Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Umwelt und Klima .  Leben 
 
Der älteste Wein Mitteleuropas
Archäobotanische Studien in Stillfried (NÖ)
 
  Eine Studie der BoKu enthält den ältesten Nachweis kultivierter Weintrauben aus Mitteleuropa. Sie wurden in Stillfried (NÖ) entdeckt und werden in die Spätbronzezeit (10. bzw. 9. Jhdt. v. Chr.) datiert.  
Archäobotanische Studie aus der spätbronzezeitlichen Wallburg Stillfried

Vor kurzem erschien in der ÖAW eine Studie über das Spektrum der spätbronzezeitlichen Kulturpflanzen im Raum Stillfried an der March (NÖ). Es handelt sich dabei um den ersten umfassenden Rekonstruktionsversuch von Landwirtschaft, Umwelt und Lebensgrundlagen einer spätbronzezeitlichen Siedlung auf österreichischem Boden.

Unter den Getreidearten war Dinkel, Rispenhirse, Einkorn und Gerste sowie zu einem geringen Anteil Emmer, Klobenhirse und ein in spezieller, bisher nur vereinzelt in Südosteuropa belegter emmerähnlicher Spelzweizen, nachweisbar. Bei verkohlten Resten in Tongefäßen (Bild) dürfte es sich um ein "Risotto-ähnliches" Gericht (Logo) aus Gerste, Hirse und Roggentrespe handeln. Das Rezept dafür siehe unten.

An Hülsenfrüchten fanden sich Linse, Erbse, Saubohne und Linsen-Wicke. Schlafmohn und Leindotter gelten als Ölfrüchte.

Unter der entdeckten Wildpflanzen fanden sich außerdem Obst- und Mehlfrüchte, Gewürz-, Heil- und Färberpflanzen sowie Pflanzen, die zur Herstellung von Schnüren und Geflechten dienen könnten.
Die ältesten kultivierten Weintrauben Mitteleuropas

Von kulturgeschichtlicher Bedeutung ist der bisher älteste Nachweis von Wein(trauben) in Mitteleuropa. Die beiden in einer Siedlungsgrube von Stillfried entdeckten Weinkerne stammen eindeutig von Kulturwein (Vitis vinifera ssp. vinifera) und können nach der Radiokarbondatierung in das 10./9. Jhdt. v. Chr. datiert werden.

Die beiden Samen sind verkohlt und haben sich so durch die Jahrtausende in einer spätbronzezeitlichen Siedlungsgrube von Stillfried erhalten.
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Neuerscheinung
Marianne Kohler-Schneider: Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March als Spiegel spätbronzezeitlicher Landwirtschaft im Weinviertel, Niederösterreich.
Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 37 (Wien 2001) 226 Seiten. öS 562,-

Neben dem oben erwähnten Kulturpflanzenspektrum werden auch Anbaumethoden, mögliche Fruchtfolgen, Intensität der Bodenbearbeitung besprochen sowie paläoökologische Modellrechnungen mit Abschätzung der Einwohnerzahl in der 23 ha großen Wallbefestigung von Stillfried durchgeführt.
->   Akademieverlag
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Marianne Kohler-Schneider
Die Untersuchungen wurden von Frau Prof. Marianne Kohler-Schneider (Universität für Bodenkultur) im Rahmen ihrer Habilitation durchgeführt. Sie studierte in England und brachte die Archäobotanik nach Wien. Heute arbeitet sie eng mit verschiedenen österreichischen Forschungsinstitutionen, wie dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, dem Museum für Urgeschichte Asparn/Zaya, der Prähistorischen Kommission der ÖAW und der VIAS zusammen.
->   Lebenslauf
->   Archäobotanik
Museum für Ur- und Frühgeschichte Stillfried
In drei Räumen wird eine Auswahl der ca. 2000 Exponate gezeigt, welche die Ergebnisse der langjährigen Ausgrabungen in Stillfried dokuemntieren sollen.

Neben Werkzeugen und Waffen der oberhalb des Marchabbruches in der Lößsteppe lebenden eiszeitlichen JägerInnen, Keramikobjekten der jungsteinzeitlichen Bauernkulturen bildet ein Schwerpunkt die Darstellung der spätbronzezeitlichen Wallbefestigung.

Mit Funden des römischen Militärs (Waffen, Panzer- und Helmfragmente) und des Mittelalters spannt sich der Bogen von der Urzeit bis zur Gegenwart.
->   Museum Stillfried
->   http://www.volkskulturnoe.at/museen/0072.htm
Kochrezept eines spätbronzezeitlichen Eintopfgerichts

"Hirsotto" aus Stillfried

Zutaten:
1 Tasse Rispenhirse
1 Tasse Gerste
1/2 Tasse Roggentrespe
5-6 Tassen Wasser
ein Stück fetter Speck in kleinen Würfel geschnitten
etwas Salz
etwas Thymian

Zubereitung:
Speck in größeren Topf erhitzen, dann Gereste anbraten, mit Wasser aufgießen und ca 3/4 Std. mit etwas Salz aufkochen; anschließend Hirse, Roggentrespe und Thymian beigeben und auf kleiner Flamme zugedeckt eine weitere 1/4 Std. köcheln, bis alles Wasser aufgenommen und das "Hirsotto" weich ist.

Copyright: Marianne Kohler-Schneider.
 
 
 
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