Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Kabinett Seyß-Inquart
Die letzte österreichische Bundesregierung der 1. Republik
 
  Auf Grund des heutigen Datums (11. März) soll auf die 1938 ernannte Regierung unter Seyß-Inquart hingewiesen werden, die in semioffiziellen Zusammenstellungen zumeist bis heute "vergessen" wird.  
Kabinett Seyß-Inquart
Nach der Demission von Schuschnigg in den späten Abendstunden des 11. März 1938 wurde die letzte österreichische Bundesregierung der 1. Republik - zwar widerwillig, aber dennoch formell korrekt - vom Bundespräsident Miklas unter der Führung des ehemaligen Innenministers Seyß-Inquart ernannt.
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Oswald Menghin
Sein Werdegang als langjähriger Professor für Urgeschichte und kurzfristiger Unterrichtsminister im Kabinett Seyß-Inquart wird seit 1995 am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien untersucht.

Seine Biographie erscheint für jene willfährigen Wissenschafter Österreichs typisch, die den Anschluss ermöglichten. Diese Männer der zweiten und dritten Ebene, welche schon viele Jahrzehnte früher - im Wien des Dr. Lueger - geformt wurden und den Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus scheinbar wissenschaftlich begründeten, bereiteten damit - wie wir heute wissen - auch die Greueltaten der NS-Herrschaft vor.

In den nächsten Tagen soll - einem Tagebuch ähnlich - über die Auftritte und Handlungen Menghins berichtet werden, soweit sie recherchiert werden konnten.
->   Wiener Urgeschichte in der Nazi-Zeit
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Kabinett Seyß-Inquart - März 1938
 


Ministerrat vom 12. März 1938, von links nach rechts: Ministralrat Dr. Wilhelm Wolf (BM nach Art. 91, Abs. 3 der Verf. 1934), Obersenatsrat Dr. Rudolf Neumayer (BM f. Finanzen), Notar Dr. Franz Hueber (BM f. Justiz), Bundeskanzler Dr. Arthur Seyß-Inquart, oöUniv-Prof Dr. Oswald Menghin (BM f. Unterricht), Ing. Anton Reinthaller (BM f. Land- u. Forstwirtschaft), Vizekanzler Dr h.c. Edmund Glaise-Horstenau, Staatsrat Dr. Hugo Jury (BM f. soziale Verwaltung) und Staatsrat Dr. Hans Fischböck (BM f. Handel und Verkehr).
Auf diesem, der NS-Literatur entnommenen Bild, ist Dr. Michael Skubl, Präsident der BPolDion Wien und Staatssekretär für Angelegenheiten des Sicherheitswesens, abgeschnitten. Er wurde bereits nach wenigen Tagen auf Druck Himmlers aus der Regierung entfernt.
Erinnerung
Diese österreichische Bundesregierung bestand von ihrer Ernennung am 11. März 1938 bis zum 13. März 1938 und hat zumindest ein Bundesgesetz über die Abänderung und Ergänzung der Devisenordnung beschlossen, dessen verfassungsmäßiges Zustandekommen durch den Bundespräsidenten Miklas, dem Bundeskanzler Seyß-Inquart und dem zuständigen Bundesminister Neumayer beurkundet worden ist (siehe Bundesgesetzblatt für den Bundesstaat Österreich, Jahrgang 1938, 24. Stück, ausgegeben am 13. März 1938, Nr. 72).
Verdrängung
Obwohl dieses Kabinett nur kurz bestanden hat, entspricht ihr rechtliches Zustandekommen jenem der Regierung Dollfuß I und II und Schuschnigg I bis IV. Der Bundeskanzler wurde jeweils mit seinen Bundesministern vom Bundespräsidenten ernannt. Eine Legitimation durch das Parlament war nach der Verfassung aus dem Jahre 1929 nicht notwendig.

Es verwundert daher sehr, daß in semioffiziellen Zusammenstellungen des Österreichischen Amtskalenders oder der geplanten Neuherausgabe der Stenographischen Protokolle der Ministerratssitzungen auf dieses letzte Kabinett der 1. Republik Österreich vergessen wird, obwohl - ich glaube - gerade dieses von größtem zeitgeschichtlichen Interesse wäre.
->   Das Kulturinformationssystem des BmBWK
Das Bild des Kabinetts im Laufe der Zeit
 


Die Nazi-Propaganda, beispielsweise v. Galéra, Österreichs Rückkehr, 1938, S. 254, berichtet über die Regierung Seyß-Inquart: "Alle Männer, die neu in die Regierung eintreten, sind bewährte nationale Vorkämpfer."

Dagegen meinten die Salzburger Nachrichten vom 18.12.1956, S. 3, daß von dem Kabinett Seyß-Inquart Neumayer, Wolf, Skubl und Menghin weder "vor dem 13. März 1938 der NSDAP angehört" haben, "noch sich für sie irgendwie betätigt hätten." (Kopie des Artikels im DÖW). Wenn dem so wäre, hätte sich das halbe Kabinett der Regierung Seyß-Inquart (vier von acht Ministern) niemals für die Ziele der Nationalsozialisten eingesetzt.

Menghin dürfte im übrigen am Abend des 11. März nicht im Bundeskanzleramt gewesen sein - er ist zumindest auf dem berüchtigten "Balkonbild" nicht zu sehen. Nach den Erinnerungen Schuschniggs soll Menghin nur aufgenommen worden sein, um das Kabinett BP Miklas schmackhafter zu machen. Menghin blieb allerdings, im Unterschied zu Skubl, auch in der Landesregierung Österreich Unterrichtsminister und muß daher die kommenden Geschehnisse an den österreichischen Universitäten politisch verantworten.
->   Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
 
 
 
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