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ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Umwelt und Klima 
 
Künstlicher Regen: Noch sehr fragwürdig  
  Bei der Entstehung von Niederschlägen spielen neben der Luftfeuchtigkeit und der Temperatur vor allem Wasser anziehende Substanzen eine wichtige Rolle: Sie dienen als Kondensationskeime für Tropfen und können Regen auslösen. Zwar berichten mehrere Studien, dass dieser Mechanismus bereits künstlich herbeigeführt worden ist - statistische Nachweise für künstliche Niederschläge fehlen freilich bis heute.  
Was an den Möglichkeiten für eine künstliche Regenerzeugung dran ist und wie sich Regen eigentlich bildet, beantworten Meteorologen für die User von science.ORF.at.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
"wolverine1": "In Zeiten des Klimawandels hört man immer wieder von extremer werdenden Wetterbedingungen: mehr Überschwemmungen, aber auch mehr Trocken- und Hitzeperioden. Gibt es eigentlich eine wissenschaftlich glaubwürdige Möglichkeit, Niederschläge künstlich herzustellen?"
->   Zur Frage der Woche samt User-Forum
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Kondensation ab 100 Prozent Luftfeuchtigkeit
Theoretisch setzt die Kondensation erst bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit ein, da ab diesem kritischen Wert eine so genannte stürmische Kondensation zu sichtbaren Tröpfchen beginnt.

Allerdings wird bereits um 80 Prozent Luftfeuchtigkeit Wasserdampf freigesetzt, der die Luft diesig und dunstig erscheinen lässt.
Regenbildung allgemein
Wie der Meteorologe Ulrich Foelsche von der Uni Graz gegenüber science.ORF.at erklärt, "sind zur Kondensation allerdings auch Kondensationskeime notwendig. Sind diese nicht in genügender Anzahl vorhanden, kann die Luft sogar mit Wasserdampf übersättigt werden."

Solche Schwebpartikel sind in der Atmosphäre im Allgemeinen in großer Zahl vorhanden. Bereits in reiner Luft, über den Ozeanen oder den arktischen Gebieten, sind das etwa 300 Teilchen pro Kubikzentimeter, über Großstädten können es über 100.000 werden.
Von Wasser anziehenden Kondensationskeimen ...
Von all diesen Aerosolen - das sind sämtliche in der Atmosphäre schwebenden flüssigen und festen Teilchen ausgenommen Wolken-, Nebel- und Niederschlagsteilchen - sind nur bestimmte als Kondensationskerne gut geeignet.

"Nämlich jene, die hygroskopische Eigenschaften besitzen, sprich salz- beziehungsweise säurehältig sind und somit Wasser an sich ziehen, wie das hierzulande durch die Hagelflieger bekannte Silberjodid", erläutert der Grazer Meteorologe.
... hängt Größe der Regentropfen ab
Zu geeigneten Keimen zählen laut Experten beispielsweise Salzkristalle, die aus den Meeren in die Luft gelangen, oder Teilchen, die aus Verbrennungsprodukten durch chemische oder photochemische Reaktionen entstanden sind und an denen sich hygroskopische Substanzen anlagern können.

Die Größe der um sie entstehenden Regentropfen hänge von der Art der Kondensationskerne und deren Verweildauer innerhalb der Wolke ab.
Künstliches Einimpfen von Regenwolken
Wie science.ORF.at bereits berichtete, basiert ein in Thailand patentiertes System auf dem so genannten "Super-Sandwich"-Prinzip: Dabei sollen zwei Flugzeuge mit Hilfe von Chemikalien auf unterschiedlicher Höhe kalte und warme Wolken bilden und damit ein breiteres Gebiet bewässern können als herkömmliche Methoden.

"Generell sprühen Wissenschaftler beim Versuch, Niederschläge direkt in die Atmosphäre einzuimpfen, dem so genannten 'cloud seeding', ein Dampfgemisch beispielsweise aus Natrium, Magnesium oder Kalziumchlorid mit einem Flugzeug in die Aufwinde", erklärt der Innsbrucker Meteorologe Ekkehard Dreiseitl.

Erreichen diese Aufwinde dann die Wolken, so kondensiert an den winzigen Teilchen der umgebende Wasserdampf und es können sich schwere Wassertropfen bilden.
Städte als Hitzezentren
Eine weiterer Effekt, durch den sich Regen künstlich bilden könnte, erläutert der Grazer Meteorologe Ulrich Foelsche: "Beispielsweise durch Studien rund um die amerikanische Metropole Houston oder durch Niederschlagsauswertungen um Berlin ist die Idee aufgekommen, dass große Städte, insbesondere in Küstennähe, so quasi ihren eigenen Regen produzieren sollen und somit immer wichtiger werden könnten in der Zukunft für das lokale Wettergeschehen."

Da in Städten ein großer Teil der Fläche durch Straßen und Häuser versiegelt ist, könne sich die Luft darüber stärker aufheizen und steige entlang der Häuserschluchten nach oben.

Dieser Effekt werde durch hohe Gebäude noch verstärkt, denn sie konzentrieren den Wind, der die Luft nach oben treibt. Wenn sie dann an der Grenze zur Stratosphäre plötzlich abkühlt, könnten Niederschläge theoretisch entstehen, so Foelsche über die Ansätze solcher Untersuchungen.
Statistischer Nachweis fehlt
Das Problem bei den theoretischen Möglichkeiten für die künstliche Regenerzeugung: Die Wissenschaftler sind noch nicht in der Lage, die mikrophysikalischen und dynamischen Reaktionen der Wolken für diese Impfprozesse genau zu verstehen.

Außerdem ist die Anzahl der - mutmaßlich - künstlich produzierten Regenfälle generell noch zu klein für eine aussagekräftige Auswertung, so der Tenor der von science.ORF.at befragten Experten.

Michael Hantel vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Uni Wien: "Es konnte noch kein statistischer Nachweis erbracht werden, dass es nicht auch ohne das Einimpfen von Regenwolken geregnet hätte."

Christoph Urbanek, 25.7.05
->   Institut für Geophysik, Astrophysik und Meteorologie, Uni Graz
->   Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Wien
->   Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Innsbruck
 
 
 
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