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Gelsen sind Geruchsexperten  
  Wenn es darum geht, Opfer auszuwählen, orientieren sich Gelsen an zweierlei Dingen: am Geruch, sowie an der von Menschen abgestrahlten Wärme. Nicht entscheidend ist hingegen der Blutzuckergehalt der unfreiwilligen Spender. Die oftmals geäußerte Vermutung, dass Menschen mit "süßem Blut" besonders häufig gestochen werden, ist daher falsch.  
Vor allem die Fettsäuren im Schweiß gehören zu jenen Stoffen, die Gelsen anlocken, wie Studien ergeben haben. Diese könnten unter Umständen dafür verantwortlich sein, dass manche Menschen öfter als andere von den Insekten gestochen werden. Wissenschaftlich untersucht wurde diese Frage allerdings bisher nicht.
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Die Frage der Woche im Wortlaut:
Culturfreak.:"Ich wollte wissen, woran es liegt, dass manche Menschen "lieber" von Gelsen gestochen werden als andere. Denn schon oft genug habe ich an einem lauen Sommerabend mehr Stiche kassiert als andere. Und an dem sprichwörtlichen "süßen Blut" wird es ja doch nicht liegen - oder?"
->   Zur Frage der Woche samt User-Forum
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Gelsen lieben warme Winter und feuchten Frühling
Eine für den Menschen negative Begleiterscheinung der schönen Flussauen entlang der Donau, March oder Thaya sind häufige Gelseninvasionen. Besonders nach gemäßigten Wintern mit darauf folgendem niederschlagsreichen Frühjahr vermehren sich die Quälgeister im Sommer besonders gut.

Trotz der vergleichsweise kühlen Witterung sieht Gelsenexperte Bernhard Seidel von der Uni Wien heuer einen üppigen Larvenbestand in stehenden Gewässern. Denn seit dem Hochwasser 2002 gab es für die Tiere nicht mehr so günstige Bedingungen, da die Augebiete bereits mehrfach überschwemmt worden seien, so der Biologe.
Vierzig Gelsenarten
"In Österreich sind rund vierzig Gelsenarten heimisch, darunter die am weitesten verbreiteten Gattungen Aedes und Culex", erläutert Hannes Paulus, Leiter des Departments für Evolutionsbiologie der Uni Wien, Im Gespräch mit science.ORF.at. "Wobei besonders die tagaktiven Mücken sowie die gemeine Stechmücke Culex pipiens, die hauptsächlich nachts unterwegs ist, in großen Schwärmen auftreten."
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Wer wo Eier legt
"Die Aedes-Arten legen ihre Eier in trockenen Überschwemmungsgebieten ab, wo sie den Winter überdauern können. Bei erneuter Überflutung schlüpfen die Larven dann und entwickeln sich in den temporären Wasserflächen zu Fluginsekten", so Paulus:

"Die Weibchen der Art Culex dagegen legen die Eier direkt auf der Wasseroberfläche ab. Die daraus schlüpfenden Larven schwimmen an der Gewässeroberfläche oben auf und ernähren sich von Schwebteilchen. Sie verwandeln sich in Puppen und nach bereits wenigen Tagen schlüpft daraus die Mücke. Dabei können bis zu mehreren Hundert Larven pro Liter Wasser vorkommen."
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Nur Weibchen saugen Blut
Insektenstiche sind ganz allgemein für jeden ein lästiges Übel, weil sich die betroffenen Hautstellen entzünden können. Es scheint aber so, als ob manche Menschen Gelsen förmlich anziehen, andere hingegen fast unbehelligt den Sommer genießen können. So zumindest vermutet es der Volksmund.

"Eigentlich sind nur die Weibchen für den Menschen eine Plage, denn nur sie stechen" erklärt Seidel: "Die Weibchen benötigen zur Ausreifung der Eier eine Blutmahlzeit als Eiweißzufuhr, für die sie über viele Kilometer bis in die Besiedelungsgebiete der Menschen wandern. Sie können mit ihrem langen, nach vorn gerichteten Saugrüssel stechen und Blut saugen. Die Männchen hingegen haben nur Fühler und stechen nicht, denn sie bevorzugen vegetarische Kost, Blütennektar und saugen Pflanzensäfte."
Wie "Gelsendippel" entstehen
"Wenn die Insekten zustechen und Blut saugen, geben sie gleichzeitig hautreizende Stoffe, darunter bestimmte Eiweißverbindungen und ein leichtes Narkotikum ab. Gerinnungshemmende Substanzen im Speichel der Insekten verdünnen das Blut, dadurch fällt der Saugvorgang leichter," weiß der Gelsenexperte über die lästigen Stiche zu berichten.

Durch die darauf folgende Histaminausschüttung im menschlichen Körper werden Hautrötungen und die bestens bekannten "Dippel" hervorgerufen.
Wärmesinn und Geruchscocktail entscheidend
Wenn es um die Auswahl ihrer Opfer gehe, orientieren sich die Mücken laut Seidel vor allem am Geruch und an der Körperwärme, die von jedem Menschen abgegeben werden.

"Der Geruch bestehend aus einer Vielzahl an chemischen, von der menschlichen Haut ausgeschiedenen, Stoffen ist - neben der Körperwärme - der zweite für die Auswahl des Gelsenopfers ausschlaggebende Faktor."
Lockstoff: Fett im Schweiß, nicht Zucker im Blut
Besonders "anziehend" dürften im Schweiß enthaltene Fettsäuren auf die kleinen Blutsauger wirken, wie Studien ergeben haben.

Eine seriöse Regel, wonach beispielsweise stark schwitzende Menschen von der Gelsenplage besonders betroffen seien oder eben nicht, ist laut Auskunft des Biologen allerdings nicht aufzustellen. Individuelle Unterschiede von Gelsenopfern wurden jedenfalls noch nicht untersucht.

Einer Vermutung kann man aber auf jeden Fall eine Absage erteilen: Der Blutzuckerspiegel - das sprichwörtliche "süße Blut" - spielt für etwaige Präferenzen der Gelsen sicher keine Rolle.

[4.7.05]
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