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"Super-DNA" mit verbesserten Eigenschaften konstruiert  
  "Nichts ist perfekt - alles kann verbessert werden": Dieses Credo aller Fortschrittsgläubigen haben nun amerikanische Forscher auf die Genetik angewandt. Sie konstruierten eine neue Form der guten alten DNA. Das modifizierte Erbmolekül mit dem Namen xDNA weist einige Vorteile gegenüber seinem "Vorläufermodell" auf: Es ist hitzestabiler und besitzt außerdem mehr Buchstaben, mit denen sich - theoretisch - mehr Information speichern ließe.  
Diese Vorzüge könnten jedoch allenfalls in künstlichen Lebensformen der Zukunft zum Tragen kommen, da das Molekül nach Maß nicht im genetischen Apparat heute lebender Zellen funktionieren würde. Eine praktische Anwendung gibt es indessen jetzt schon: Die xDNA fluoresziert und könnte in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden.
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Der Artikel "A Four-Base Paired Genetic Helix with Expanded Size" von Haibo Liu, Eric T.Kool und Mitarbeitern erschien im Fachmagazin "Science" (Band 302, S.868-71, Ausgabe vom 31.10.03).
->   "Science"
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Die Evolution verfährt konservativ
In der Kfz- oder Computer-Branche ist das "Prinzip Fortschritt" allgegenwärtig. Neue Modelle können meist mehr als ihre Vorläufer, und billiger sind sie in der Regel auch.

Im Vergleich dazu verfolgt die Bio-Evolution eine durchaus konservative Strategie. Was sich einmal bewährt hat, wird beibehalten, konstruktive Änderungen sind zwar möglich - aber nur unter Einschränkungen.

Das liegt unter anderem daran, dass die Evolution eben nicht kurzfristig das Schild "Wegen Umbau geschlossen" aushängen kann. Das heißt, wie rasant die evolutiven Änderungen auch verlaufen mögen, die Zwischenformen müssen immer lebensfähig bleiben.
Einmal DNA, immer DNA
Ein bekanntes Beispiel dafür ist der genetische Apparat: Sieht man einmal von gewissen RNA-Viren bzw. -Phagen ab, greifen sämtliche Lebewesen auf die DNA als Erbmaterial zurück.

Ebenso der genetische Code: So gut wie alle Lebensformen übersetzen die Buchstaben der DNA nach dem selben Schema in Proteine. Die wenigen Ausnahmen, die es hier gibt, sind als absolute Exoten zu bezeichnen.
Das Erbmolekül verbessern
Gleichwohl bedeutet das nicht, dass nicht auch die DNA in der einen oder anderen Weise verbesserungswürdig ist, sagte sich eine Arbeitsgruppe um Eric T. Kool von der Stanford University.

Versuche in diese Richtung hatte es bislang zwar schon einige gegeben, diese bezogen sich allerdings auf den biologisch "langweiligen" Teil der DNA, nämlich deren chemisches Rückgrat.
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Die interessanten Bauteile; A, T, G und C
Viel interessanter sind in gewisser Weise die anderen DNA-Bauteile, die vier Nukleotidbasen Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C): "Es sind die Basen, wo die relevanten Vorgänge ablaufen", erklärt Eric T. Kool. Das heißt im Klartext: Diese Moleküle sind die Buchstaben im genetischen Alphabet und mittels deren Abfolge wird die eigentliche biologische Information gespeichert.
->   Mehr dazu (Wikipedia.org)
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Chemische Modifikation vorgenommen
 
Bild: Stanford University

Kool und seine Mitarbeiter veränderten nun die zwei genetischen Buchstaben A und T, indem sie eine Benzolgruppe in deren Molekülgerüst einfügten. Das hatte zur Folge, dass diese breiter wurden, allerdings ohne ihre Fähigkeit zur typischen Basenpaarung zu verlieren.

Unter natürlichen Bedingungen bilden die Paare A-T und G-C nämlich Wasserstoffbrücken aus, was die Voraussetzung für die räumliche Form der DNA - zwei spiralig gewundene, gegenläufige Einzelstränge - darstellt.
Künstliche Basen können Helix ausbilden
Das war bei den neuen, modifizierten Buchstaben "xA" und "xT" auch der Fall: Sie bildeten die Paare xA-T und xT-A.

Interessanter Weise blieb trotz dieser Abänderung auch die Doppelhelixstruktur erhalten, wenngleich das neue DNA-Molekül eine um etwa 20 Prozent erhöhte Breite im Vergleich zur klassischen, von Watson und Crick entdeckten Konformation aufwies.
xDNA ist hitzestabiler ...
Aus diesem Grund wurde die neue DNA von den Forschern auch mit dem Namen "xDNA" (von "expanded") versehen.

Die Strukturänderung hat indessen auch handfeste physikalische Konsequenzen. Wie Tests mit kurzen Sequenzstücken ergaben, ist die xDNA um durchwegs 30 Grad Celsius hitzestabiler als ihr natürliches Vorbild.
... und fluoresziert
Bild: Stanford University
Außerdem weist sie eine besondere Eigenschaft auf, die ebenfalls von ihrem erhöhten Umfang herrührt: Die xDNA gibt unter gewissen Bedingungen UV-Licht ab, das leicht unter dem Mikroskop nachgewiesen werden kann.

Wie Kool spekuliert, "könnte es auch sein, dass jedes einzelne Basenpaar fluoresziert. Das bedeutet, dass jedes Basenpaar seine Farbe oder Lichtintensität ändert, wenn es auf einen komplementären Strang natürlicher DNA oder RNA trifft."
Anwendungen in der medizinischen Biopsie
Sollte sich das bewahrheiten, ergäben sich vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten, etwa bei der Biopsie: In der medizinischen Praxis "braucht man schnelle und sichere Typisierungen von Zellen. Ich glaube, dies über die Farbeigenschaften zu tun, wäre ein interessanter Ansatz", so Kool:

"Man müsste nur dünne Gewebestücke mit den Molekülen färben, unter ein Mikroskop legen - und sagen: Ah! Dieser Tumor hat jene Mutation, daher wissen wir, welche Medikamente wir zu seiner Behandlung brauchen."
xDNA funktioniert nicht in lebenden Zellen
Die modifizierte DNA wirft natürlich die interessante Frage auf, inwieweit dieses Erbmolekül auch in lebende Zellen integriert werden könnte: "In Lebewesen auf der Erde würde dieses DNA-Molekül sicher nicht funktionieren", schränkt Kool ein:

"Es ist einfach zu groß. Aber trotzdem könnte es eines Tages das genetische Material für eine neue Form des Lebens sein." Das ist jedoch noch reine Spekulation. Nächstes Ziel der Forscher ist jedenfalls, auch bei den anderen Basen - G und C - solche modifizierten Varianten herzustellen.
Zukunftsmusik: Acht statt vier genetische Buchstaben
Sollte dies gelingen, dann stünden dem genetischen Alphabet acht statt bisher vier Buchstaben zur Verfügung. Wie die Autoren in ihrem Artikel - freilich rein theoretisch - feststellen, ließen sich damit ungleich mehr Informationen speichern.

Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass es dafür wohl auch maßgeschneiderter Enzyme, Zellorganellen u.v.m. bedürfte: Denn Information, die nicht im Zellstoffwechsel umgesetzt wird, ist genau genommen gar keine biologische Information.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Website der "Kool Group" an der Stanford University
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   DNA-Reparatur: Wenn "Notfall-Spezialisten" eingreifen (12.9.03)
->   Dominoeffekt im Erbgut von Fruchtfliegen (10.9.03)
->   Alles zum Stichwort DNA im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010