News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Studie: Enormer Schadstoffausstoß durch die Schifffahrt  
  Die Menge an klimaschädigenden Schadstoffen, die jährlich durch die internationale Schifffahrt in die Atmosphäre geblasen wird, beträgt laut neuesten Schätzungen etwa das Doppelte der bislang angenommenen Werte. Wenn diese Zahlen tatsächlich stimmen, so müssten sämtliche Klimamodelle angepasst werden. Und auch die Frage, wie sich die maritimen Emissionen auf das Leben an Land auswirken, erhält neue Aktualität.  
Jedes Jahr stoßen die auf den Weltmeeren umher fahrenden Tanker, Containerschiffe und Fischdampfer so viele Stickoxide aus, wie sie die gesamten Vereinigten Staaten im gleichen Zeitraum mit all ihren Industriezweigen freisetzen.

So lautet das Ergebnis einer Studie von James Corbett vom College of Marine Studies der University of Delaware in Newark, wie in "Nature Science Update" berichtet wird.
...
Der Artikel "Updated emissions from ocean shipping" von James Corbett und H.W. Koehler ist erschienen im "Journal of Geophysical Research: Atmospheres", Bd. 108, Seiten 4650 ff., vom 29. Oktober 2002 (doi:10.1029/2003JD003751).
->   Abstract des Artikels (www.agu.org)
...
Stickoxide und ihr Beitrag für die Umwelt
Stickoxide (NOx) tragen beträchtlich zur Verschmutzung der Umwelt bei - mit Regenwasser bilden sie Salpetersäure als wichtigen Bestandteil des "sauren Regens". Unter Sonneneinstrahlung wiederum sorgen sie zusammen mit Kohlenwasserstoffen für die Produktion von Ozon.

Unangenehm ist auch ihre Wirkung auf den Menschen: Stickoxide greifen die Schleimhäute der Atmungsorgane an und schwächen die Immunabwehr.

Wie groß allerdings die Rolle der Schifffahrt bei der Produktion dieser Schadstoffe ist, kann lediglich geschätzt werden. Basis ist etwa der Treibstoff-Verkauf sowie die durchschnittliche Emission der Motoren.
Neue Zahlen zum Beitrag der Schifffahrt
Doch frühere Schätzungen standen längst unter Verdacht, zu niedrig zu liegen. Corbett und sein Kollege Horst Köhler von der Firma MAN B&W Diesel in Augsburg haben sich daher die verschiedenen Datensätze neu angesehen - und kommen zu neuen Zahlen:

Die etwa 88.000 Schiffe starke Flotte an internationalen Handelsschiffen verbraucht demnach rund 289 Millionen Tonnen an Dieseltreibstoff jährlich. Die daraus resultierende Menge an Stickoxiden entspreche den Emissionen der gesamten Vereinigten Staaten.
->   University of Delaware College of Marine Studies
->   MAN B&W Diesel
...
Stickoxide (NOx)
Zu den Stickoxiden zählen Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Sie werden bei sehr energiereichen Reaktionen, wie Verbrennungsprozessen mit hohen Temperaturen (Verbrennungsmotoren) oder Blitzentladungen, freigesetzt. Stickstoffmonoxid wird an der Luft rasch zu Stickstoffdioxid oxidiert. Da die Stickoxid-Emissionen aus Kraftwerken durch Änderung der Verbrennungsprozesse und Einführung der Rauchgasreinigung stark reduziert werden konnten, gilt inzwischen der Kfz-Verkehr als Hauptverursacher der Stickstoffdioxidbelastung in der Umwelt.
->   Mehr zu Stickoxiden (www.umweltlexikon-online.de)
...
Neue Modelle zur Atmosphärenchemie?
Ist diese Abschätzung korrekt, so müssten sämtliche Modelle über die Auswirkungen von Schiffsabgasen auf die Atmosphärenchemie - und letztlich auf das Klima und die menschliche Gesundheit - überarbeitet werden, zitiert "Nature Science Update" den Atmosphärenchemiker Mark Lawrence vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.

"Abgesehen vom Blitzschlag, der auf See sehr selten ist, gibt es fast keine andere signifikante Quelle für Stickstoffoxide in den Ozeanen", erklärt der Chemiker.
->   Max-Planck-Institut für Chemie
Zweite Studie: Korrektur um 30 Prozent
Andere Experten wiederum geben zwar zu, dass die bisherigen Schätzungen wohl zu niedrig gegriffen sind - die Zahlen von Corbett und Köhler halten sie dennoch für übertrieben. Oyvind Endresen und Kollegen von Det Norske Veritas im norwegischen Hovik etwa korrigierten den Schadstoffausstoß der Schifffahrt um immerhin 30 Prozent nach oben.
...
Der Artikel "Emission from international sea transportation and environmental impact" ist in der gleichen Ausgabe des "Journal of Geophysical Research: Atmospheres" erschienen (doi:10.1029/2002JD002898).
->   Abstract des Artikels (www.agu.org)
...
Auf den Ort der Emissionen kommt es (auch) an
Die Wissenschaftler sammelten vor allem auch Informationen über den jeweiligen Kurs der Schiffe. Denn "Es gibt global betrachtet beträchtliche Unterschiede, wo Emissionen stattfinden", sagt Endresen.

Der Ursprungsort aber ist wichtig, geht es um so kurzlebige Umweltverschmutzer wie die Stickstoffoxide. Werden die Schadstoffe nahe dem Land ausgestoßen, so könnten die toxischen Effekte auch dort noch spürbar werden.
Konzentration der Verschmutzung
 
Bild: Nature Science Update

Die Verschmutzung konzentriert sich auf die stark befahrenen Gegenden der Weltmeere

Der Beitrag der Schifffahrt zu den Treibhausgasen - beispielsweise Kohlendioxid - entspricht in etwa dem des kommerziellen Flugverkehrt, meinen jedenfalls Endresen und Kollegen. Beide Industrien sind von den Bestimmungen des Kyoto-Protokolls weitgehend ausgenommen.
Kurswechsel gefordert - international und regional
Doch neue Strategien bzw. nationale Gesetze sollten die Schifffahrt nicht mehr ausklammern, meint etwa James Corbett. "Ein kontinuierlicher Kurswechsel ist notwendig", meint er, "sowohl auf internationaler, als auch auf regionaler Ebene."

Möglicherweise wird bald ein erster Schritt getan: Die International Maritime Organisation der Vereinten Nationen, zuständig auch für die Verschmutzung der Meere durch die Schifffahrt, will jedenfalls innerhalb des kommenden Jahres einem Abkommen zur Regulation der Emissionen auf Hoher See zustimmen.
->   Det Norske Veritas
->   International Maritime Organisation
Mehr rund um das Klima in science.ORF.at:
->   Klimaschutz: Technologie im Tausch gegen Emissionen (20.10.03)
->   Treibhausgas Kohlendioxid lässt Meere versauern (25.9.03)
->   Heftige Debatte: Steigt Temperatur der Troposphäre? (12.9.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010