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BSE und Langzeitgedächtnis: Gleiche Wurzeln?  
  Der in Österreich geborene und von den Nazis vertriebene Neurologe Eric Kandel sorgt mit einer neuen Studie über die molekularen Strukturen des Gedächtnisses für Aufsehen. Er hat ein Schlüsselprotein für die Langzeiterinnerung identifiziert, das sich im höchsten Grad seiner Aktivität wie ein Prion verhält - jenes falsch gefaltete Eiweiß, das zu schweren Krankheiten des Gehirns wie BSE ("Rinderwahnsinn") führen kann.  
Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen meinen Eric Kandel von der Columbia University und Susan Lindquist vom Whitehead Institute for Biomedical Research, dass dieses Protein im Prionen-Zustand gut funktioniert und keine toxische Aktivität entwickelt.

Ihre Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Cell" (Titel: "A Neuronal Isoform of the Aplysia CPEB
Has Prion-Like Properties", Bd. 115, S. 879-891,26. Dezember 2003) erschienen.
->   Original-Abstract in "Cell"
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Eric Kandel: NS-Flüchtling, Neurologe, Nobelpreisträger
Eric Kandel, 1929 in Wien geboren und 1939 von den Nationalsozialisten als Jude aus Österreich vertrieben, zählt zu den weltweit führenden Neurowissenschaftlern. Er gilt als Aufdecker organischer Veränderungen im Rahmen von Signalübermittlung und Gedächtnisbildung.

Unter Ausnutzung der einfachen Strukturen des Nervensystems einer Meeresschnecke studierte er die zellulären und molekularen Mechanismen des Lernens. Er zeigte, dass einfache Verhaltensformen auf neuronalen Netzen beruhten, die aus bestimmten und identifizierbaren sowie untereinander fix verbundenen Neuronen aufgebaut sind. Das Kurzzeitgedächtnis von Organismen beruht demnach auf der Veränderung bereits vorhandener Proteine im Nervensystem, das Langzeitgedächtnis hingegen auf einer Neubildung von Proteinen. Für diese Entdeckung wurde er 2000 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.
->   Autobiografie von Eric Kandel (Nobelstiftung)
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Prionen: Funktionsstörung durch Fehlfaltung
Die Form eines Proteins ist fundamental für seine Funktion - deshalb behalten die meisten von ihnen sie Zeit ihres Lebens auch bei. Prionen wiederum sind Proteine, die ihre Gestalt plötzlich ändern können, indem sie sich "fehlerhaft" falten.

Eine Reihe von Krankheiten sind auf diese fehlgefalteten Proteine zurückzuführen. Dazu gehören einige Muskelkrankheiten, aber vor allem neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder BSE.

Die Ursachen sind weitgehend unbekannt; man weiß jedoch, dass die Prionen unter anderem pathologisch wirken, indem sie zusammenklumpen und nicht mehr abgebaut werden können. Faltet das Protein nicht korrekt, ist es in seiner Funktion gestört, wenn nicht ganz unbrauchbar.
Protein CPEB: Wichtig für Langzeitgedächtnis
Aus diesem Grund war eine Entdeckung von Kausik Si, einem Mitarbeiter in Kandels Labor, überraschend: Er fand bei Meeresschnecken ein mit der Langzeiterinnerung in Verbindung stehendes Protein, das sich in gewisser Hinsicht wie ein Prion verhält.

Das Protein "CPEB" (cytoplasmic polyadenylation element binding proteine) sitzt in den Synapsen des Zentralnervensystems, also in den Verbindungsstellen der Neuronen. Es synthetisiert andere Proteine, die für die Bildung neuer Synapsen im Zuge der Speicherung von Erinnerungen wichtig sind und spielt somit eine entscheidende Rolle für das Langzeitgedächtnis.
Faltung und dennoch weiter funktional
Die Forscher vermischten CPEB mit anderen Proteinen und untersuchten ihr Verhalten anhand mehrerer Hefe-Modelle. Die Resultate: Zum einen veränderten CPEB und - dadurch ausgelöst - auch die anderen Proteine ihre Form, genau wie das auch bei Prionen der Fall ist. Zum anderen behielt es aber überraschenderweise seine Funktionalität - die Synthese von Proteinen - unverändert bei.

Und: CPEB scheint im normalen Zustand einen geringeren Aktivitätszustand zu besitzen und erst im Prionen-Status zu seiner "richtigen Form" aufzulaufen.

Lindquist hält diese positive Funktion für "bemerkenswert. Das zeigt, dass es sich bei Prionen nicht nur um Exzentriker der Natur handelt, sondern dass sie an fundamentalen Prozessen beteiligt sind", so die Neurologin in einer Aussendung.
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Prionen
Prionen - sehr kleine Proteinpartikel - besitzen keinerlei Erbinformation und können dem normalen, insbesondere in den Nervenzellen des Gehirns vorkommenden Prion-Protein durch Kontakt ihre krankmachende Form aufzwingen. Dieser Vorgang kann sich wie eine Kettenreaktion fortpflanzen und zerstört dann die betroffene Nervenzelle. Erkranktes Gehirngewebe erscheint durchlöchert wie ein Schwamm. Der Aufbau der Prion-Proteine bei verschiedenen Arten ist sehr unterschiedlich. Sehr selten können die krank machende Prion-Formen auch durch Mutationen oder ohne ersichtlichen Grund entstehen, wie vermutlich bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD).
->   BSE: Ursachen, Nachweis, Forschung
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Prionen-Zustand für Langzeiterinnerung?
Die Studie von Kandel und Lindquist nährt eine ungewöhnliche These: Beim Prionen-Zustand von CPEB könnte es sich um genau jenen Mechanismus zu handeln, der es Synapsen und Nervenzellen ermöglicht Langzeiterinnerungen zu speichern.

Zumindest theoretisch würden sich Prionen dafür perfekt eigenen: Sie könnten ihren Zustand wechseln ohne die energieintensiven Zellmechanismen, welche die meisten Proteinsynthesen antreiben. Der Prionen-Status ist sehr stabil und kann sich selbst über Monate oder Jahre erhalten.
Was fehlt: Beweis bei Nervenzellen
Was nach Auskunft von Kandel noch fehlt, ist der Nachweis, dass dieser Mechanismus nicht nur in Hefemodellen funktioniert, sondern auch bei Nervenzellen.

Die Forscher glauben, dass ihre Resultate nicht die letzten sein werden, die den Prionen eine normale biologische Funktion zuschreiben. Sie gehen davon aus, dass eines Tages ihre essenzielle Bedeutung für zahlreiche zelluläre Mechanismen klar wird.
->   Eric Kandel Research Laboratory
->   "Schwierige Erinnerungen": Eric Kandel in Wien (4.6.03)
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->   Desinfektionsmittel gegen Prionen vorgestellt (1.8.03)
->   Protein-Strukturen untersucht mit Massenspektrometrie (2.12.02)
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01.01.2010