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Affen haben einen Sinn für Gerechtigkeit  
  Auch Affen haben einen Sinn für Gerechtigkeit. Werden sie im Vergleich zu ihren Artgenossen ungerecht behandelt, reagieren sie trotzig und verzichten sogar auf Belohnungen, die ihnen sonst verlockend erscheinen, berichten amerikanische Wissenschaftler. Dieses Ergebnis aus Verhaltenstests deute darauf hin, dass nicht nur Menschen, sondern auch andere soziale Primaten Ungerechtigkeiten ablehnen.  
Ihre Ergebnisse präsentieren die Forscher von der Emory Universität in Atlanta (US-Bundesstatt Georgia) in einem Artikel im aktuellen Fachmagazin "Nature".
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Der Artikel "Monkeys reject unequal pay" von Sarah F. Brosnan & Frans B. M. de Waal erschien im Fachmagazin "Nature" (Band 425, S. 297-9, Ausgabe vom 18.9.03).
->   "Nature"
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Gurke und Weintraube - experimentelle Ungerechtigkeit
Für ihre Versuche trainierten Sarah Brosnan und Frans de Waal von der Emory Universität in Atlanta (US-Bundesstatt Georgia) zunächst Kapuzineraffen (Cebus apella) darauf, Spielsteine gegen ein Stückchen Gurke einzutauschen.

Um den Gerechtigkeitssinn der Affen auf die Probe zu stellen, erhielt einer von zwei Affen dann für einen Spielstein statt der Gurke eine viel begehrtere Weintraube.
Verweigerungshaltung als Reaktion
Bild: Frans de Waal, Emory University
Kapuzineraffen beim Teilen von Nahrung
Beobachtete der andere Affe diese ungerechte Behandlung, weigerte er sich danach, seinen eigenen Spielstein einzutauschen oder verschmähte nach dem Tausch trotzig die kulinarische Belohnung.

Diese "Verweigerungshaltung" wurde noch ausgeprägter, wenn der Versuchsleiter dem einen Affen eine Weintraube gab, ohne dass dieser irgendetwas dafür tun musste.

Die Empörung der benachteiligten Affen ging soweit, dass sie gelegentlich sogar den Spielstein oder die Belohnung aus der Versuchskammer warfen.
Anwesenheit der Artgenossen entscheidend
Besonders erstaunlich sei, dass die Tiere freiwillig auf eine Leckerei verzichteten, die sie sonst unter fast allen denkbaren Umständen ohne Zögern akzeptierten, schreiben die Wissenschaftler.

So verlief der Tauschhandel meist ohne Probleme, wenn die Forscher einem Affen ein Stück Gurke statt einer ebenfalls sichtbaren Weintraube anboten, während kein weiterer Affe in der Versuchskammer anwesend war. Dies zeige, dass die Tiere ihre eigene Belohnung mit der anderer verglichen.
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Biologie der Kapuzineraffen
Kapuzineraffen leben in den Regenwäldern Mittel- und Südamerikas, sind ausgesprochene Baumbewohner und besitzen einen Greifschwanz. Ihre Ernährung ist vielseitig (Früchte, kleine Reptilien, Vögel, gelegentlich Kleinsäuger). Kapuzineraffen erreichen eine bemerkenswert hohes Lebensalter (bis 47 Jahre) und zeichnen sich durch ein für Affen ihrer Größe ungewöhnlich großes Gehirn aus (bis über 80 g). Sie leben in Gruppen von meist zehn bis 30 Individuen, denen üblicherweise mehrere erwachsene Männchen, mehrere erwachsene Weibchen sowie deren Junge angehören.
->   Mehr zu Kapuzineraffen (University of Michigan)
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Gerechtigkeitssinn nicht nur bei Menschen
Brosnan und de Waal diskutieren die Ergebnisse auch in einem weiteren Kontext, nämlich der Evolution der Kooperation: Grundsätzlich geht man davon aus, dass der "Sinn für Gerechtigkeit" eine universelle menschliche Eigenschaft darstellt.

Dies kommt z.B. im so genannten Modell der rationalen Wahl ("rational choice model") zu tragen, im Rahmen dessen die Entstehung von kooperativem Verhalten erklärt wird. Andererseits ist der Mensch nicht die einzige Art, die sich kooperativ verhält.

Die Resultate der Studie weisen nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass der Gerechtigkeitssinn eine - naturgeschichtlich - relativ alte Errungenschaft sei. Das heißt, er entstand vermutlich bevor menschliche Gesellschaften die Bühne der Evolution betraten.
->   Website von Sarah Brosnan (Emory University)
->   Website von Frans de Waal (Emory University)
Mehrzu diesem Thema in science.ORF.at
->   Soziale Verhaltensweisen bei Kapuzineraffen (14.4.03)
->   Kooperation: Fairness und Vertrauen wird belohnt (14.3.03)
->   Neue Forschungen über kooperatives Verhalten (15.1.03)
 
 
 
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01.01.2010