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Streit um Mozart-Effekt  
  Die Geschichte begann 1993, als Wissenschaftler behaupteten, mit Hilfe einer Mozart-Sonate bei Probanden höhere Gehirnleistungen beobachtet zu haben. Das unter dem Namen Mozart-Effekt bekannt gewordene Phänomen schlug im April 2001 erneut mediale Wellen: "Mozart can cut epilepsy" lautete die Schlagzeile auf BBC Online.  
In den vergangenen Jahren wollen diverse Studien einen positiven Einfluss von Musik auf Gehirnleistungen nachgewiesen haben. Unter anderem steigert das Hören von Mozart-Sonaten angeblich das räumliche Urteilsvermögen, man bezeichnet das Phänomen daher auch als den Mozart-Effekt.

Spätere Arbeiten präsentierten als Ergebnis, dass Ratten durch Mozart-Musik schneller durch Labyrinthe fanden. Jüngste Studien wollten gar nachweisen, dass die Mozart-Sonate KV448 einen positiven Effekt für Epilepsie-Patienten hat - der Ursprung der BBC Schlagzeile.
Neuer Forschungsüberblick zum Mozart-Effekt
In der neuesten Ausgabe des Fachjournals "Journal of the Royal Society of Medicine" präsentiert Professor John Jenkins nun eine Zusammenschau der Forschungen zum Mozart-Effekt und auch mögliche Erklärungen dafür.

Die ursprüngliche Studie über den Mozart-Effekt geht auf das Jahr 1993 zurück. Damals konnten Wissenschafter nachweisen, dass Probanden bereits nach zehnminütigem Hören von Mozarts Sonate KV448 verschiedene Aufgaben - unter anderem Schneiden und Falten von Papier - besser bewältigen.
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Der Mozart-Effekt
1993 untersuchten der Physiker Gordon Shaw und Frances Rauscher, ein Spezialist auf dem Gebiet der kognitiven Entwicklung, bei College-Studenten die Auswirkungen einer Mozart-Hörprobe: der ersten 10 Minuten von Mozarts Klaviersonate für Vier Hände in D-dur (KV 448). Sie stellten eine vorübergehende Steigerung des räumlichen und zeitlichen Denkens fest - ein Ergebnis, das per Messung mit dem "Stanford-Binet IQ-Test" ermittelt wurde.
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Wiederholung gescheitert
Doch als 1999 der Psychologe Kenneth Steele von der Appalachian State University in Boone, North Carolina, anhand des Studienprotokolls den gleichen Test an 125 Probanden vornahm, misslang der Nachweis des "Mozart-Efekts".
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Steele ließ die Studenten den Test für das räumliche Vorstellungsvermögen ausführen. Zwei Tage später wiederholte er ihn, ließ allerdings diesmal ein Drittel der Testpersonen zuvor acht Minuten lang besagte Mozart-Sonate hören. Ein weiteres Drittel lauschte Philipp Glass, die übrigen Studenten durften acht Schweigeminuten genießen. Zwar waren die Testergebnisse nun tatsächlich besser - allerdings in allen Gruppen gleichmäßig verteilt.
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Dennoch Jubelmeldungen
Dennoch überschlugen sich die Medien mit Jubelmeldungen über Intelligenzsteigerung dank Mozart-Musik. Zur Entschuldigung der Wissenschaftler sei hier angemerkt, dass Shaw und Rauscher in ihrem Forschungsbericht nirgends solche Behauptungen aufgestellt hatten.

Das hielt jedoch die Popularisierung des Mozart-Effekts nicht auf. Die Gouverneure der US-Staaten Tennessee und Georgia starteten Programme, die allen Neugeborenen eine Mozart-CD bescheren sollte. Hunderte von Krankenhäusern erhielten 1999 von der National Academy of Recording Arts and Science Foundation Pakete mit kostenlosen Klassik-Musik-CDs.
Money, money, money...
Inzwischen hat sich ein florierender Geschäftszweig rund um Mozarts Musik aufgebaut. Der Amerikaner Don Campbell ließ sich den Begriff "Mozart-Effekt" patentieren. Seitdem geht er mit seiner Website www.mozarteffect.com auf Kundenfang.

Er hat mittlerweile neben Büchern wie "The Mozart Effekt for Children" eine Reihe kommerziell äußerst erfolgreicher CDs zusammengestellt: "The Mozart Effekt Music for Babies: Nighty Night" oder auch "The Mozart Effekt Music for Moms and Moms-to-be" um nur zwei Beispiele zu nennen.
->   www.mozarteffect.com
M.I.N.D. und STAR
Shaw und Rauscher, die Autoren der ersten Studie, haben ein Institut gegründet, das sich mit dem Mozart-Effekt und den Vorteilen der musikalischen Erziehung befasst: Das "Music Intelligence Neural Developement Institute" (M.I.N.D.).

Shaw hat inzwischen ebenfalls ein Buch geschrieben, "Keeping Mozart in Mind". Käufer erhalten gleich noch die am Institut entwickelte Software "Spatial-Temporal Animation Reasoning" (STAR) mit dazu.
->   M.I.N.D. Institute
Griechische New-Age-Musik zeigt gleichen Effekt
Mittlerweile sind ähnliche Vesuche angeblich auch mit anderen Komponisten - etwa dem griechischen New Age-Musiker Yanni ¿ geglückt. Auch das Hören von Yannis Musik soll das Vermögen steigern, räumliche Aufgaben zu lösen.

Daher lag wohl der Verdacht nahe, dass die beobachteten Effekte nicht direkt an Mozart lagen. Die Forschung machte sich also auf, eine andere Erklärung zu finden.
Computer befassen sich mit Mozart
Wissenschafter haben deshalb Musik von Computern auf verschiedene Muster durchmustern lassen. Tatsächlich fand sich bei Mozart etwas in hohem Maße, was die Forscher als "Langzeit-Periodizität" bezeichnen: also Muster, die sich in nicht zu knappen Abständen wiederholen.

Auch Bach-Musik hat eine derart ausgeprägte "Langzeit-Periodizität". Jenkins führt die nachgewiesenen Auswirkungen von Mozart-Musik auf dieses Muster zurück. Er glaube zudem, dass die bisherigen Ergebnisse vielversprechend seien und vor allem für die Behandlung von Epilepsie geeignet seien könnten, zitierte ihn die BBC.

Der Streit um den Mozart-Effekt hält also nach wie vor an. Bis zu seiner Klärung kann man jedoch Mozart weiterhin ohne Bedenken hören. Denn Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt.
->   BBC: Mozat can 'cut epilepsy'
->   Journal of the Royal Society of Medicine
 
 
 
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01.01.2010