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Gletscher-Schutz: Plastikhaube für den Kilimandscharo  
  Der Kilimandscharo ist nicht nur der höchste Berg Afrikas, auf seinen Spitzen findet sich zudem eine Eisschicht, die ein einzigartiges Klimaarchiv darstellt. Doch die für die Wissenschaft so wertvollen Gletscher sind massiv bedroht und schmelzen in rasantem Tempo. Ein Forscher meint nun, das Eis retten zu können - mit einer gigantischen "Plastikhaube".  
Der Kilimandscharo ist eine der größten Touristenattraktionen Tansanias und gleichzeitig ein nationales Symbol. Seine eisige Krone, die sich über Jahrtausende allmählich gebildet hat, stellt zudem eine einmalige Aufzeichnung der nordafrikanischen Klimageschichte dar.

"Wenn sie verschwindet, verlieren wir wirklich wertvolle Informationen über das Klima der jüngeren Vergangenheit", zitiert der Online-Dienst von "Nature" den Klimatologen Euan Nisbet von der Royal Holloway University in London.
Eis in 20 Jahren völlig verschwunden?
Tatsächlich gelten die Gletscher des Kilimandscharo als massiv bedroht: Eine 2002 veröffentlichte Studie von Forschern um den Klimatologen Douglas Hardy von der University of Massachusetts hat ergeben, dass das Eis des Berges innerhalb der kommenden 20 Jahre völlig verschwinden wird.
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Studie: Ein Rückgang um 80 Prozent gemessen
Die heutigen Gletscher des Kilimandscharo bedecken laut der Studie eine kleine Fläche, vergleicht man sie mit den Ausmaßen, die sie einst hatten. Die Wissenschaftler stellten einen Rückgang der Gletscher um 80 Prozent zwischen 1912 und dem Ende des 20. Jahrhunderts fest. Umfassten die Gletscher damals noch ein Gebiet von 12 Quadratkilometern, so waren es im Jahr 2000 nur mehr 2,6 Quadratkilometer.

Auch eine Abnahme der Stärke der Eismassen wurde demnach gemessen. Allein in den letzten zweieinhalb Jahren betrug die Reduktion der Eisdicke über einen Meter. Die meisten aktuellen Voraussagen gehen daher davon aus, dass die Gletscher zwischen 2015 und 2020 völlig verschwunden sein werden.
->   Mehr dazu (17.10.2002)
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Abholzung als Ursache
Für die meisten die wohl naheliegendste Erklärung für die rasante Eisschmelze: die Klimaerwärmung. Dem ist allerdings nicht so, nach Ansicht von Forschern ist die Abholzung am Fuße des imposanten Berges die wahrscheinlichere Ursache.

Denn ohne die Feuchtigkeit der Wälder wurden die dort herrschenden Winde zunehmend trockener. Das Eis aber verdunstet im starken Sonnenschein, da die Regeneration durch das Wasser fehlt.
Experte: Aufforstung greift nicht schnell genug
Die einfachste Lösung, mag man nun glauben, wäre schlicht die Aufforstung der abgeholzten Regionen. Das Problem: Die Bäume würden nicht schnell genug wachsen, um das Eis zu retten, meint Klimatolge Nisbet.
Plastiküberwurf als Übergangslösung?
Eine Übergangslösung müsste also her, die der Forscher auch gleich präsentiert: "Die offensichtlichste und einfachste Lösung wäre es, einen weißen Überwurf darüber zu legen, um das Sonnenlicht zu reflektieren und den Wind zu reduzieren."

Dabei benötigt man laut Nisbet strenggenommen nicht einmal eine richtige "Plasitkhaube". Es könnte demnach reichen, die 30 Meter langen, Klippen-artigen Ränder der Eisschicht mit einer synthetischen Plane abzudecken. Dort ereignet sich demnach der größte Teil der Verdunstung.
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Kilimandscharo: Ein Berg aus drei Einzelvulkanen
Der Kilimandscharo ist mit 5.895 Metern der höchste Berg Afrikas - und einer der mächtigsten Vulkane der Erde. Er erhebt sich etwa 300 Kilometer südlich des Äquators aus der Ebene Nord-Ost Tansanias und bedeckt ein Gebiet von 100 Kilometern Länge und 65 Kilometern Breite. Es handelt sich allerdings strenggenommen um einen aus drei Einzelvulkanen zusammen gewachsenen Bergkomplex, der wiederum Teil einer Kette von rund 20 Vulkanen ist. Den Hauptgipfel des Kilimandscharo bildet der jüngste der drei Vulkane, der Kibo mit seinen beiden Spitzen "Gillman's Point" 5.715 Meter und "Uhuru Peak" 5.895 Meter.
->   Der Kilimandscharo und seine Gletscher (University of Massachusetts)
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Skeptische Stimmen: Decke könnte Schmelze beschleunigen
Andere Forscher geben sich angesichts der Vorschläge allerdings skeptisch: Douglas Hardy etwa glaubt, dass damit der Untergang der Gletscher noch schneller kommen würde.

Zwar könnte die Plane tatsächlich den größten Teil des Sonnenlichtes reflektieren, zitiert "Nature Science Update" den Klimatologen. Dennoch würde Wärme hindurchdringen und darunter gefangen sein. Die eigentlich als Schutzschild konzipierte Abdeckung könnte dann als wärmende Decke fungieren und den Schmelzprozess noch beschleunigen.

Bedenkt man zudem die riesige Menge an Plastikplanen für die Abdeckung - ganz zu schweigen von den Mühen, diese auf dem Kilimandscharo zu platzieren, sollte dieser Aufwand nach Ansicht von Hardy eher für das Sammeln von Eiskernen für die Klimaanalyse betrieben werden.
Geologe: Gletscher gehen auf jeden Fall verloren
Lonnie Thompson von der University of Ohio, als Geologe an der 2002 veröffentlichten Studie federführend beteiligt, meint ebenfalls, dass die Abdeckung nicht wirklich helfen würde. Sein Blick in die Zukunft ist eher pessimistisch: "Die Gletscher werden verloren gehen, egal was wir tun."
"Mehr als nur ein Klimaarchiv in Gefahr"
Euan Nisbet aber sieht für das verarmte Tansania mehr in Gefahr als nur ein wissenschaftlich interessantes Klimaarchiv. "Das Eis des Kilimandscharo ist ein Symbol für ganz Afrika", sagt er. "Tansania hat versucht, sein Naturkapital zu schützen - und es verdient ein bisschen Hilfe, wenn irgend etwas getan werden kann."
->   Department of Geology der Royal Holloway University
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Das Gletscher-Tagebuch von Heinz Slupetzky (Juli bis Oktober 2003)
->   Gletscher in Patagonien schmelzen schneller (17.10.03)
->   Tropische Gletscher als Klimaindikatoren (31.3.03)
->   Alles zum Stichwort Gletscher in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010