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Die Sonne absorbiert ihre eigene Radioaktivität  
  Kernfusionsprozesse setzen Radioaktivität frei. Da auch die Sonne eine Art Fusionsreaktor darstellt, sollte sie also im doppelten Sinn "strahlen". Tut sie aber nicht. Der Grund: Die im Inneren des Himmelskörpers entstehende Gammastrahlung wird auf dem Weg zur deren Oberfläche absorbiert. Übrig bleibt nur ungefährliche Strahlung, darunter jene elektromagnetischen Wellen, die wir als sichtbares Licht wahrnehmen.  
Schäden können daher nur die so genannten Sonnenwinde - Ströme geladener Partikel - etwa an Satelliten verursachen. Doch auch vor diesen ist die Erde aufgrund ihres Magnetfelds und ihrer Atmosphäre geschützt, wie Experten gegenüber science.ORF.at erklären.
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Die Frage der Woche im Wortlaut:
Michael H..: "Während der Kernfusion wird radioaktive Strahlung frei. Wie wir wissen, ist es schwer sich etwa vor Gammastrahlung zu schützen, nicht umsonst haben Atombunker meterdicke Stahlbetonmauern. Wie kann es nun sein, dass wir auf der Erde nichts davon merken? Die Atmosphärenschichten alleine müssten ja demnach viel zu wenig Schutz bieten. Und selbst wenn sie den notwendigen Schutz bieten würde, wie kann es dann sein, dass Raumschiffe und Raumstationen nicht auch meterdicke Betonmauern als Schutz vor der Strahlung benötigen? Zwar weiß man von einer "Weltraumstrahlung", aber von einer intensiven Gammastrahlung im Weltall habe ich noch nie etwas gehört."
->   Zur Frage der Woche samt User-Forum
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Kernfusion: Einsteinsche Äquivalenz liefert Energie
Gerhard Winkler, Physiker am Institut für Isotopenforschung und Kernphysik in Wien, erläutert gegenüber science.ORF.at die wichtigsten Prozesse, die im Inneren der Sonne ablaufen:

"Die Energieabgabe der Sonne erfolgt durch Kernfusion. Bei dieser Kernreaktion vereinen sich zwei Wasserstoffkerne, wobei das entstehende Heliumatom leichter ist als die Summe der beiden ursprünglichen. Somit wandelt sich dieser Masseunterschied gemäß der Einsteinschen Formel E=mc2 in Energie um. Dies ist der Ursprung der Sonnenenergie und damit auch des Großteils der Energie auf der Erde."

"Aufgrund der Erkenntnisse aus der Quantenmechanik besteht zwar prinzipiell eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Protonen so weit nähern, dass eine Verschmelzung stattfindet. Da jedoch eine riesige Anzahl von Kernen im Inneren der Sonne vorhanden ist, können gewaltige Energiemengen freigesetzt werden", so der Wiener Experimentalphysiker weiter.
->   Kernfusion bei Wikipedia
Sonne als kontrollierte Wasserstoffbombe
 
Bild: EPA

Martin Stift vom Institut für Astronomie der Uni Wien erklärt im Gespräch mit science.ORF.at, welchen "Reaktortyp" die Sonne darstellt:

"Wenn man von einem 'Fusionsreaktor' Sonne spricht, dann darf man sich keinen Uranreaktor im herkömmlichen Sinn vorstellen. Die Sonne entspricht eher einer kontrollierten Wasserstoffbombe, in der in einer Proton-Proton-Reaktion Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen, wobei Gammastrahlung und Elektronneutrinos erzeugt werden. Radioaktive Beiprodukte in Form anderer Elemente gibt es nicht - somit ist das ein sehr sauberer Prozess."
Absorption entschärft die Gammastrahlung
Wie bereits unser User "lightningchase" im Forum zur Frage der Woche festgehalten hat, erklärt auch Martin Stift:

"Dieser Fusionsprozess findet bei rund 12 Millionen Grad Celsius statt. Bei diesen Temperaturen fliegen nur mehr Atomkerne von Wasserstoff und Helium herum. Alle entstehenden kurzwelligen, schädlichen Strahlungen, wie Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung, sind durch soviel unendlich viel dichte Materie umgeben, dass sie auf dem Weg vom Zentrum an die Oberfläche der Sonne absorbiert werden."

Nach Stift läuft dieser Absorptionsprozess folgendermaßen ab: "Im Innern der Sonne herrscht eine derart hohe Dichte, dass die Gammaphotonen immer wieder mit den Teilchen des Plasmas zusammenstoßen, dabei absorbiert und wieder abgestrahlt werden. Bei jedem Zusammenstoß nimmt die Strahlungsenergie der Photonen ab, die Wellenlänge hingegen zu."

Auf dem Weg zur Oberfläche werde die Energie also ständig absorbiert und bei immer geringer werdenden Temperaturen wieder emittiert. Auf diese Weise entstehe daraus in erster Linie sichtbares Licht und Röntgenstrahlung, sobald die Strahlung die Oberfläche erreicht hat.
Radioaktivität erreicht die Erde nicht
 
Bild: EPA

"In der Photosphäre, der eigentlichen Oberfläche der Sonne, wird die Energie wieder in Form von Strahlung abgegeben. Erst dort hat die Energie der Photonen soweit abgenommen, dass sie für das menschliche Auge sichtbar ist. An die etwa 6000 Grad Celsius heiße Sonnenoberfläche diffundieren nur mehr Wärme-, Röntgenstrahlung und Licht", so Stift:

"Ganz hochenergetische Strahlung wie die erwähnte Gammastrahlung ist somit fast ganz absorbiert bis es von der Sonne auf die Erde losgeschickt wird. Somit gelangt also nichts Schädliches mehr aus dem Zentrum der Sonne zur Erde."
Natürlicher Schutz der Erde vor Sonnenwinden
Welche Sonnenemissionen aber der Erde zu schaffen machen, erläutert der Kernphysiker Gerhard Winkler:

"Zusätzlich zur erwünschten Hitze und dem Licht ist die Erde den bekannten Sonnenwinden ausgesetzt. Diese konzentrierten Ströme geladener Partikel, im Wesentlichen Elektronen und Protonen, breiten sich mit mehreren hundert Kilometern in der Sekunde aus. Schutz davor bietet der Erde die Atmosphäre und ihr Magnetfeld, das Protonen einfängt und entlang von elektromagnetischen Feldlinien um die Erde herum führt."
->   Sonnenwind bei Wikipedia
Schöne Nordlichter, unschöne Satellitenschäden
"Besonders so genannte Flares, Sonneneruptionen bei denen enorm viel magnetische Energie gleich einem gerichteten Strahl fast mit Lichtgeschwindigkeit frei gesetzt wird, können ein Problem darstellen. Nicht nur wunderschöne Nordlichter sind die Folge, sie können Detektoren an Satelliten übersättigen bis beschädigen", so Martin Stift zum Thema Sonnenwind:

"Teilweise sind dadurch auch schon beträchtliche Probleme bei der Stromversorgung beispielsweise in Kanada aufgetreten. Menschen wären sicherlich stark strahlengeschädigt durch solche Emissionen, was vor allem bei zukünftigen Marsmissionen ein relevantes Problem darstellt."

Christoph Urbanek, 29.3.05
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->   Institut für Astronomie (Uni Wien)
->   Institut für Isotopenforschung und Kernphysik (Uni Wien)
->   Sonnenobservatorium Kanzelhöhe (Uni Graz)
 
 
 
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