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Patienten erstmals mit Pulver-Kunstblut behandelt  
  Schwedische Ärzte haben eine Gruppe von Patienten erstmals und erfolgreich mit künstlichem Blut behandelt. Es wird aus einem Pulver hergestellt, das aus den roten Blutkörperchen von Spenderblut gewonnen wird und sich mehrere Jahre lang aufbewahren lässt. Bei Bedarf - etwa bei einem Verkehrsunfall - wird das Pulver mit Flüssigkeit angerührt und kann dem Patienten ohne vorherigen Blutgruppentest zugeführt werden.  
"Wenn das wirklich durchgehend funktioniert, dann ist die Menschheit einen großen Schritt vorwärts gekommen", sagte Pierre LaFolie, Chefarzt der Karolinska-Klinik in Stockholm, an der die Versuche unternommen wurden, am Mittwoch im schwedischen Rundfunk. "Das ist wie die Landung auf dem Mond."
Bisher an acht Patienten getestet
Dem Arzt zufolge kann dadurch wertvolle Zeit gespart werden. Innerhalb von einer Stunde müsse das Wichtigste geschehen sein, betonte LaFolie laut Nachrichtenagentur AFP. "Deshalb glaube ich, dass dieses künstliche Blut für die Menschen so wichtig ist."

Das Kunstblut wurde von Wissenschaftlern in den Vereinigten Staaten entwickelt und bisher an acht Patienten in Stockholm getestet.
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Polymerosome: Der Hintergrund von Blut-Pulver
An der Entwicklung von künstlichem - und lagerungsfähigem - Blut in Pulverform arbeitet ein Forscherteam um Daniel A. Hammer von der University of Pennsylvania seit Jahren. Er bedient sich dabei so genannter Polymerosomen - künstliche Zellstrukturen, deren chemisches Verhalten nach Belieben verändert werden kann.

Er betreibt seine Forschungen in Kooperation mit der NASA, die Interesse an lagerfähigem sowie gewichtsreduziertem Blutersatz hat. Denn: Übergepäck ist in der bemannten Raumfahrt naturgemäß streng verboten.
->   Mehr dazu in: Künstliches Blut nach dem "Packerlsuppen-Prinzip" (4.6.03)
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Keine Abstoßungserscheinungen
"Es hat kein Anzeichen dafür gegeben, dass das Blut abgestoßen wird", sagte der Leiter der Untersuchung, Bengt Fagrell, der schwedischen Nachrichtenagentur TT.
Auch Kuhblut möglich
Aus ethischen Gründen würden derzeit Blutkörperchen von menschlichem Blut zur Herstellung des Pulvers verwendet - möglich sei das aber mit Blut von jedem Säugetier, "wie zum Beispiel Blut von der Kuh", betonte Fagrell.
Gute Sauerstoffzufuhr, aber kein Vollersatz
Entscheidend beim Einsatz des künstlichen Blutes ist vor allem seine Fähigkeit, das Sauerstoff bindende Hämoglobin aus den roten Blutkörperchen zu den Organen zu transportieren und dort wieder abzugeben. So ist etwa bei einem Unfall mit hohem Blutverlust die Sauerstoffversorgung gefährdet, weshalb Blutkonserven zugeführt werden müssen.

Nach Angaben der AFP transportiert das Kunstblut Sauerstoff besser als echtes Blut durch den Körper, was den Körper auch bei Herzinfarkten unterstützen könne. Allerdings fehlen ihm laut Wissenschaftlern auch wichtige Eigenschaften des Eigenblutes, sodass es dieses nicht vollständig ersetzen könne.
Skeptische Experten
Deutsche Experten räumten zwar ein, dass die Herstellung künstlichen Blutes ein großer Fortschritt wäre, äußerten sich aber skeptisch. Nach Einschätzung von Peter Heimer, der beim Deutschen Roten Kreuz für das Blutspendewesen zuständig ist, wird es auch in den nächsten zehn Jahren kein einsetzbares künstliches Blut geben.

Es gebe immer wieder Erfolgsmeldungen, die später aber stets revidiert würden. Bisher sei es nicht möglich gewesen, einen langlebigen Sauerstoffträger zu finden. Wenn es aber gelinge, das Blut länger haltbar zu machen, "würden wir Dankesschreie ausstoßen", sagte Heimer.
->   Karolinska-Klinik
 
 
 
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01.01.2010