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Barrieren der Forschung überwinden  
  Seit EU-Kommissar Busquin erstmals die Schaffung eines europäischen Forschungsraums in Analogie zum Binnenmarkt angeregt hat, sind fast drei Jahre vergangen. Wie der Forschungsexperte Erich Prem in einem Gastbeitrag für science.ORF.at darstellt, ist aus dieser Idee inzwischen eine der einflussreichsten europäischen Wissenschaftspolitiken geworden, die hohe Anforderungen an nationale Innovationssysteme und ihre Akteure stellt.  
Herausforderungen für Österreich im EU-Forschungsraum
von Erich Prem, Manager des Technologieprogramms FIT-IT des BMVIT

Ziel des europäischen Forschungsraumes ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der europäischen Forschung. Dieses Ziel soll durch Vernetzung der Akteure, den Ausbau von Humanressourcen, der Stärkung der betrieblichen Forschung und durch eine Erneuerung der Beziehung von Wissenschaft und Gesellschaft erreicht werden.
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Enquete: "Forschung in/für Europa"
Österreichs Chancen und Perspektiven. Veranstalter sind die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (bm:bwk), das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) und der ORF/Ö1.

Veranstaltungsort: ORF RadioKulturhaus, Argentinierstrasse 30 A, 1040 Wien. Beginn: 16.30 Uhr, Eintritt frei.

Auskünfte und Anmeldung: symposien@orf.at
->   Näheres zur Enquete "Forschung in/für Europa"
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Nationale Aktivitäten im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt steht jedoch die Koordination nationaler Aktivitäten. Im neuen europäischen Forschungsraum sollen nationale Mittel, Programme und Politiken in Europa besser aufeinander abgestimmt werden als bisher.

Zusätzlich bedarf ein Europäischer Forschungsraum auch der Koordination von anderen Politikbereichen mit jenen von Forschung und Wissenschaft.
Forschungsausgaben: Europa abgeschlagen
Im Wettbewerb forschender Volkswirtschaften steht es nicht gut um Europa. Die USA investierten allein im Jahr 2000 ca. 288 Mrd. Euro, die EU nur 164 Mrd.

Der Abstand der Investitionen Europas in F&E zu den USA hat sich damit von 1994 bis zum Jahr 2000 verdoppelt. Angesichts eines Anteils des Forschungs- und Technologiebereiches von 25 bis 50 Prozent am Wirtschaftswachstum sind solche Zahlen alarmierend.
Mittel optimal einsetzen
Nicht zuletzt aufgrund der Budgetsituationen der meisten europäischen Länder ist ein Schließen dieser Lücke durch bloße Finanzierungsaktionen der Mitgliedsstaaten selbst nicht zu erwarten. Der einzige Ausweg erscheint - neben Versuchen, die Ressourcen zu erhöhen - ein optimaler Mitteleinsatz.
Zersplitterung der Mittel
15 - und demnächst 25 - Mitgliedsstaaten der EU haben eigene Fördersysteme mit eigenen Instrumenten, Politiken und Akteuren entwickelt. Neben gesamtstaatlichen Programmen existieren in vielen Ländern noch regionale Strukturen. So haben etwa fast alle österreichischen Bundesländer auch eigene Förderprogramme.

Bisher werden nur wenige Forschungsmittel auf europäischer Ebene koordiniert. Dies geschieht etwa in den Rahmenprogrammen für Forschung der Union oder bei supranationalen Aktivitäten wie COST, EUREKA, ESA, der European Science Foundation oder CERN. Die meisten dieser Aktivitäten haben sind jedoch auf enge thematische Bereiche beschränkt.
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6. EU-Rahmenprogramm: 17,5 Mrd. Euro
Das derzeitige 6.Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung hat ein Budget von ca. 17,5 Mrd. Euro für den Zeitraum von 2002 bis 2006. Ingesamt wurden in Europa aber allein im Jahr 2000 164 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung investiert.
->   Der Europäische Forschungsraum
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Ziel: Verbesserte Koordination der Mittel
Ein vorrangiges Ziel des Europäischen Forschungsraumes ist die verbesserte Koordination vorhandener Mittel in Europa, um im Wettbewerb mit anderen Ländern bestehen zu können.

Bei dieser Koordination geht es nicht nur um die Schaffung von Schwerpunkten und die Vermeidung von Ineffizienzen, sondern vor allem um die Abstimmung der Aktivitäten der Mitgliedsstaaten und die Öffnung der nationalen Programme für Teilnehmer aus der EU.
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ERA-NET: 24 Mio. Euro
Das ERA-NET Programm der EU Kommission stellt im Jahr 2003 etwa 24 Mio. Euro für die Abstimmung nationaler Forschungsaktivitäten der Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Die Mitgliedsstaaten sind eingeladen, gemeinsam Projekte vorzulegen, die von Informationsaustausch, ministeriellen Abstimmungsgesprächen bis zur Durchführung von Pilotaktionen reichen, bei denen nationale F&E-Programme grenzüberschreitend fördern.
->   Informationen über ERA-NET beim BIT
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Österreich: Öffnung notwendig
Die gegenseitige Öffnung der Forschungsbereiche innerhalb des ERA-Programms macht die Mitwirkung Österreichs an Aktivitäten bei ERA-NET zu einem heute noch vielfach unterschätzten Problem für den einzelnen österreichischen Forscher.

Mittelfristig wird die Finanzierung des österreichischen Anteils eben auch von der Teilnahme Österreichs an möglichst vielen, qualitativ hochwertigen, grenzüberschreitenden Programmen abhängen.
Instrumente und Personen
Dank einer fundierten langjährigen Arbeit vieler Informationsvermittler sind Österreicher als Wissenschaftler und Manager in europäischen Projekten und Programmen stark repräsentiert. Wer im neuen europäischen Wissenschaftskonzert der Koordination der Forschung aber mitspielen möchte, braucht neben gut vernetzten und informierten Akteuren vor allem ein gutes Instrumentarium.

Österreich verfügt zwar über gut positionierte funktionierende Förderstrukturen, doch deren Fördertätigkeit war in der Vergangenheit nicht immer thematisch fokussiert. Gerade die beiden großen Fonds des Landes haben den Schwerpunkt in einer - für ein kleines Land sicher angebrachten - projektorientierten Förderung gesetzt. Erst in jüngster Zeit hat sich ein belebtes - und häufig kritisiertes - Biotop an thematischen Programmen etabliert.
Passende nationale Programme sind von Vorteil
Auf europäischer Ebene - sei es im Bereich der Europäischen Kommission oder der Mitgliedsstaaten - wird bei Kooperation aber oft zuerst einmal an gemeinsame Themen gedacht.

So sind die heute bestehenden ERA-Projekte häufig thematisch fokussiert, z. B. auf spezielle Teilbereiche der Informations- oder Biotechnologie. Wer keine solchen nationalen Programme vorweisen kann, darf zwar vielleicht einmal mitmachen, muss aber oft versprechen, abgestimmte thematische Programme zu entwickeln. Wer aber Programme in den "richtigen", d.h. international attraktiven Bereich hat, ist in der Lage, selbst seine Aktivitäten und Partner zu bestimmen.
Autonome Strukturen
Angesichts der Komplexität europäischer Projekte und der Vielzahl möglicher Koordinationsthemen verlangt ein Erfolg Österreichs im europäischen Forschungsraum auch, dass eine Vielzahl von Akteuren mitwirken kann. Neben den richtigen Programmen mit den jeweils aktuellen Themen ist es notwendig, dass die Programmeigner rasch und effizient über ihre Kooperationen entscheiden können.

Wer für jede solcher Abstimmungsaktivitäten erst durch alle Instanzen einer Ministerialbürokratie gehen muss, wird wohl vom Leben bestraft werden. Die vielfach autonomen Strukturen der Fonds und einiger Programme haben Österreich in diesem Punkt einen wichtigen Startvorteil verschafft.
Starke Forschungspolitik
Die vielleicht dramatischste und am meisten unterschätzte Herausforderung des europäischen Forschungsraumes stellt die Etablierung einer wirklich eigenständigen Forschungspolitik dar.

Österreichische Forschungsprogramme - insbesondere die Schwerpunktaktionen der Ministerien aber auch der Bundesländer - legitimieren ihre wissenschaftlichen Aktivitäten zumeist primär aus wirtschaftlicher Sicht. Gerade im Bereich der Forschungsförderung an Unternehmen stehen ökonomische und volkswirtschaftliche Fragen im Vordergrund.

In letzter Konsequenz verlangt ein "Binnenmarkt für Forschung" (Busquin) aber eine klaren Trennung von nationaler Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik.

Wer will, dass seine Forscher ausreichend Mittel zur Verfügung haben, darf nicht lange fragen, ob jeder "österreichische" Forschungseuro auch in Österreich bleibt. Und er wird auch nicht vermeiden können, dass manch österreichisches Ergebnis in einem anderen Mitgliedsstaat vermarktet wird - so wie es auch umgekehrt möglich sein wird. Dies genau ist das Risiko, aber eben auch die Chance eines wirklich europäischen Raumes der Forschung.
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Über den Autor
Erich Prem (MBA) ist diplomierter Wirtschaftstechniker und Leiter der Fa. Eutema. Derzeit managt er im Auftrag des BMVIT das Technologieprogramm FIT-IT. Prem ist häufiger Evaluator von EU-Projekten für die Europäische Kommission und war von 1999 bis 2001 Experte Österreichs für das IST-Programm der EU. Prem ist Informatiker und als Wissenschaftler am Österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence tätig. Zuvor war er Gastforscher am Massachusetts Institute of Technology (USA). Er ist Autor von mehr als 40 wissenschaftlichen Publikationen und hat an zahlreichen internationalen Forschungsprojekten als Wissenschafter oder Projektmanager mitgewirkt.
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->   Europäische Forschung auf den Seiten des BMBWK
->   "Towards a European Research Area" - Mitteilung der Kommission (Pdf)
->   Technologieprogramm FIT-IT
->   Österreichisches Forschungsinstitut für Artificial Intelligence
->   Massachusetts Institute of Technology
->   Diskussion um "Technik als Religionsersatz" (Erich Prem)
 
 
 
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01.01.2010