Chlorophyll oder dem Blutfarbstoff Hämoglobin vor.

Mittels einer eigens dafür entwickelten Versuchsanordnung entlockten die Wiener Wissenschafter um Markus Arndt und Anton Zeilinger den Molekülen so genannte Beugungsmuster. Ihre Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin "Physical Review Letters" veröffentlicht.
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Der Artikel "Wave Nature of Biomolecules and Fluorofullerenes" von Lucia Hackermüller, Stefan Uttenthaler, Klaus Hornberger, Elisabeth Reiger, Björn Brezger, Anton Zeilinger und Markus Arndt ist erschienen in den "Physical Review Letters", Bd. 91, vom 29. August 2003 (doi: 10.1103/PhysRevLett.91.090408).
->   Abstract des Artikels in den "PRL"
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Teilchen-Welle-Dualität: Beispiel Licht
Lange bekannt und Lehrbuchbeispiel für die Teilchen-Welle-Dualität ist Licht. Dessen masselosen Photonen erscheinen einmal als Teilchen, verhalten sich also so, als wären es tatsächlich winzige Pünktchen, die mit Lichtgeschwindigkeit - wie sonst - durch die Gegend sausen.

Andererseits zeigen sie aber auch Wellencharakter, wobei sich die Lichtwellen entweder gegenseitig verstärken oder auch auslöschen können.

Am einfachsten nachvollziehbar ist die Wellen-Natur, wenn man einen Lichtstrahl durch einen Spalt schickt. Ist die Öffnung klein genug, entstehen auf einem Schirm dahinter so genannte Beugungsmuster, also helle und dunkle Bereiche.
Wellencharakter auch mit größeren Teilchen
Erst seit wenigen Jahren gelingt es Wissenschaftern auch mit größeren und massiven Teilchen den Wellencharakter experimentell zu zeigen. So erzeugten die Wiener Experimentalphysiker 1999 erstmals Beugungsmuster auch mit relativ großen Molekülen, nämlich den aus Kohlenstoff bestehenden Fullerenen.

60 Kohlenstoffatome hatten die Moleküle, mit denen der Größenrekord 1999 gelang. Dabei wurde ein sehr fein gebündelter Strahl von heißen Fullerenen auf ein Siliziumgitter gerichtet und das entstehende Beugungsbild dahinter mit einem Laserstrahl abgetastet und aufgezeichnet.
Neue Versuchsanordnung für Biomoleküle
Für die Biomoleküle musste nun wieder eine neue Versuchsanordnung ausgetüftelt werden, da die Laserabtastung im Falle der Biomoleküle nicht funktioniert, berichtete Lucia Hackermüller gegenüber der APA.

Das Porphyrin wurde für das Experiment verdampft und die Moleküle auf 160 Meter pro Sekunde beschleunigt. Anschließend passierten die Teilchen drei Goldgitter, ehe sie ionisiert und in einem Massenspektrometer aufgefangen wurden.
"Wellencharakter nachgewiesen"
"Wie auch schon bei den Fullerenen zeigten die Biomoleküle nach Passieren der Gitter eindeutig ein Beugungsmuster, somit konnte der Wellencharakter nachgewiesen werden", so die Wissenschaftlerin.
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Weiterer Rekord: Noch massivere Fullerene
In ihrer Veröffentlichung stellen die Wiener Physiker auch noch einen weiteren Rekord vor: Die C60-Fullerene, die schon 1999 eingesetzt wurden, erhielten noch 48 Fluor-Atome verpasst. Diese Gebilde sind zwar etwas kleiner als die Porphyrine, aber etwa doppelt so massiv und komplex wie die bisherigen Rekordhalter C70. Damit sind dies die massivsten Gebilde, für die der Nachweis des quantenmachanischen Wellencharakters gelang.
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Nächster Versuch an Proteinen

Wie weit sich das Spiel noch treiben lässt, wagt Hackermüller nicht zu sagen. "Wir werden uns demnächst auf jeden Fall an Proteinen versuchen", sagte die Physikerin.

Die Studien seien nicht nur von grundlagenphysikalischer, sondern auch von philosophischer Bedeutung. So galt die Teilchen-Welle-Dualität lange Zeit als ein Phänomen der Nanowelt, langsam kämpfen sich die Wissenschaftler nun aber in Richtung Makrowelt vor.
->   Institut für Experimentalphysik der Universität Wien
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010