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Viren sind "geborgtes Leben"  
  Orientiert man sich an der klassischen Definition von Leben, dann können Viren nicht als vollständige Lebewesen bezeichnet werden. Treffender ist es, wenn man diese - zur selbstständigen Vermehrung unfähigen - Parasiten als "geborgtes Leben" bezeichnet.  
Wie Franz Xaver Heinz von der Medizinischen Universität Wien betont, existieren über den evolutionären Ursprung der Viren nur Vermutungen, aber keine definitiven Beweise.

Im Prinzip gibt es dabei zwei Möglichkeiten: Entweder sind Viren gewissermaßen eine Schwundstufe von einst vollständigen Organismen - wie unsere Userin Mary L. vermutet hat. Oder sie entstanden bereits in jener chemischen "Ursuppe", die auch die primitivsten Lebensformen hervorgebracht hat.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
Mary L.:"Alle irdischen Organismen funktionieren mit einem Genom aus Nukleinsäure. Das Gleiche gilt für die Viren, deren Gene sozusagen den Stoffwechsel der Wirtszelle übernehmen. Man kann die Viren nicht 'Organismen' nennen, für sich gesehen wären sie Gene in geeigneter Verpackung.

Stammen vielleicht Viren von Organismen ab, als eine Art Schwundstufe? Welche Vorstellungen zur Entstehung der Viren sind entwickelt worden, aufgrund welcher Hinweise?"
->   Zur Frage samt User-Forum
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Viren - submikroskopische Erreger
AIDS, Tollwut oder die Grippe - diese Infektionen werden, wie allgemein bekannt, von Viren hervorgerufen. Die lateinische Übersetzung als "Gift" (latein. virus = zähe Feuchtigkeit, giftiger Saft) widerspricht der Idee von etwas Lebendem und war Grund dafür, dass dieser Begriff bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts für infektiöse Erreger aller Art herhalten musste.

Heute bezeichnet man nur solche als Viren, die submikroskopisch und kleiner als 0,3 Mikrometer sind.
Im biologischen Sinn "nur" Zellparasiten
Fest steht, dass Viren Zellparasiten sind, die von einer komplexen Membran aus so genannten Phospholipiden und Proteinen umgeben sind, und Nukleinsäure wie DNA oder RNA, also Erbmaterial im Innern enthalten.

Zur Vermehrung injizieren Viren diese Erbsubstanz in Wirtszellen von Pflanzen, Tieren oder anderen Eukaryoten, in denen sie die wesentlichsten Stoffwechselvorgänge übernehmen - im Unterschied zu Phagen, die Bakterien als Wirte nutzen.
->   Allgemeine Virologie (Vet Med Wien)
Wesentliche Merkmale des Lebens fehlen
Auch wenn Viren die wesentlichen Kriterien von Lebewesen - auf die etwa User "derherrhofrat" hingewiesen hat - wie eigenständige Vermehrung, eigener Stoffwechsel oder etwa Reizbarkeit fehlen, so zeigen sie dennoch Merkmale von Lebendigem, wie Vererbung und Mutation.

Somit können Viren, da ihnen die typische zelluläre Organisationsform aller anderen Organismen fehlt, auch nicht getötet, sondern nur an ihrer Vermehrung gehindert werden. Wie unser User "genobi" hinwies, bezeichnet man Viren daher am besten als "geborgtes Leben".
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Kriterien des Lebens
Organismen unterscheiden sich von den unbelebten Teilen der Natur in folgenden Eigenschaften:
1) Chemischer Aufbau aus organischen Kohlenstoff-Verbindungen
2) Zelluläre Organisation
3) Stoffwechsel
4) Fortpflanzung
5) Reizbarkeitserscheinungen
6) Zweckmäßigkeit und Anpassungsfähigkeit
7) Hoher Ordnungsgrad im physikalischen Sinn
->   Auszüge aus Erwin Schrödingers "What is Life?"
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Regressive Evolution
Auch wenn Viren gemeinhin als lebensfeindlich gelten, führt ihre Entstehungsgeschichte - oder besser die Theorien darüber - zu Fragen über die Ursprünge des Lebens auf der Erde.

Der Ansatz, dass Viren vermutlich später als andere Lebewesen entstanden sind, da sie auf letztere angewiesen sind, und somit eine degenerierte Organismenform, Schwundstufe oder ähnliches darstellen, wird von einigen Experten favorisiert.

Danach könnten die ersten Viren aus frei lebenden Organismen wie z. B. Bakterien hervorgegangen sein, die nach und nach immer mehr von ihrer genetischen Information verloren haben, bis sie schließlich zu Zellparasiten wurden, die darauf angewiesen sind, dass die Wirtszelle ihnen die verloren gegangenen Funktionen zur Verfügung stellt.
Zellulärer Ursprung
Einer Theorie zufolge sollen Viren aus RNA- oder DNA-Molekülen entstanden sein, die zwar die Fähigkeit erworben haben, sich selbst zu vermehren, ansonsten aber Parasiten geblieben sind.

Somit wären einige Gene und die zugehörige RNA irgendwann in der Lage gewesen, sich unabhängig vom Genom der Wirtszelle oder ihrer RNA zu vermehren und weiterzuentwickeln. Nach diesen Hypothesen stammen die Viren unmittelbar von den Wirtszellen ab.

Christoph Urbanek
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